Leitsatz (amtlich)

1. Betreibt ein Selbständiger keine Altersvorsorge, ist dies zu seinen Lasten im Rahmen des § 27 VersAusglG nur relevant, wenn dies auf einem illoyalen und grob leichtfertigen Verhalten beruht.

2. Beruht die Ausgleichspflicht eines Ehegatten nur auf Anwartschaften, die sich aus Kindererziehungszeiten ergeben, rechtfertigt dies allein den Ausschluss des Versorgungsausgleichs nicht.

3. War der ausgleichsberechtigte Ehegatte allerdings einen nicht unerheblichen Teil der Ehezeit in Strafhaft und hat in dieser Zeit in keiner Weise zum Familienunterhalt beigetragen, entspricht es der Billigkeit, die während der Haft vom ausgleichspflichtigen Ehegatten erworbenen Rentenanwartschaften nicht in den Versorgungsausgleich einzubeziehen.

 

Normenkette

VersAuslG § 27

 

Verfahrensgang

AG Oberndorf (Beschluss vom 14.03.2011; Aktenzeichen 5 F 229/09)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Oberndorf vom 14.3.2011 - 5 F 229/09, in Ziff. 1 aufgehoben und in Ziff. 2 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Im Wege der internen Teilung werden vom Versicherungskonto Nr ... der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württem-berg 3,2487 Entgeltpunkte auf das Versicherungskonto des Antragsgegners Nr ... bei der Deutschen Rentenversicherung Bund, bezogen auf den 31.7.2009, übertragen.

Im Übrigen findet ein Versorgungsausgleich gem. § 27 VersAusglG nicht statt.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

4. Der Antragstellerin wird für das Beschwerdeverfahren ratenfreie Verfahrens-kostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt K., beigeordnet.

5. Dem Antragsgegner wird für das Beschwerdeverfahren ratenfreie Verfahrenskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt M. beigeordnet.

Beschwerdewert: 1.000 EUR

 

Gründe

I. Die 43-jährige Antragstellerin und der 63-jährige Antragsgegner sind geschiedene Eheleute. Sie streiten darüber, ob der Versorgungsausgleich durchgeführt wird.

Die Beteiligten haben am 20.5.1998 die Ehe geschlossen. Aus der Ehe sind die Kinder J. (geb. am ... 1998), T. (geb. am ... 2000), A. (geb. am ... 2002) und M. (geb. am ... 2004) hervorgegangen. Bereits vor der Eheschließung sind die gemeinsamen Kinder B. (geb. am ... 1994) und C. (geb. am ... 1996) geboren.

Aus einer vorherigen Beziehung hat die Antragstellerin außerdem eine zwischenzeitlich erwachsene Tochter.

Das AG - Familiengericht - Oberndorf hat auf den am 26.8.2009 zugestellten Scheidungsantrag der Antragstellerin die Ehe der beteiligten Eheleute mit Beschluss vom 21.10.2010 geschieden und den Versorgungsausgleich abgetrennt.

Die Antragstellerin hat keinen Beruf erlernt. Von 1985 bis 1987 war sie als Haushaltshilfe tätig. Seit 1987 kümmert sie sich ausschließlich um die Kinder und den Haushalt. Die Antragstellerin hat in der gesetzlichen Rentenversicherung bislang eine Rentenanwartschaft i.H.v. 18,1530 Entgeltpunkten erworben, hiervon entfallen auf die Ehezeit (1.5.1998 - 31.7.2009) 11,6731 Entgeltpunkte. Der Versorgungsträger gibt den Ausgleichswert mit 5,8366 Entgeltpunkten an. Die während der Ehe erworbene Rentenanwartschaft der Antragstellerin beruht ausschließlich auf Kindererziehungszeiten (vgl. Auskunft Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg, Bl. 82 Sonderheft Versorgungsausgleich).

Der - mehrfach vorbestrafte - 63-jährige Antragsgegner hat während der Ehezeit keine Rentenanwartschaften erworben. Nach seiner Ausbildung zum Dreher ging er verschiedenen selbständigen Tätigkeiten nach; u.a. betrieb er einen Handel mit Maschinen und Maschinenteilen. Sein derzeitiger gesetzlicher Rentenanspruch beträgt 46,93 EUR monatlich (vgl. Auskunft der Deutschen Rentenversicherung Bund, Bl. 64 Sonderheft Versorgungsausgleich).

Anfang der neunziger Jahre wuchs in dem Antragsgegner die Angst vor einer existentiellen Bedrohung, die in eine übersteigerte Endzeitstimmung ausartete. In seiner Furcht vor einer bevorstehenden "Apokalypse" begann der Antragsgegner ein umfangreiches Lebensmittellager anzusammeln, das er mit Schusswaffen, Munition und anderen Gegenständen zur Katastrophenabwehr ergänzte (vgl. die Schilderung der persönlichen Verhältnisse des Antragsgegners im Urteil des AG Oberndorf vom 22.7.2010 - 2 Ds 26 Js 9139/09, Bl. 238 ff der beigezogenen Strafakte). Am 2.11.2004 wurde der Antragsgegner u.a. wegen Verstoßes gegen das Kriegswaffen-kontrollgesetz verhaftet und mit Urteil des LG Rottweil vom 13.9.2005, Az, 1 KLs 24 JS 13470/04, zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren verurteilt.

Jedenfalls seit der Inhaftierung des Antragsgegners bezieht die Antragstellerin öffentliche Hilfen. Eine während der Haftzeit in Anspruch genommene Eheberatung scheiterte. Das Verhältnis der Eheleute ist zwischenzeitlich tiefgreifend zerrüttet.

Im Jahr 2010 erstattete der Antragsgegner mehrfach Strafanzeige gegen die Antragstellerin wegen des Verdachts auf Leistungsmissbrauch (vgl. Bl. 134 bis 136 Sonderheft Versorgungsausgleich). Diese Anzeigen führten zu ...

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