Leitsatz (amtlich)

1. Ein nur von einem Ehegatten niedergeschriebenes und unterschriebenes - mithin unvollständiges - gemeinschaftliches Testament kann als Einzeltestament auch dann wirksam sein, wenn der testierende Ehegatte die Unterschrift des anderen Ehegatten gefälscht hat. Für die Abgrenzung zwischen wirksamer einseitiger Verfügung und gescheitertem Entwurf eines gemeinschaftlichen Testaments ist auf den Willen der Person abzustellen, die das Dokument erstellt hat. Wollte diese die in dem Dokument enthaltenen Anordnungen auch als einseitige Verfügungen von Todes wegen treffen, sind sie wirksam.

2. Zur Zulässigkeit der einseitigen Abänderung einer Verfügung im Erbvertrag, der es dem überlebenden Vertragspartner gestattet, "nach dem Ableben" des zuerst Sterbenden beliebig anderweitig zu verfügen, zu Lebzeiten beider Vertragspartner.

 

Normenkette

BGB §§ 2267, 2299 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

Notariat Dischingen (Beschluss vom 27.04.2017; Aktenzeichen NG 17/2016)

 

Tenor

1. Die Beschwerden der Beteiligten zu 1) und 2) gegen den Beschluss des Notariats Dischingen vom 27.04.2017, Az. NG 17/2016, werden zurückgewiesen.

2. Die Beschwerdeführer tragen die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens und die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 3) im Beschwerdeverfahren als Gesamtschuldner. Im Übrigen werden außergerichtliche Kosten nicht erstattet.

3. Den Beteiligten wird aufgegeben, bis 08.01.2019 Angaben zum Nachlasswert zu machen, damit der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens festgesetzt werden kann.

 

Gründe

I. Die Beteiligten streiten im Erbscheinsverfahren um den Nachlass nach dem am ... 2016 verstorbenen Erblasser. Sie sind Angehörige des Erblassers, bzw. seiner am ... 2015 vorverstorbenen Ehefrau ... ..., geb. .... Abkömmlinge gibt es nicht.

Mit notariellem (Ehe- und) Erbvertrag (Bl. 21 d.A.) vom 15.11.1967 setzten der Erblasser und seine Ehefrau einander zu Alleinerben ein. Ansonsten hat der Erbvertrag auszugsweise folgenden Wortlaut (Unterstreichung auch im Original):

"§ 3

Sind keine Abkömmlinge von uns (leibliche Abkömmlinge oder an Kindes Statt angenommene Kinder) vorhanden, so beruft der überlebende Gatte zu seinen Erben:

a) zur Hälfte, die beim Eintritt des Erbfalls geborenen und lebenden Abkömmlinge der Geschwister des Manns; jeder Stamm zum gleichen Anteil und innerhalb des einzelnen Stammes nach den Regeln wie bei gesetzlicher Erbfolge.

b) zur Hälfte, die beim Eintritt des Erbfalls geborenen und lebenden Abkömmlinge der Geschwister der Ehefrau; jeder Stamm zum gleichen Anteil und innerhalb des einzelnen Stammes nach den Regeln wie bei gesetzlicher Erbfolge.

zu a) und b): Bei dieser Erbeinsetzung soll es auch im Falle der Wiederverheiratung des überlebenden Gatten verbleiben.

§ 4

Dem überlebenden Gatten ist es gestattet, nach dem Ableben des zuerststerbenden Gatten die Erbeinsetzung bezüglich seiner eigenen Verwandten beliebig zu ändern, zu widerrufen und bezüglich dieser Hälfe seines Nachlasses anderweitig letztwillig zu verfügen."(...)

Weiter wurde ein als "gemeinschaftliches Testament" überschriebenes Schriftstück zur Nachlassakte (Bl. 22) gebracht, das handschriftlich - in Druckschrift - erstellt wurde und auf 01.07.2012 datiert ist. Der verfügende Teil hat auszugsweise folgenden Wortlaut (Schreibfehler auch im Original):

"Wir (..) setzen uns gegenseitig zu unbeschreiben und unbeschrändten Aleinerben ein

der überlebende Ehegatte setzt zu seinem unbeschrängten allein Erben

... ... geb. ... geb. ...

ein

wohnhaft ...

..."

Die Unterschriften lauten "H. ..." und "G. ...", wobei die Vornamensinitiale jeweils in Druckschrift, der Familienname jeweils in Sütterlinschrift ausgeführt ist.

Aufgrund von den Beteiligten teilweise geäußerter Zweifel an der Eigenhändigkeit des Textes bzw. der Unterschriften des auf 2012 datierten Schriftstücks holte das Nachlassgericht ein Gutachten des Schriftsachverständigen Dr. ... ... (Bl. 64) ein. Dieses kam zu dem Ergebnis, dass die Ehefrau des Erblassers (ohne vernünftigen Zweifel) als Erstellerin des Textes und der Unterschrift "G. ..." ausgeschlossen werden könne und dass umgekehrt der Erblasser als Ersteller (mit hoher Wahrscheinlichkeit) des Textes und (mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit) beider Unterschriften anzusehen sei. Für die Einzelheiten, insbesondere die dieser Bewertung zugrunde gelegten Schrift- und Schreibaspekte, wird auf das Gutachten Bezug genommen.

Im erstinstanzlichen Verfahren haben die Beteiligten wiederholt zu den als Verfügungen von Todes wegen eröffneten Schriftstücken Stellung genommen und hierzu u.a. Folgendes angemerkt:

Sowohl der Erblasser als seine Ehefrau hätten nicht nur in Sütterlinschrift unter-, sondern auch geschrieben. Schon dies schließe beide als Ersteller des Testamentstextes von 2012 aus.

Der Umstand, dass das auf 01.07.2012 datierte Dokument etliche Schreibfehler aufweise, sei mit den bekannten Schreibgewohnheiten und der Korrektheit des Erblassers unvereinbar. Gleichfalls unvereinbar mit seinem Charakter sei die Erstellung eines privatschriftliche...

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