Leitsatz (amtlich)

1. Zur Schätzung des Verkehrswertes des Aktieneigentums in Spruchverfahren (Anschluss an die Senatsbeschlüsse vom 05. Juni 2013, 20 W 6/10, vom 24. Juli 2013, 20 W 2/12, vom 15. Oktober 2013, 20 W 3/13, vom 05. November 2013, 20 W 4/12, vom 17. Juli 2014, 20 W 3/12).

2. Im Rahmen der Ableitung des Ausgleichs nach § 304 Abs. 2 S. 1 AktG in Form der Verrentung des Unternehmenswerts ist das Prinzip der Vollausschüttung zugrunde zu legen. Bei der Umrechnung der Ausgleichszahlung vom Nach- in einen Vorsteuerwert ist daher vom vollen persönlichen Einkommensteuersatz der Aktionäre auszugehen. Etwaige Thesaurierungsquoten bleiben unberücksichtigt.

 

Normenkette

AktG § 304 Abs. 1, 2 S. 1, § 305

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Beschluss vom 05.11.2012; Aktenzeichen 31 O 55/08 KfH)

 

Tenor

1. Die sofortigen Beschwerden der Antragsteller 3, 6, 30-34, 53, 56, 59, 60, 66-71 sowie die Anschlussbeschwerde des Antragstellers 12 gegen den Beschluss des Landgerichts Stuttgart vom 05. November 2012, Az. 31 O 55/08 KfH AktG, werden zurückgewiesen.

Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landgerichts Stuttgart vom 05. November 2012, Az. 31 O 55/08 KfH AktG wird zurückgewiesen.

2. Die Antragsgegnerin trägt die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens; die im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten werden nicht erstattet.

3. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 873.907,16 Euro festgesetzt.

 

Gründe

A. Gegenstand des vorliegenden Spruchverfahrens ist die gerichtliche Festsetzung einer angemessenen Barabfindung und eines angemessenen Ausgleichs wegen des Abschlusses eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages zwischen der Antragsgegnerin/ Beschwerdeführerin (im Folgenden: Antragsgegnerin) als herrschender Gesellschaft und der X AG, L., als abhängiger Gesellschaft.

I. 1. Die Antragsteller waren Minderheitsaktionäre der X AG.

Bei der X AG handelte es sich um einen weltweit tätigen Automobilzulieferer. Die AG war die Führungsgesellschaft des X Konzerns. Unternehmensgegenstand waren die Herstellung und der Vertrieb sowie der Handel mit Glüh- und Zündkerzen sowie mit anderen elektrischen, elektronischen, mechanischen und sonstigen Komponenten aller Art, ferner die Einrichtung von Tochtergesellschaften, Zweigniederlassungen, die Beteiligung an Unternehmen sowie der Erwerb und das Halten des erforderlichen Anlagevermögens. Die Tätigkeitsfelder der X AG umfassten die Entwicklung und Produktion in den Bereichen Dieselkaltstarttechnologie und Zündungstechnik sowie den Vertrieb von Diesel-, Zündungs- und Elektronikkomponenten im Erstausrüster- und Handelsgeschäft.

Antragsgegnerin ist die Y G. GmbH mit Sitz in K., die mittlerweile auf die Y E. GmbH verschmolzen wurde. Die Verschmelzung wurde am 01. September 2016 in das Handelsregister eingetragen.

2. Infolge verschiedener Aktienkäufe und der Durchführung eines öffentlichen Übernahmeangebots erwarb die Antragsgegnerin bis 10. Dezember 2007 75 % der Stimmrechte der X AG.

Mit Ad-hoc-Mitteilung vom 11.12.2007 gab die X AG bekannt, dass die Antragsgegnerin sie über ihre Absicht zum Beginn der Vorbereitungen zum Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages informiert habe.

Im Auftrag beider Unternehmen erstellte die xxx AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (im Folgenden: Bewertungsgutachter) unter dem 15.03.2008 eine Unternehmensbewertung zum 21.05.2008 (Anlage AG 1, im Folgenden: Bewertungsgutachten, abgekürzt: BG). Die angemessene Abfindung ermittelte der Bewertungsgutachter auf der Grundlage des nach Umsätzen gewichteten Dreimonatsdurchschnittskurses der X-Aktie in der Zeit zwischen dem 11.09.2007 und dem 10.12.2007. Mit 71,32 Euro je Aktie lag dieser über dem nach dem Ertragswertverfahren bestimmten anteiligen Unternehmenswert von 61,84 Euro je Aktie.

Den angemessenen Ausgleich leitete der Bewertungsgutachter aus einer Verzinsung dieses Unternehmenswertes von 61,84 Euro ab. Als Zinssatz legte er einen Mittelwert zwischen dem Basiszinssatz und einem sog. risikoangepassten Kapitalisierungszinssatz vor persönlicher Einkommensteuer zugrunde. Daraus errechnete er einen Ausgleich in Höhe von 4,23 Euro je Aktie vor persönlicher Einkommensteuer und nach Unternehmenssteuer.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten verweist der Senat auf das Bewertungsgutachten.

Mit Beschluss des Landgerichts Stuttgart vom 18.12.2007 - 34 O 214/07 KfH AktG - wurde die ABCD A. B. C. D. GmbH zum sachverständigen Prüfer bestellt und erstattete unter dem 18.03.2008 einen Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung und des Ausgleichs (Anlage AG 2; im Folgenden: Prüfungsbericht, abgekürzt: PB). Darin wurde die Angemessenheit der vom Bewertungsgutachter ermittelten Abfindung und des Ausgleichs bestätigt.

Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Prüfbericht Bezug genommen.

Am 17.03.2008 wurde der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag unterzeichnet.

Die Hauptversammlung der X AG stimmte dem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag am...

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