Leitsatz (amtlich)

Zur Pauschgebühr in einem Verfahren mit rund 50.000 Blatt Akte, in die sich der Rechtsanwalt in kurzer Zeit einarbeiten musste.

 

Tenor

Dem gerichtlich bestellten Verteidiger, Rechtsanwalt Xxx, Kxxx. 50667 Köln, wird für die Verteidigung des früheren Angeklagten im vorbereitenden Verfahren und im Verfahren vor dem Landgericht - Staatsschutzkammer - Stuttgart eine Pauschgebühr in Höhe von 7.500 00 € (in Worten: siebentausendfünfhundert Euro) bewilligt.

Auslagen und Umsatzsteuer werden gesondert erstattet; schon ausbezahlte oder festgesetzte Gebühren sind anzurechnen.

Der weitergehende Antrag wird zurückgewiesen.

 

Gründe

1. Die Voraussetzungen für die Bewilligung einer Pauschgebühr gemäß § 51 RVG sind gegeben. Der Antrag ist jedoch nur teilweise begründet.

Nach § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG ist dem gerichtlich bestellten oder beigeordneten Rechtsanwalt für das ganze Verfahren oder für einzelne Verfahrensabschnitte auf Antrag eine Pauschvergütung zuzusprechen, die über die Gebühren nach dem Vergütungsverzeichnis hinausgeht, wenn die dort bestimmten Gebühren wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit der Sache nicht zumutbar sind. Dabei bringt der Begriff der Zumutbarkeit den Ausnahmecharakter einer Pauschvergütung zum Ausdruck, die daher nur zu gewähren ist, wenn eine Verweisung des gerichtlich bestellten Verteidigers auf die gesetzlichen Gebühren für ihn zu einem Sonderopfer und damit zu einem unbilligen Ergebnis führen würde (vgl. BT-Drucks. 15/1971, Seite 201, 202; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 14. März 2006 - 2 AR 73/05, [...] Rn. 4). Die Regelung des § 51 Abs. 1 RVG soll sicherstellen, dass dem Grundrecht des zu öffentlichen Zwecken in Anspruch genommenen Rechtsanwalts auf freie Berufsausübung kein unzumutbares Opfer abverlangt wird (vgl. BVerfG NStZ-RR 2007, 359, 360).

a) Besonders umfangreich ist ein Strafverfahren nach ständiger Rechtsprechung, wenn der vom Verteidiger erbrachte zeitliche Aufwand erheblich über dem liegt, den er in einer "normalen" vergleichbaren Sache zu erbringen hat, wobei als Vergleichsmaßstab nur gleichartige Verfahren, hier also ein Verfahren vor der Staatsschutzkammer des Landgerichts, in Betracht kommen (vgl. Burhoff in Gerold/Schmidt, RVG, 22. Auflage, § 51 Rn. 15). Der besondere Umfang bemisst sich dabei nach dem zeitlichen Aufwand der Verteidigertätigkeit, der sich nach Umfang und Komplexität des Verfahrensstoffes, dem Ausmaß der vom Rechtsanwalt wahrgenommenen weiteren Tätigkeiten, wie z. B. Mandantenbesprechungen und der Wahrnehmung sonstiger Gesprächstermine - u. a. zu einer einvernehmlichen Verfahrensbeendigung -, der Dauer und Anzahl der einzelnen Verhandlungstage, der Terminfolge und der Gesamtdauer der Hauptverhandlung bemisst (vgl. Burhoff aaO, § 51 Rn. 17 ff.). In der obergerichtlichen Rechtsprechung zu § 99 BRAGO wurde dabei bereits davon ausgegangen, dass die Anzahl der Hauptverhandlungstage mit deren durchschnittlicher Dauer in Beziehung gesetzt werden kann (vgl. auch OLG Bamberg, JurBüro 1989, 965, 966).

b) Besonders schwierig ist ein Strafverfahren, wenn es aus besonderen Gründen tatsächlicher oder rechtlicher Art über das normale Maß einer vergleichbaren Sache hinaus kompliziert ist (Burhoff, aaO, § 51 Rn. 28).

2. Vorliegend wurde der Verteidiger durch Verfügung des damaligen Vorsitzenden der Staatsschutzkammer vom 1. September 2010 als weiterer Pflichtverteidiger bestellt, nachdem er bereits seit 12. Juli 2010 ein Wahlmandat inne hatte. Kurz darauf ging am 22. Juli 2010 die Anklage bei der Staatsschutzkammer ein. Das Hauptverfahren wurde dort mit Beschluss vom 9. September 2010 eröffnet. Das Verfahren war mit 93 LO Ermittlungsakten und fünf Bänden Gerichtsakten - insgesamt mehr als 50.000 Blatt - besonders umfangreich. Die Einarbeitung war daher für den Verteidiger mit erheblichem Aufwand verbunden und hatte kurzfristig zu erfolgen, nachdem bereits ab 25. Oktober 2010 Hauptverhandlungstermine anberaumt waren. Daneben waren Besprechungen mit dem weiteren Verteidiger des früheren Angeklagten sowie den Verteidigern der beiden Mitangeklagten erforderlich, um eine sachgemäße Verteidigung zu gewährleisten. Daneben handelte es sich um ein komplexes Verfahren mit Auslandsbezug, da im Laufe des Verfahrens Rechtshilfeersuchen nach Ägypten und in die Vereinigten Staaten erforderlich wurden. Das Verfahren war ursprünglich auch auf eine längere Verhandlungsdauer angelegt, was die Zuziehung eines Ergänzungsrichters sowie eines Ergänzungsschöffen durch den Vorsitzenden der Staatsschutzkammer zeigt.

Dem Verteidiger sind die gesetzlichen Gebühren in Höhe von insgesamt 2.621 € daher nicht zuzumuten. Keine Berücksichtigung bei deren bisheriger Berechnung fand dabei die Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG in Höhe von 264 € im Zusammenhang mit der anwaltlichen Mitwirkung bei der am 28. Juli 2014 erfolgten Einstellung des Verfahrens gemäß § 153a StPO, die eine weitere Hauptverhandlung entbehrlich machte. Diese Gebühr kann auch dann entstehen, wenn bereits eine Hauptverh...

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