Entscheidungsstichwort (Thema)

Anteilige Haftung der Eltern bei Zusammentreffen eines privilegierten volljährigen und eines minderjährigen Kindes

 

Leitsatz (amtlich)

Berechnung der anteiligen Haftung bei Zusammentreffen eines privilegierten volljährigen und eines minderjährigen Kindes; Kindergeldanrechnung beim privilegierten volljährigen Kind bei Leistungsfähigkeit beider Eltern.

 

Normenkette

BGB §§ 1601, 1603 Abs. 2 S. 2, § 1606 Abs. 3, § 1612b Abs. 1-2

 

Verfahrensgang

AG Rottweil (Beschluss vom 17.01.2006; Aktenzeichen 4 F 418/05)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des AG Rottweil vom 17.1.2006 in Verbindung mit dem Abhilfebeschluss vom 20.2.2006 (jeweils 4 F 418/05) abgeändert.

Der Klägerin wird unter Beiordnung von Rechtsanwältin Y.K. ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt, soweit sie den Beklagten auf rückständigen Kindesunterhalt für die Monate Oktober bis Dezember 2005 i.H.v. 431 EUR sowie auf laufenden Kindesunterhalt ab Januar 2006 i.H.v. 352 EUR monatlich in Anspruch nimmt.

Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei.

 

Gründe

Die zulässige Beschwerde der Klägerin hat in der Sache im Wesentlichen Erfolg.

Der Beklagte schuldet der am .1986 geborenen Klägerin gem. § 1601 BGB Kindesunterhalt. Die Klägerin ist zwar volljährig; da sie jedoch noch bei ihrer Mutter wohnhaft und Schülerin ist, ist sie gem. § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB minderjährigen Kindern, und somit ihrer am .1990 geborenen Schwester S., die ebenfalls bei der Mutter lebt, gleichrangig.

Der Bedarf der Klägerin bemisst sich nach Ziff. 13.1.1 der unterhaltsrechtlichen Leitlinien der Familiensenate in Süddeutschland (SüdL) nach dem zusammengerechneten Einkommen der Eltern, wobei Nr. 11.2 SüdL nicht zur Anwendung kommt, somit trotz des Vorliegens von lediglich zwei Unterhaltsverpflichtungen eine Höherstufung nicht vorzunehmen ist.

Das FamG hat in nicht beanstandeter Weise das Einkommen der Eltern wie folgt festgestellt:

Mutter:

Durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen 1.442 EUR

./. 5 % berufsbedingte Aufwendungen 72,10 EUR

./. Schuldendienst 150 EUR

1.219,90 EUR

Beklagter:

Durchschnittliches Nettoeinkommen 1.888,17 EUR

./. 5 % Berufsaufwand 94,41 EUR

./. Schuldendienst 150 EUR

zzgl. behaupteter Nebeneinkünfte aus Vortragstätigkeit, deshalb zunächst ohne Abzug pauschaler berufsbedingter Aufwendungen 150 EUR

1.793,76 EUR

Ein Vorwegabzug des Unterhalts für die minderjährige Schwester der Klägerin vom Einkommen des Beklagten vor der Berechnung des Bedarfs der Klägerin ist nicht vorzunehmen.

Zu Recht verwirft das FamG insoweit die von Borth in Schwab, Handbuch des Scheidungsrechts, 5. Aufl., 2004, Teil V, Rz. 168 ff., vorgeschlagene Berechnungsweise der prozentualen Aufteilung des auf Seiten des Beklagten zur Verfügung stehenden Einkommens auf minderjährige und privilegierte volljährige Kinder vor der Anteilsberechnung mit der Mutter, da diese Methode die erziehende Mutter unangemessen benachteiligt. Sie übersieht, dass außerhalb des Mangelfalls jedes gleichrangige Kind seinen vollen Bedarf erhalten kann und keine zuvor künstlich herbeigeführten Minderungen seines Bedarfs hinnehmen muss. Dementsprechend erkennt der BGH in dieser Berechnungsweise auch lediglich für den Fall, dass sich eine Mangelfallsituation abzeichnet, eine angemessene und ausgewogene Berücksichtigung der berechtigten Interessen aller Berechtigten und Verpflichteten (BGH v. 9.1.2002 - XII ZR 34/00, BGHReport 2002, 498 m. Anm. Hauß = MDR 2002, 826 = FamRZ 2002, 815 [818]).

Gleichermaßen ist jedoch auch die von Scholz in Wendl/Staudigl, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl., 2004, § 2 Rz. 470 vorgeschlagene Berechnungsweise im Hinblick auf die Gleichrangigkeit des Unterhaltsanspruchs der Klägerin mit dem Unterhaltsanspruch ihrer minderjährigen Schwester nicht angemessen, da der dort herangezogene Vergleich des Unterhaltsanspruchs eines privilegierten volljährigen Kindes mit dem Ehegattenunterhalt nicht trägt. Beim Ehegattenunterhalt hat der BGH für den Unterhaltsanspruch der erziehenden Mutter einen Vorwegabzug des Unterhalts des minderjährigen Kindes auf Seiten des Einkommens des Beklagten vor allem deswegen angenommen, weil auch während intakter Ehe zunächst aus dem zur Verfügung stehenden Einkommen die Kinder zu versorgen waren und lediglich das restliche Geld den erwachsenen Familienmitgliedern zur Verfügung gestanden hat. Insofern liegt eine vergleichbare Situation nicht vor, da sich die Klägerin nicht entgegenhalten lassen muss, dass aus den auf Seiten des Beklagten für Unterhaltszwecke zur Verfügung stehenden Mitteln zunächst ihre minderjährige Schwester versorgt werden muss und ihr lediglich ein Restbetrag zur Verfügung steht.

Sofern kein Mangelfall vorliegt, kann deshalb die Klägerin auch ihren Unterhaltsbedarf aus dem vollen Einkommen ihrer Eltern herleiten, wie es sich ohne vorherige Berücksichtigung anderweitiger Unterhaltspflichten errechnet, vorliegend somit aus einem Einkommen i.H.v.

auf Seiten des Beklagten 1.793,76 EUR

auf Seiten der Mutter der...

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