Leitsatz (amtlich)

1. Die durch das ARUG neu geschaffene Vorschrift des § 319 Abs. 6 Satz 3 Nr. 2 AktG n.F. ist mit dem aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) resultierenden Gebot der Normenklarheit und -bestimmtheit wie auch mit der Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG) vereinbar.

2. Die rückwirkende Anwendung des Quorumserfordernisses des § 319 Abs. 6 Satz 3 Nr. 2 AktG n.F. auf nach dem 1.9.2009 anhängig gewordene Freigabeverfahren verstößt nicht gegen das auch im Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG zu berücksichtigende Vertrauensschutzprinzip.

3. Nach übereinstimmender Erledigungserklärung in der Hauptsache kann auch im Freigabeverfahren ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss über die Kosten des Verfahrens entschieden werden (§ 327e Abs. 2, § 319 Abs. 6 Satz 2 AktG n.F. i.V.m. § 91a Abs. 1, § 128 Abs. 3 ZPO analog).

4. Für die Zeit vor der übereinstimmenden Erledigungserklärung orientiert sich der Streitwert des Freigabeverfahrens am Streitwert des Hauptsacheverfahrens; danach bestimmt er sich nach der Summe der bis dahin angefallenen gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten der Antragsteller- sowie Antragsgegnerseite.

 

Tenor

1. Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsgegner.

2. Der Streitwert wird wie folgt festgesetzt:

bis 12.10.2009: 50.000 EUR;

seit 13.10.2009 (Vorliegen sämtlicher Erledigungserklärungen):

bis 6.000 EUR (Kosten aus Streitwert 50.000 EUR).

 

Gründe

I.1. Die ordentliche Hauptversammlung der Antragstellerin - einer Aktiengesellschaft mit Sitz in L. - fasste am 20.5.2009 mit einer Mehrheit von über 99 % des vertretenen Grundkapitals zu TOP 5 den Beschluss, die Aktien ihrer Minderheitsaktionäre auf die B. W. G. GmbH, K., gegen Barabfindung gem. §§ 327a ff. AktG zu übertragen. Zu dieser Hauptversammlung, deren Einberufung am 7.4.2009 bekannt gemacht worden war (Bl. 6 d.A.), hatten sich die Antragsgegner zu 1, zu 2 und zu 4 nur mit jeweils einer Aktie angemeldet, während die Antragsgegnerin zu 3 weder im Anmeldeverzeichnis noch im Teilnehmerverzeichnis aufgeführt ist (vgl. Bl. 8 d.A.).

2. Hinsichtlich des Beschlusses zu TOP 5 hatten die Antragsgegner sowie ein weiterer Kläger am 19.6.2009 beim LG Stuttgart Anfechtungs-/Nichtigkeitsklage gegen die Antragstellerin eingereicht (Anl. Ast 3; Bl. 1 ff. der beigezogenen Akten LG Stuttgart 31 O 148/09 KfH). Der weitere Kläger hatte seine Klage allerdings noch vor der Terminsanberaumung auf 9.11.2009 in diesem Hauptsacheverfahren zurückgenommen (Anl. Ast 4; Bl. 24 d.A. LG Stuttgart 31 O 148/09 KfH).

3. Die Antragstellerin ihrerseits reichte am 2.9.2009 beim OLG Stuttgart den hier verfahrensgegenständlichen Freigabeantrag ein (Bl. 1 ff. d.A.). Mit diesem begehrte sie die Feststellung, dass die Erhebung der Klage der Antragsgegner beim LG Stuttgart gegen den Beschluss zu TOP 5 der Eintragung jenes Übertragungsbeschlusses in das Handelsregister nicht entgegenstehe (Bl. 2 d.A.). Auf den Freigabeantrag hin wurde mit Verfügung vom 3.9.2009 (Bl. 27 d.A.) Senatstermin zur mündlichen Verhandlung auf 9.10.2009 bestimmt und den Antragsgegnern Gelegenheit dazu gegeben, binnen Wochenfrist ab Antragszustellung nachzuweisen, dass sie seit Bekanntmachung der Einberufung zur Hauptversammlung vom 20.5.2009 am Grundkapital der Antragstellerin einen anteiligen Betrag von mindestens 1.000 EUR hielten.

Nachdem die Antragsschrift den anwaltlichen Vertretern der Antragsgegner zu 1 bis 4 am 7.9., 8.9. bzw. am 11.9.2009 zugestellt worden war (Bl. 23-26 d.A.), nahmen sämtliche Antragsgegner ihre Hauptsacheklagen mit Schriftsätzen vom 10.9., 14.9. bzw. 15.9.2009 zurück (Bl. 76-79 d.A. LG Stuttgart 31 O 148/09 KfH). Die Antragsgegnerin zu 3 erklärte zudem das Freigabeverfahren mit Schriftsatz vom 10.9.2009 (Bl. 42 d.A.) in Bezug auf diese Antragsgegnerin für in der Hauptsache erledigt. Mit Schriftsatz vom 22.9.2009 (Bl. 47 ff. d.A.) hat die Antragstellerin daraufhin ihrerseits das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt, woraufhin der Senatstermin zur mündlichen Verhandlung über den Freigabeantrag aufgehoben wurde (Bl. 55 d.A.). Der Erledigungserklärung der Antragstellerin haben sich die Antragsgegner zu 1 und zu 4 mit Schriftsätzen vom 1.10.2009 (Bl. 61 d.A.) bzw. vom 8.10.2009 (Bl. 62 d.A.) angeschlossen. Der Antragsgegner zu 2 hat der Erledigungserklärung nach Belehrung nicht innerhalb der mit Verfügung vom 24.9.2009 (Bl. 55 d.A.) gesetzten Zwei-Wochen-Frist widersprochen. Diese Verfügung war ihm am 28.9.2009 zugestellt worden (Bl. 58 d.A.).

II. Nachdem sowohl die Antragstellerin als auch die Antragsgegner zu 1, zu 3 und zu 4 jeweils schriftsätzlich das Freigabeverfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt haben und eine Erledigungserklärung des Antragsgegners zu 2 kraft Gesetzes fingiert wird, hatte der Senat in entsprechender Anwendung von § 91a Abs. 1 Sätze 1 und 2 ZPO (i.V.m. § 327e Abs. 2, § 319 Abs. 6 Satz 2 AktG n.F.) über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen führt...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge