Leitsatz (amtlich)

1. Zu den Anforderungen an die Abberufung des alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführers einer zweigliedrigen GmbH aus wichtigem Grund.

2. Die Zustimmung des Minderheitsgesellschafters zu dem Beschlussantrag, den Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführer der zweigliedrigen GmbH aus wichtigem Grund abzuberufen sowie aus wichtigem Grund aus der Gesellschaft auszuschließen, kann treuwidrig und damit nichtig sein, wenn der jeweils erforderliche wichtige Grund fehlt.

3. Sind alle zu einem Beschlussantrag in der Gesellschafterversammlung der GmbH abgegebenen Stimmen nichtig, ist eine Beschlussfeststellung dahin, dass der Antrag abgelehnt worden ist, nicht mit der Anfechtungsklage zu beseitigen.

4. Zu den Voraussetzungen der Ausschließung eines Gesellschafters aus einer personalistisch strukturierten, zweigliedrigen GmbH aus wichtigem Grund.

 

Normenkette

GmbHG § 38 Abs. 2; HGB § 140 Abs. 1 S. 1, § 133 Abs. 1-2

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Urteil vom 20.09.2012; Aktenzeichen 36 O 19/12 KfH)

 

Tenor

1. Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 36. Kammer für Handelssachen des LG Stuttgart vom 20.9.2012 - 36 O 19/12 KfH - gem. § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

2. Der Senat weist ferner darauf hin, dass er beabsichtigt, den Streitwert des Berufungsverfahrens sowie - insoweit in Abänderung der Festsetzung des LG - den des erstinstanzlichen Verfahrens jeweils auf 322.000 EUR zu bestimmen.

3. Der Kläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme und gegebenenfalls auch zur Zurücknahme der Berufung bis 3.6.2013.

 

Gründe

Die Voraussetzungen für die Zurückweisung der Berufung durch Beschluss (§ 522 Abs. 2 ZPO) sind erfüllt.

A. Die Berufung des Klägers hat keine Aussicht auf Erfolg. Das angefochtene Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen die vom Senat zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung, § 513 ZPO.

I. Im Ergebnis zu Recht hat das LG (s. S. 19 ff. der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils) die Klage in den Klaganträgen Ziff. I 1 und 2 abgewiesen. Klage und deshalb auch Berufung haben insoweit keinen Erfolg, weil der erforderliche wichtige Grund für die Abberufung des Gesellschafter-Geschäftsführers G nicht vorlag.

1. Ein wichtiger Grund für die Abberufung eines Geschäftsführers einer GmbH nach § 38 Abs. 2 GmbHG besteht, wenn das Verbleiben des Geschäftsführers für die GmbH unzumutbar ist, was aufgrund einer Abwägung aller im konkreten Fall wesentlichen Umstände zu entscheiden ist (vgl. z.B. - jeweils m.w.N. - Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 7. Aufl., § 38 Rz. 33; Stephan/Tieves in MünchKomm/GmbHG, 1. Aufl., § 38 Rz. 82; Großkomm/GmbHG/Paefgen, 1. Aufl., § 38 Rz. 15), wobei insbesondere die Schwere der dem Geschäftsführer zur Last fallenden Verfehlungen, deren Folgen für die Gesellschaft und der durch sie verursachte Vertrauensverlust, das Ausmaß des beiderseitigen Verschuldens und die Größe der Wiederholungsgefahr von pflichtwidrigem Verhalten, die Dauer der Tätigkeit des Geschäftsführers für die Gesellschaft und dessen besondere Verdienste um das Unternehmen bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen sind (s. etwa OLG Karlsruhe, Urt. v. 4.5.1999 - 8 U 153/97 - Tz. 397; Großkomm/GmbHG/Paefgen, 1. Aufl., § 38 Rz. 16).

a) Grundsätzlich können gerade - wobei eine Abberufung nicht erfordert, dass der Gesellschaft Schaden entstanden ist (vgl. nur Schneider, in: Scholz, GmbHG, 10. Aufl., § 38 Rz. 45; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 18. Aufl., § 38 Rz. 20) - schwer wiegende Pflichtverletzungen des Geschäftsführers einen wichtigen Grund für die Abberufung bilden (§ 38 Abs. 2 Satz 2 GmbHG; vgl. nur etwa Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 7. Aufl., § 38 Rz. 36 f.; Stephan/Tieves in MünchKomm/GmbHG, 1. Aufl., § 38 Rz. 86, 96). Zu berücksichtigen ist andererseits insbesondere eine etwaige langjährige Tätigkeit des Geschäftsführers für die Gesellschaft (vgl. nur Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hopt, GmbHG, 20. Aufl., § 38 Rz. 12; Großkomm/GmbHG/Paefgen, 1. Aufl., § 38 Rz. 16) sowie der Umstand, dass sich bis zu der hier angegriffenen Beschlussfassung ggf. über längere Zeit keine Beanstandungen mehr ergeben haben (vgl. zur Bedeutung dieses Umstands etwa OLG Hamm GmbHR 1995, 736, 739; Schneider, in: Scholz, GmbHG, 10. Aufl., § 38 Rz. 44). Auch der Umfang der Kapitalbeteiligung des Geschäftsführers an der Gesellschaft bildet einen für die Abwägung erheblichen Umstand (vgl. etwa OLG Hamm GmbHR 1995, 736, 739; Schneider, in: Scholz, GmbHG, 10. Aufl., § 38 Rz. 44; Koppensteiner/Gruber, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 5. Aufl., § 38 Rz. 10).

b) Insbesondere ein bloßer Vertrauensentzug bzw. Vertrauensverlust in die Tätigkeit des Geschäftsführers reicht indes nicht für eine Abberufung aus wichtigem Grund aus (vgl. OLG Karlsruhe NZG 2008, 785 - Tz. 11; Stephan/Tieves in MünchKomm/GmbHG, 1. Aufl., § 38 Rz. 92). Allein schon vor diesem Hintergrund ist die Schwelle des wichtigen Grundes im hier zu ents...

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