Leitsatz (amtlich)

Künftige Änderungen der Einkommens- und Vermögensverhältnisse können vom Richter im Rahmen des § 120 Abs. 1 S. 2 ZPO bereits bei der Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe berücksichtigt werden. Spätere Änderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse können dagegen nach § 120 Abs. 4 ZPO erst dann zu einer Abänderung des Bewilligungsbeschlusses durch den Rechtspfleger führen, wenn sie konkret eintreten.

 

Normenkette

ZPO § 120

 

Verfahrensgang

AG Reutlingen (Beschluss vom 07.06.2005; Aktenzeichen 6 F 329/02)

 

Tenor

I. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Abänderungsbeschluss der Rechtspflegerin des AG Reutlingen vom 7.6.2005 aufgehoben.

II. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Auslagen sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I. Der Beklagten wurde im erstinstanzlichen Unterhaltsverfahren Prozesskostenhilfe ohne Verpflichtung zur Zahlung von Raten gewährt. Zur Reichweite der gewährten Prozesskostenhilfe wird auf die Beschlüsse vom 29.4.2002, 29.7.2002, 4.9.2002 und 27.1.2003 verwiesen. In zweiter Instanz wurde ihr ebenfalls Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsverpflichtung gewährt (Beschl. v. 13.5.2003).

Nach Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs im Ehescheidungsverfahren, dem zu Folge ihr gegen den Kläger ein Zahlungsanspruch i.H.v. 25.000 EUR zusteht, zahlbar in zwei Raten vom 12.000 EUR und 13.000 EUR zum 31.12.2006 und 31.12.2007 (Vergleich vom 17.11.2004 in dem Verfahren 6 F 365/03 vor dem AG Reutlingen), hat die Rechtspflegerin in vorliegendem Verfahren gem. § 120 Abs. 4 ZPO die Prozesskostenhilfeentscheidung geändert und die Beklagten zur Zahlung aller auf sie entfallenden Gerichts- und Anwaltskosten zum 1.2.2007 verpflichtet. Zur Bezahlung dieser Kosten sei die Beklagte aus der ersten aus dem Vergleich anfallenden Rate jedenfalls zum 1.2.2007 imstande.

Mit Fax vom 1.7.2005 hat die Beklagte gegen diesen Beschluss Beschwerde eingelegt. Sie weist darauf hin, dass sich ihre derzeitige finanzielle Situation durch den Vergleichsabschluss noch nicht verbessert habe. Es sei derzeit nicht abzusehen, ob ihr früherer Ehemann tatsächlich zu dem vereinbarten Termin vom 31.12.2006 die vereinbarte Rate von 12.000 EUR an sie auszahlen werde. Die Forderung sei jedenfalls derzeit nicht zu realisieren. Die Anordnung der Rechtspflegerin unterlaufe außerdem unzulässigerweise die 4-jährige Sperrfrist des § 120 Abs. 4 ZPO. Zudem sei es nicht richtig, dass bei Bezahlung aller auf die Beklagte entfallenden Gerichts- und Anwaltskosten ihr Schonvermögen noch erhalten bleibe. Hinsichtlich des Weiteren Beschwerdevortrags wird insb. auf die Schriftsätze vom 15.7.2005 und 3.11.2005 verwiesen.

Die Bezirksrevisorin hat mit Stellungnahme vom 23.11.2005 angeregt, den angegriffenen Beschluss dahingehend zu konkretisieren, dass die von der Beklagten zu erbringende Zahlung 4.072,64 EUR betrage und dass die Zahlung erst fällig werde, wenn der Kläger seine Zahlung an die Beklagte/Beschwerdeführerin geleistet habe.

Die Rechtspflegerin hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Es stehe der Beklagten offen, eine Aufhebung der angefochtenen Zahlungsanordnung zu beantragen, sollte der Kläger die im Vergleich vereinbarte Zahlung nicht erbringen.

II. Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist in der Monatsfrist des § 127 Abs. 2 ZPO eingelegt und zulässig. Sie hat auch Erfolg. Der Abänderungsbeschluss vom 7.6.2005 ist aufzuheben:

Die Abänderungsbefugnis des § 120 Abs. 4 ZPO setzt eine wesentliche Änderung der für die Prozesskostenhilfe maßgeblichen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse voraus. Es muss sich um eine Änderung der Verhältnisse handeln, die Grundlage der Bewilligungsentscheidung gewesen sind. Eine Verbesserung ist dabei nur wesentlich, wenn sie den wirtschaftlichen und sozialen Lebensstandard prägt und verändert (Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 120 Rz. 21). Eine Forderung kann nur dann eine Verbesserung darstellen, wenn sie fällig ist oder in angemessener Frist fällig wird (Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 120 Rz. 17). Dabei kommt es auf den Zeitpunkt der Entscheidung über die Abänderung an.

Ein erst im Januar 2007 fälliger Zahlungsanspruch aber prägte und veränderte nicht die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Beklagten im Zeitpunkt der Entscheidung der Rechtspflegerin vom 7.6.2005 und tut dies auch nicht im Zeitpunkt dieser Beschwerdeentscheidung. Vielmehr sind die verfügbaren Mittel der Beklagten derzeit noch unverändert, da sie über nicht fällige Gelder, die ihr aus dem gerichtlichen Vergleich vom 17.11.2004 zufließen werden, derzeit nicht verfügen kann. Eine Abänderung der PKH-Bewilligung auf der Grundlage des Anspruchs der Beklagten gegen ihren Ehemann auf Zahlung aus dem geschlossenen Vergleich vom 17.11.2004 wird daher erst nach Fälligkeit der vereinbarten Raten möglich sein. Erst dann ist auch eine verbindliche Klärung aller weiteren Umstände möglich, die Einfluss darauf nehmen, ob eine maßgeblichen Veränderung der persönlichen und wirtschaft...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge