Entscheidungsstichwort (Thema)

Unpfändbarkeit des Fernsehgeräts. Pfändung eines Fernsehgerätes

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Fernsehgerät ist auch dann unpfändbar, wenn der Schuldner daneben ein Radio hat; dieses kann gepfändet werden.

 

Normenkette

ZPO § 811 Nr. 1

 

Verfahrensgang

LG Heilbronn (Entscheidung vom 24.06.1985; Aktenzeichen 1 b T 173/85)

AG Maulbronn (Entscheidung vom 17.05.1985; Aktenzeichen I M 533/85)

 

Tenor

1. Auf die sofortige weitere Beschwerde des Schuldners wird der Beschluß des Landgerichts Heilbronn vom 24.6.1985 abgeändert:

Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluß des Amtsgerichts Maulbronn vom 17.5.1985 wird zurückgewiesen.

2. Die Gläubigerin trägt die Kosten aller Instanzen.

Beschwerdewert: 800,– DM.

 

Gründe

Auf Antrag der Gläubigerin hat der Gerichtsvollzieher beim Schuldner ein Farbfernsehgerät gepfändet. Mit Beschluß vom 17.5.1985 hat das Amtsgericht der Erinnerung des Schuldners stattgegeben und die Pfändung aufgehoben. Auf sofortige Beschwerde der Gläubigerin wurde die Entscheidung des Amtsgerichts durch Beschluß des Landgerichts vom 24.6.1985 aufgehoben.

Gegen diesen Beschluß hat der Schuldner sofortige weitere Beschwerde eingelegt. Diese ist zulässig und begründet.

Zwar ist der Einwand, das Fernsehgerät sei Eigentum der Ehefrau, im vorliegenden Verfahren unbeachtlich. Denn für die Zulässigkeit der Pfändung kommt es gemäß § 808 ZPO nur darauf an, ob der Schuldner Gewahrsam an der Sache hat, und davon ist hier aufgrund der §§ 739 ZPO, 1362 BGB auszugehen. Die Ehefrau des Schuldners müßte ihr Eigentumsrecht im Wege der Klage geltend machen, § 771 ZPO.

Das Fernsehgerät ist jedoch nach § 811 Zi. 1 ZPO unpfändbar. Denn es handelt sich um eine dem persönlichen Gebrauch dienende Sache, die noch zu den Dingen gehört, die dem Schuldner zu einer seiner Verschuldung angemessenen, bescheidenen Lebensführung zu belassen sind.

Nach derzeit wohl überwiegender Meinung ist ein Fernsehgerät pfändbar, wenn der Schuldner daneben ein Radiogerät hat, Unpfändbarkeit ist gegeben, wenn ein Rundfunkgerät fehlt, doch kommt dann eine Austauschpfändung in Betracht, bei der dem Schuldner als Ersatzstück lediglich ein Radio zur Verfügung gestellt werden muß (vgl. u.a. Senatsbeschluß Die Justiz 1967, 217 und OLG Frankfurt, NJW 1970, 152).

Der Senat vermag für die heutigen Lebensverhältnisse an seiner damaligen Auffassung nicht festzuhalten. Er ist der Meinung, daß aufgrund der veränderten Umstände nunmehr statt des Radios das Fernsehgerät zum Mindeststandard gehört, den man dem Schuldner belassen muß (ebenso Landgericht Nürnberg-Fürth, DGVZ 1977, 171 = NJW 1978, 113, LG Lahn-Gießen, NJW 1979, 769, AG München, DGVZ 1981, 94, LG Bochum, DGVZ 1983, 13 = JurBüro 1983, 301, Schneider/Becher, DGVZ 1980, 182, Zöller/Stöber, 14. Aufl., RN 15 zu § 811 ZPO).

Maßgebend dafür ist, daß sich das Fernsehen inzwischen zu dem vom ganz überwiegenden Teil der Bevölkerung bevorzugten Massenmedium entwickelt hat und seine Benutzung zu einer alltäglichen Selbstverständlichkeit geworden ist, und zwar nicht nur für Sendungen, die im wesentlichen der Unterhaltung und Entspannung dienen, auch wenn diese einen Schwerpunkt des Fernsehprogramms bilden, sondern auch für die Befriedigung weitergehender kultureller Bedürfnisse und die Vermittlung von Informationen auf politischem, gesellschaftlichem und wissenschaftlichem Gebiet. Diese tiefgreifende soziale Veränderung ist bei der Definition dessen, was zur angemessenen, bescheidenen Lebensführung i.S. des § 811 Zi. 1 ZPO gehört, zu berücksichtigen. Danach kann es nicht mehr als ausreichend angesehen werden, den Schuldner wegen seines Informationsanspruchs und seiner kulturellen Bedürfnisse auf das Radio zu verweisen. Vielmehr ist das Fernsehgerät dem so umschriebenen Standard zuzurechnen.

Das führt auch nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung des Gläubigers. Denn der für ein gebrauchtes Schwarz-Weiß-Fernsehgerät zu erzielende Erlös wird im allgemeinen gering sein, und ein Farbfernseher kann nach § 811a ZPO im Austausch gegen ein Schwarz-Weiß-Gerät gepfändet werden.

Die grundsätzliche Unpfändbarkeit des Fernsehapparats hat außerdem zur Folge, daß ein dem Schuldner gehörendes Radiogerät der Pfändung unterliegt. Zwar ergänzen sich die beiden Medien in einem gewissen Umfang. Aber der Schuldner kann nicht verlangen, daß ihm über das Fernsehen hinaus auch noch diese weitere Informationsquelle belassen wird. Damit wäre der Rahmen der bescheidenen Lebensführung überschritten. Ob dem Schuldner ein Wahlrecht zugunsten der Unpfändbarkeit des Rundfunkgeräts zusteht, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung.

Die sofortige weitere Beschwerde des Schuldners führt deshalb zur Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung und Zurückweisung der Erstbeschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluß des Amtsgerichts. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 97 ZPO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 610307

NJW 1987, 196

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