Leitsatz (amtlich)

Keine Anwendung von § 1617 Abs. 1 S. 3 BGB, wenn älteres Geschwisterkind einen aus beiden Elternnamen zusammengesetzen Doppelnamen aufgrund einer Rechtswahl nach ausländischem Recht erhalten hat.

 

Normenkette

BGB § 1617 Abs. 1 S. 3, Abs. 2; EGBGB Art. 10 Abs. 3, Art. 224 § 3 Abs. 3; FamFG § 168a

 

Verfahrensgang

AG Ludwigsburg (Beschluss vom 19.01.2012; Aktenzeichen 1 F 1739/11)

 

Tenor

1. Die Beschwerde der Beteiligten 1 gegen den Beschluss des AG Ludwigsburg vom 19.1.2012 (1 F 1739/11) wird zurückgewiesen.

2. Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten des Verfahrens (17 UF 45/12).

3. Die Beteiligte Ziff. 4 (... vertreten durch ...) trägt die Kosten des Verfahrens 17 UFH 1/12.

4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Beschwerdewert: 3.000,- EUR (17 UF 45/12) 1.500,- EUR (17 UFH 1/12)

 

Gründe

I. Am 28.6.2011 wurde das Kind P. I. als zweites Kind der Eheleute A. I. R. R. und C. F. L. in S. geboren. Die Eheleute sind seit 30.6.2004 verheiratet und wählten keinen gemeinsamen Ehenamen. Der Vater ist deutscher Staatsangehöriger, ebenso die Mutter, die bis zu ihrer Einbürgerung kolumbianische Staatsangehörige war. Die Eltern üben das gemeinsame Sorgerecht für P. I. aus. Für ihr am 20.2.2005 geborenes erstes Kind S. V. wählten die Eheleute den Geburtsnamen nach dem damaligen kolumbianischen Heimatrecht der Mutter und damit den Familiennamen L.-R..

Für ihre zweite Tochter P. I. wählten sie denselben Doppelnamen als Geburtsnamen und begründeten dies mit dem Wunsch nach Namenseinheit der Geschwister. Das Standesamt des Bezirksrathauses B. hielt diese Namenswahl für nicht zulässig und teilte gem. § 168a FamFG dem Familiengericht den Vorgang mit, mit dem Antrag gem. § 1617 Abs. 2 BGB einem Elternteil das Namensbestimmungsrecht zu übertragen. Das Standesamt war der Auffassung, nach dem nunmehr allein einschlägigen deutschen Recht wäre gem. § 1617 Abs. 1 S. 1 BGB entweder der Familienname der Mutter oder der des Vaters als Geburtsname für P. I. möglich.

Die Eltern gehen ebenfalls von der Geltung deutschen Rechts aus, vertreten aber die Meinung, § 1617 Abs. 1 S. 3 BGB sei hier zumindest analog anzuwenden und damit gelte die Bestimmung des Doppelnamens für S. V. auch für P. I., die diesen Namen kraft Gesetzes erwerbe. Die Auffassung des Standesamts, dass die Vorschrift nur anwendbar sei, wenn Eltern für das ältere Kind eine Namenswahl gem. § 1617 Abs. 1 S. 1 BGB, somit nach deutschem Recht, getroffen hätten, sei fehlerhaft. Vielmehr sei es Sinn und Zweck des § 1617 Abs. 1 S. 3 BGB, wenigstens die Namenseinheit unter Geschwistern zu gewährleisten, nachdem wegen der Namensverschiedenheit der Eltern das Ideal der Namenseinheit der ganzen Familie nicht erreichbar sei. Dass dies nur für eine Namensgebung für das erste Kind nach Satz 1 dieser Vorschrift gelten solle, sei nicht ersichtlich. Das BVerfG habe die Vorschrift des § 1617 Abs. 1 S. 1 und S. 3 BGB als mit dem Grundgesetz vereinbar angesehen, dabei aber deutlich gemacht, dass zwar die grundsätzliche Entscheidung des Gesetzgebers, keine Doppelnamen zuzulassen, verfassungsgemäß sei, dies aber nicht zwingend geboten sei. Somit wäre auch die grundsätzliche Zulassung von Doppelnamen möglich gewesen. Das BVerfG habe dem Doppelnamensverbot demzufolge keinen besonders hohen Stellenwert eingeräumt. Im Übrigen seien über zahlreiche Normen des deutschen Rechts echte und unechte Doppelnamen zulässig. Nach den maßgeblichen Literaturmeinungen solle § 1617 Abs. 1 S. 3 BGB immer dann gelten, wenn dadurch die Namenseinheit von Geschwistern zu erreichen sei. Das Verbot von Doppelnamen müsse hier diesem übergeordneten Prinzip der Namenseinheit und dem Recht des Erstgeborenen an der Weiterführung des geführten Namens weichen.

Das AG Ludwigsburg hat nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss vom 19.1.2012 dem Vater das Namensbestimmungsrecht für P. I. gem. § 1617 Abs. 2 BGB übertragen und ihm zur Ausübung des Rechts eine Frist gesetzt. Zur Begründung führte das AG aus: Da beide Eltern Deutsche seien, sei auf die Erteilung des Geburtsnamens für P. I. gem. Art. 10 Abs. 3 EGBGB nur deutsches Recht anwendbar. Dass für die erstgeborene S. V. kolumbianisches Recht gewählt worden sei, ändere daran nichts, denn eine Rechtswahl gelte immer nur für das jeweilige Kind. Nach dem einschlägigen § 1617 Abs. 1 S. 1 BGB sei nur entweder die Wahl des Namens des Vaters oder der Mutter möglich, die Kombination beider Namen sei nicht möglich. Da die Grundsätze der Einheit der Familie und der Namensgleichheit der Geschwister keine unumstößlichen Prinzipien seien, sei es verfassungsrechtlich nicht geboten, § 1617 Abs. 1 S. 3 BGB hier entsprechend anzuwenden, um eine Namenseinheit der Geschwister herzustellen. Denn es gebe zahlreiche mögliche Fälle, bei denen die Geschwisternamen auseinanderfielen, beispielsweise gelte § 1617 Abs. 1 S. 3 BGB auch dann nicht, wenn für das nachgeborene Kind kein gemeinsames Sorgerecht bestünde. Nachdem somit P. I. nicht kraft Gesetzes schon den Geburtsnamen L.-R. trage und die ...

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