Entscheidungsstichwort (Thema)

Verhängung eines Bußgelds nach § 30 OWiG als Gebührentatbestand von Nr. 4142 VV RVG

 

Leitsatz (amtlich)

Der Beistand einer Nebenbeteiligten hat Anspruch auf die Gebühr Nr. 4142 VV RVG, wenn gegen die Nebenbeteiligte die Verhängung eines Bußgelds nach § 30 Abs. 1 Nr. 1 OWiG beantragt wird. Zwar ist dieser Fall in Nr. 4142 VV RVG nicht ausdrücklich erwähnt. Die Verbandsgeldbuße des § 30 OWiG setzt sich aber aus einem Ahndungs- und einem Abschöpfungsteil zusammen. Der Abschöpfungsteil dient dem Zweck, der Nebenbeteiligten diesen Geldbetrag endgültig zu entziehen; Tätigkeiten des Rechtsanwalts, die eben solche Maßnahmen betreffen, sind grundsätzlich von Nr. 4142 VV RVG erfasst.

 

Normenkette

VV-RVG Nr. 4142; OWiG § 30

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Entscheidung vom 22.06.2017; Aktenzeichen 13 KLs 159 Js 69207/09)

 

Tenor

  1. Auf die sofortige Beschwerde der Nebenbeteiligten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Stuttgart vom 22. Juni 2017 dahingehend

    abgeändert,

    dass zusätzlich zu dem im genannten Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzten Betrag weitere

    91.496 Euro

    (in Worten: einundneunzigtausendvierhundertsechsundneunzig Euro)

    nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB hieraus seit 10. Januar 2017 festgesetzt werden.

  2. Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde verworfen.
  3. Eine Gebühr wird nicht erhoben. Die der Beschwerdeführerin entstandenen notwendigen Auslagen trägt zu 95% die Staatskasse, die weiteren 5% hat die Beschwerdeführerin zu tragen.
  4. Der Beschwerdewert wird auf 96.767,35 Euro festgesetzt.
 

Gründe

I.

Mit Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 18. März 2016, rechtskräftig seit 28. Juli 2016, wurden die Angeklagten W. und H. vom Vorwurf der Marktmanipulation freigesprochen. Das Landgericht hatte zuvor angeordnet, dass die Beschwerdeführerin an dem Verfahren beteiligt ist und hat in seinem freisprechenden Urteil die notwendigen Auslagen der Nebenbeteiligten der Staatskasse auferlegt.

Entsprechend der Kostengrundentscheidung macht die Beschwerdeführerin ihren Anspruch auf Ersatz der notwendigen Auslagen gegen die Staatskasse geltend.

Mit dem angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 22. Juni 2017 erfolgte eine Festsetzung der an die Nebenbeteiligte zu erstattenden Auslagen in Höhe von 23.147,30 Euro.

Gegen den am 6. Juli 2017 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss hat die Nebenbeteiligte mit Schreiben ihres Verteidigers vom 7. Juli 2017, eingegangen bei Gericht am 10. Juli 2017, sofortige Beschwerde eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 10. Juli 2017 begründet. Die sofortige Beschwerde richtet sich gegen die Ablehnung der Erstattung von - dem nicht am Gerichtsort ansässigen Rechtsanwalt K. aufgrund der Entfernung zwischen Kanzlei- und Gerichtsort entstandenen - Reisekosten in Höhe von 2.297,55 Euro, von Tage- und Abwesenheitsgeldern und Übernachtungskosten in Höhe von 2.973,80 Euro sowie gegen die Nichtanerkennung der Verfahrensgebühr nach Nr. 4142 VV RVG in Höhe von 91.496 Euro.

II.

Nach § 464b Satz 3 StPO i.V.m. § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO ist gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben, wobei sich das Beschwerdeverfahren nach den Grundsätzen der StPO richtet (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Auflage, § 464b Rn. 6). Der Senat entscheidet über die sofortige Beschwerde gemäß § 122 Abs. 1 GVG auch im Kostenfestsetzungsverfahren in der Besetzung mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden (OLG Rostock, Beschluss vom 18. Januar 2017, 20 Ws 21/17, [...] Rn. 5; OLG Celle, Beschluss vom 21. April 2016, 1 Ws 187/16, [...] Rn. 6; OLG Düsseldorf, NStZ-RR 2012, 160, [...] Rn. 6; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 464b Rn. 7).

Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache teilweise Erfolg.

1. Auslagen des nicht-ortsansässigen Rechtsanwalts

Zu den notwendigen Auslagen eines Beteiligten gemäß § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO gehören die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts, soweit sie nach § 91 Abs. 2 ZPO zu erstatten sind. Die Reisekosten eines Rechtsanwalts, der - wie vorliegend - nicht im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und dort auch nicht wohnt, sind nur insoweit von der Staatskasse zu erstatten, als dessen Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war, §§ 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO, 91 Abs. 2 S. 1 ZPO (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O, § 464a Rn. 12). Grundsätzlich macht allein weder das Bestehen eines besonderen Vertrauensverhältnisses zu einem auswärtigen Rechtsanwalt noch die ständige Zusammenarbeit mit diesem dessen Hinzuziehung notwendig (BGH, Beschluss vom 22. Februar 2007, VII ZB 93/06, [...] Rn. 14; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O.).

Die Nebenbeteiligte wurde von insgesamt drei Rechtsanwälten vertreten, von denen einer, Rechtsanwalt W., in Stuttgart ortsansässig ist. Da grundsätzlich nur die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts notwendig im vorgenannten Sinne ist, sind die Kosten des ortsansässigen Rechtsanwalts zu erstatten und nicht diejenigen, die einem weiteren Wahlverteidiger dadurch en...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge