Entscheidungsstichwort (Thema)

Sofortige Beschwerde im Vergabeverfahren, Anwendung des § 107 III GBW in Altverfahren, Doppelmandat an Rechtsanwalt als Vergabemangel

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Verstoß gegen die Ordnungsvorschrift des § 117 IV GWB hat auf die Wirksamkeit der sofortigen Beschwerde gegen die Entscheidung der Vergabekammer keinen Einfluß.

Die Erklärung, die sofortige Beschwerde wäre zunächst lediglich vorsorglich zur Wahrung der Frist eingelegt, ihre Durchführung sei von der Entscheidung des hinter der Beschwerdeführerin stehenden politischen Gremiums abhängig und der Senat solle zunächst keine kostenauslösenden Maßnahmen treffen, ist keine unzulässige Bedingung der sofortigen Beschwerde.

In einem vor dem 01.01.1999 eingeleiteten, aber erst danach beendeten Vergabeverfahren sind Anträge an die Vergabekammer nach § 107 III GBW unzulässig, wenn im Vergabeverfahren erkennbare oder positiv erkannte Verstöße gegen Vergabevorschriften nicht unverzüglich nach dem 01.01.1999 gerügt worden sind. Eine Rüge erst nach Ablauf von drei Monaten ist nicht mehr unverzüglich.

Es verstößt weder gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz noch gegen das Diskriminierungsverbot noch gegen das Transparenzgebot nach § 97 I, II GWB bzw. § 2 Nr. 2 VOL/A, wenn die Vergabestelle im Vergabeverfahren durch einen Rechtsanwalt vertreten wird, der einen Mitbieter in einem imissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren vertritt, sofern in beiden Verfahren nicht derselbe Sachverhalt von Bedeutung sein kann, so dass der Ausgang des einen Verfahrens ohne Einfluß auf das andere Verfahren ist.

Die Nachprüfung der Vergabe ist auf solche Verstöße beschränkt, bei denen die konkrete Möglichkeit besteht, dass sie für die Bewertung eines Angebots bzw. für die konkrete Vergabeentscheidung ursächlich geworden sind.

 

Normenkette

GWB §§ 97, 107 Abs. 3, §§ 116-117, 123, 126, 128; BRAO § 43a; BORA § 3; VwVfG ba-wü § 20; LKrO ba-wü § 14; KrWAbfG §§ 3, 15-16

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird die Entscheidung des Vergabeüberwachungsausschusses des Landes Baden-Württemberg vom 28.05.1999 – 1 VÜ 7/99 – betr. das Vergabeverfahren „Behandlung und Entsorgung von Restabfall der Landkreise …

2. Die Nachprüfungsanträge der Antragstellerin werden zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Verfahrens vor dem Vergabeüberwachungsausschuss und in der Beschwerdeinstanz hat die Antragstellerin zu tragen.

4. Die Antragstellerin ist verpflichtet, die notwendigen Auslagen der Antragsgegnerin und der beiden Beigeladenen vor dem Vergabeüberwachungsausschuss und in der Beschwerdeinstanz zu tragen.

5. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 4 Mio. DM festgesetzt.

 

Gründe

1.

Die Beschwerdeführerin, Antragsgegnerin im nach § 102 GWB vorausgegangenen Nachprüfungsverfahren vor dem Vergabeüberwachungsausschuss des Landes Baden-Württemberg (VÜA), ist Vergabestelle eines Vergabeverfahrens, das die Behandlung und Entsorgung des in den Landkreisen … … anfallenden Restabfalls zum Gegenstand hat. Sie ist eine von beiden Landkreisen unter je hälftiger Beteiligung gegründete GmbH, mit der die beiden Landkreise ihre gesetzliche Aufgabe bei der Abfallentsorgung befolgen. Zu vergeben sind Leistungen, die überwiegend Dienstleistungscharakter haben und auf die Dauer von max. 25 Jahren angelegt sind, bei einem Auftragsvolumen von ca. 20 Mio. DM pro Jahr.

2.

Die Beschwerdeführerin hat das Vergabeverfahren nach öffentlichem Aufruf im Verhandlungsverfahren nach Abschnitt 2 der VOL/A betrieben. Die Angebotsfrist lief bis 02.10.1998, die Zuschlagsfrist endete am 30.06.1999. Aufgrund des Leistungsverzeichnisses und eines Vertragsentwurfs haben insgesamt 9 Bieter Angebote eingereicht, darunter die Beschwerdegegnerin, Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren, und die beiden Beigeladenen, zum einen ein Konsortium (bestehend aus den Firmen E … (jetzt: T…, s. Bl. 87 f) und Th…) und zum andern der Verband Kehrichtverbrennungsanlage Thu… Die Firma E… beabsichtigt, die Genehmigung für eine am Standort Heilbronn zu errichtende Verbrennungsanlage zu beantragen. Für dieses Genehmigungsverfahren hat sie sich durch die Anwaltssozietät Prof. D… beraten lassen.

3.

Die Beschwerdegegnerin, ein Unternehmen der R…, hat auf der Grundlage eines sog. Verbundkonzeptes (Zerlegung des Abfalls in 4 Fraktionen als Brennstoff, thermischer Behandlung zuzuführende Stoffe, FE/NE-Metalle und Deponien zuzuführende Inertien; s. Stoffstromdiagramm Anl. zum Angebot) ein Hauptangebot und vier Nebenangebote eingereicht. Bestandteil ihres Angebotes war u. a. die mechanische Aufbereitung/Sortierung in einer noch zu errichtenden Anlage. Die Beschwerdeführerin hat Erörterungstermine, auch mit der Beschwerdegegnerin, durchgeführt. In Sitzungen des Aufsichtsrates der Beschwerdeführerin vom 19.02. und 17.03.1999 wurde die Beurteilung der Bieterangebote vorbereitet. In der Auswertung der Angebote (Bl. 352 ff, 384 ff) wurde den Angeboten der beiden Beigeladenen und der Fa. O… der Vorzug gegeben (s. Bl. 342 m. Bl. 409). Danach wurden weitere Verh...

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