Leitsatz (amtlich)

Die vorsorgliche Entziehung einer ausländischen Fahrerlaubnis, die der Angeklagte nur möglicherweise besitzt, ist nicht zulässig.

 

Normenkette

StGB § 69 Abs. 1; FeV § 28 Abs. 4 Nr. 2, 4; StPO § 244 Abs. 2; Richtlinie 91/439/EWG Art. 8 Abs. 4; StGB § 69b; StPO § 261

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Entscheidung vom 06.05.2010; Aktenzeichen 36 Ns 61 Js 52673/09)

AG Stuttgart-Bad Cannstatt (Aktenzeichen B 5 Ds 61 Js 52673/09)

 

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 06. Mai 2010 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen

a u f g e h o b e n,

soweit die Entziehung der ausländischen Fahrerlaubnis des Angeklagten und eine Sperrfrist von 18 Monaten angeordnet sowie der Führerschein des Angeklagten eingezogen wurde.

2. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Stuttgart

z u r ü c k v e r w i e s e n.

3. Im Übrigen wird die Revision als unbegründet

v e r w o r f e n.

 

Gründe

I. Das Amtsgericht - Strafrichter - Stuttgart-Bad Cannstatt hatte den Angeklagten am 01. Oktober 2009 wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu der Freiheitsstrafe von drei Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Weiter hat es ihm "die ausländische Fahrerlaubnis, soweit sie ihm inzwischen erteilt wurde," entzogen. Es wurde eine Sperrfrist von 18 Monaten für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis angeordnet und der Führerschein des Angeklagten eingezogen. Gegen dieses Urteil legte der Angeklagte rechtzeitig Berufung ein. Er erstrebt einen Freispruch.

Mit Urteil vom 06. Mai 2010 hat die kleine Strafkammer des Landgerichts Stuttgart die Berufung als unbegründet verworfen. Sie hat festgestellt, dass der Angeklagte am 14. Januar 2009 gegen 13.35 Uhr in S. als Pkw-Fahrer am öffentlichen Straßenverkehr teilgenommen hat, obwohl er wusste, dass ihm durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts Stuttgart-Bad Cannstatt vom 09. Oktober 2008 wegen eines Verkehrsdelikts die Fahrerlaubnis entzogen und eine Sperrfrist von 8 Monaten für ihre Wiedererteilung angeordnet worden war.

Gegen dieses Urteil wendet sich die zulässige Revision des Angeklagten.

II. 1. Soweit sich die Revision gegen den Schuldspruch und den Strafausspruch richtet, ist sie entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat insoweit keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Sollte der Angeklagte eine EU- oder EWR-Fahrerlaubnis besitzen, hätte diese ihn während des Laufs der Sperrfrist aus dem Urteil des Amtsgerichts Stuttgart Bad-Cannstatt vom 09. Oktober 2008 bis zum Juni 2009 nach § 28 Abs. 4 Nr. 4 FeV nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen in der Bundesrepublik Deutschland berechtigt.

2. Dagegen können die angeordneten Fahrerlaubnismaßnahmen keinen Bestand haben. Das Urteil ist nach einstimmiger Entscheidung des Senats insoweit gemäß § 349 Abs. 4 StPO aufzuheben.

Das Landgericht hat lediglich festgestellt, dass der Angeklagte über keine deutsche Fahrerlaubnis verfügt. Es hat aber keine Feststellungen dazu getroffen, ob er im Besitz einer ausländischen Fahrerlaubnis ist. Die Strafkammer hat lediglich berichtet, der aus Österreich stammende und zeitweise in G./Österreich lebende Angeklagte habe die Auskunft auf die Frage verweigert, ob er über eine österreichische Fahrerlaubnis verfügt.

Damit hat das Landgericht seiner Kognitionspflicht aus §§ 244 Abs. 2, 261 StPO nicht ausreichend genügt.

Auch die Entziehung einer ausländischen Fahrerlaubnis nach §§ 69 Abs. 1, 69 b StGB setzt die Feststellung des Gerichts voraus, dass diese Fahrerlaubnis besteht (Fischer, StGB, 57. Auflage, § 69 Rdnr. 3a; Gübner, NJW 2008, 2278). Hat der Täter keine Fahrerlaubnis, so wird gemäß § 69 a Abs. 1 Satz 3 StGB nur eine Sperrfrist für deren Wiedererteilung angeordnet. Stellt das Tatgericht fest, dass der Täter eine ausländische Fahrerlaubnis besitzt, ist diese zu entziehen. Die Entziehung hat aber lediglich die Wirkung einer Aberkennung des Rechts, von der Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen (§ 69 b Abs. 1 StGB). Ist in diesem Fall der ausländische Führerschein von der Behörde eines Mitgliedstaats der Europäischen Union ausgestellt worden und hat der Inhaber seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland, wie es beim Angeklagten den Feststellungen des Landgerichts nach der Fall ist, so wird der Führerschein im Urteil eingezogen und an die ausstellende Behörde zurückgesandt (§ 69 b Abs. 2 Satz 1 StGB).

Das Amtsgericht Lahr (NJW 2008, 2277 f.) hat sich demgegenüber für eine vorsorgliche Entziehung der Fahrerlaubnis beim Vorliegen eines auch nur vagen Verdachts, der Täter könne im Besitz einer ausländischen Fahrerlaubnis sein, ausgesprochen. Der Senat tritt dem entgegen. Nach § 261 StPO darf das Gericht eine tatsächliche Voraussetzung eines Straftatbestands sowie einer Vorschrift, die eine Ma...

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