Leitsatz (amtlich)

Das in § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB vorausgesetzte Handeln, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen, setzt lediglich voraus, dass es dem Täter darauf ankommt, in der konkreten Verkehrssituation die durch sein Fahrzeug bedingte oder nach seinen Fähigkeiten oder nach den Wetter-, Verkehrs-, Sicht- oder Straßenverhältnissen maximale mögliche Geschwindigkeit zu erreichen. Welche weiteren Ziele der Täter verfolgt, ist unerheblich. Auch der Wille des Täters, vor einem ihn verfolgenden Polizeifahrzeug zu fliehen, schließt die Absicht, eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erzielen, nicht aus.

 

Normenkette

StGB § 315d Abs. 1 Nr. 3

 

Verfahrensgang

AG Münsingen (Entscheidung vom 02.10.2018; Aktenzeichen 1 Cs 26 Js 12585/18)

 

Tenor

Der Beschwerdeführer trägt die Kosten seines Rechtsmittels.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Münsingen verurteilte den Angeklagten am 2. Oktober 2018 wegen verbotenen Kraftfahrzeugrennens zu der Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 40 €. Dem Angeklagten wurde die Fahrerlaubnis entzogen und sein Führerschein eingezogen. Zudem wurde eine Sperrfrist für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis von neun Monaten festgesetzt.

Hiergegen hat der Angeklagte Revision eingelegt, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt.

Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt,

die Revision des Angeklagten als unbegründet zu verwerfen.

II.

Die zulässige Revision des Angeklagten bleibt in der Sache erfolglos.

1. Dem Urteil liegen folgende Feststellungen zu Grunde:

Der Angeklagte flüchtete am 1. Mai 2018 gegen vier Uhr in L. mit seinem PKW vor einer Streifenwagenbesatzung der Polizei, welche ihn einer Verkehrskontrolle unterziehen wollte und ihm deshalb Haltesignal anzeigte. Nach Erkennen des Streifenwagens und des Haltesignals beschleunigte er sein Fahrzeug, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen und dadurch die ihn nun mit Blaulicht, Martinshorn und dem Haltesignal "Stopp Polizei" verfolgenden Polizeibeamten abzuhängen. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit erheblich überschreitend und unter Missachtung der Sicherheitsinteressen anderer Verkehrsteilnehmer fuhr er mit weit überhöhter Geschwindigkeit durch den Ort E.. Die Gegenfahrbahn nutzend fuhr er über eine "Rot" anzeigende Ampel und setzte seine Fahrt durch E. bei erlaubten 50 km/h mit mindestens 145 km/h fort, wobei er von einer Geschwindigkeitsmessanlage "geblitzt" wurde. Nach dem Ortsausgang fuhr er auf der teils kurvenreichen und unübersichtlichen Bundesstraße 313 - bei partieller Geschwindigkeitsbeschränkung auf 70 km/h - mit einer Geschwindigkeit von mindestens 160 bis 180 km/h. Hierbei schnitt er an unübersichtlichen Stellen die Kurven; ihm waren allein um des schnelleren Fortkommens willen die Belange anderer Verkehrsteilnehmer gleichgültig. Die ihn verfolgenden Polizeibeamten konnten die Distanz zum Fahrzeug des Angeklagten nicht verringern, weil dies ohne erhebliches Risiko für sie und andere Verkehrsteilnehmer nicht möglich war. Aus diesem Grund mussten sie nach ca. 13 km Verfolgungsfahrt den Kontakt zum Angeklagten abreißen lassen und die Verfolgung abbrechen, weil dieser auf enger, kurvenreicher und unübersichtlicher Strecke mit oft schlechtem, holprigem Fahrbahnbelag weiter mit angesichts der örtlichen Verhältnisse überhöhter Geschwindigkeit fuhr.

2. Die erhobene Sachrüge deckt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.

a) Die Feststellungen im angefochtenen Urteil tragen den Schuldspruch wegen verbotenen Kraftfahrzeugrennens gemäß § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB zur äußeren und inneren Tatseite.

Insbesondere hat das Amtsgericht fehlerfrei festgestellt, dass der Angeklagte in der Absicht handelte, eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen.

aa) Dies verlangt nicht die Absicht, das Fahrzeug mit objektiv höchstmöglicher Geschwindigkeit zu führen oder es bis an die technischen bzw. physikalischen Grenzen auszufahren (so aber das LG Stade, Beschluss vom 4. Juli 2018 - 132 Qs 88/18 -, juris). Die Gesetzesformulierung soll vielmehr möglichst viele relevante Komponenten wie fahrzeugspezifische Höchstgeschwindigkeit und Beschleunigung, subjektives Geschwindigkeitsempfinden, Verkehrslage und Witterungsbedingungen auf einen Nenner bringen (vgl. BT-Drucks. 18/12964 S. 5 und 6). Gefordert ist demnach das Abzielen auf eine relative Höchstgeschwindigkeit (Pegel in: Münchner Kommentar, StGB, 3. Aufl., § 315d Rn. 26; Fischer, StGB, 66. Aufl., § 315d Rn. 17; Kulhanek in BeckOK, StGB, v. Heintschel-Heinegg, 42. Ed. Stand 1. Mai 2019, § 315d Rn. 41 f.; Heger in: Lackner/Kühl, StGB, 29. Aufl., § 315d Rn. 5; KG Berlin, Beschluss vom 15. April 2019 - 3 Ss 25/19, juris), die sich an den genannten Kriterien orientiert.

Auf diese Absicht hat das Amtsgericht aus der Gesamtschau der Umstände rechtsfehlerfrei geschlossen. Hierbei hat es nicht nur auf die objektiven Feststellungen zur konkreten Fahrweise des Angeklagten abgestellt, sondern auch darauf, dass es den Polizeibeamten - trotz besonderer Fahrschulung und eigener hoher Geschwindigkeit - über mehr...

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