Verfahrensgang

LG Stuttgart (Aktenzeichen 44 O 36/14 KfH)

 

Tenor

Als für den Rechtsstreit zuständige Kammer des Landgerichts Stuttgart wird die 18. Zivilkammer bestimmt.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten in der Hauptsache um Auskunft und Zahlung im Zusammenhang mit von der Beklagten für den Kläger erbrachten Tätigkeiten betreffend die Vermittlung und Verwaltung von Vermögensschadenshaftpflichtversicherungen im Zeitraum von Februar 2009 bis November 2013. Der Kläger ist selbstständiger Rechtsanwalt und Mitgeschäftsführer der xxx Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in xxx. Die Beklagte ist Versicherungsmaklerin.

Nach Klagzustellung wurde auf Antrag der Beklagten vom 16.02.2016 (Bl. 41 d.A.) die Klageerwiderungsfrist verlängert und zudem Gelegenheit zur Stellungnahme zur zwischenzeitlich am 17.02.2016 eingegangenen Klageerweiterung vom 12.02.2016 (Bl. 43 d.A.) bis 01.04.2016 gewährt (Bl. 65 d.A.).

Eingehend am 01.04.2016 (Bl. 66 d.A.) beantragte die Beklagte, den Rechtsstreit gemäß § 98 Abs. 1 GVG an die Kammer für Handelssachen beim Landgericht Stuttgart zu verweisen. Dem Verweisungantrag war in Klammern die Angabe "vgl. MüKoHGB/Karsten Schmidt § 343 Rn. 17" beigefügt. Eine darüber hinausgehende Begründung des Antrages enthält der Schriftsatz nicht.

Die Beklagte hat dem Verweisungsantrag mit Schriftsatz vom 13.04.2016 (Bl. 128 d.A.) widersprochen. Dieser sei zum einen verspätet im Sinne des § 101 Abs. 1 GVG. Hilfsweise sei der Verweisungsantrag zum anderen auch deshalb zurückzuweisen, da die Beklagte keinerlei Begründung für ihren Antrag angeführt habe, insbesondere nicht den erforderlichen Nachweis ihrer Kaufmannseigenschaft erbracht habe.

Mit Beschluss vom 21.04.2016 (Bl. 130 d.A.) hat die 18. Zivilkammer des LG Stuttgart den Rechtsstreit an die Kammer für Handelssachen verwiesen. Der Antrag sei rechtzeitig gestellt, nachdem er innerhalb der ersten - verlängerten - Klageerwiderungsfrist eingegangen sei. Die Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen ergebe sich aus § 95 Abs. 1 Nr. 1 GVG. Es liege ein Geschäft vor, das für beide Teile ein Handelsgeschäft sei. Denn der Kläger vertrete als (Mit-)Geschäftsführer die XXX Rechtsanwaltsgesellschaft mbH. Dass er im vorliegenden Rechtsstreit persönlich Klage erhoben habe, rechtfertige keine andere rechtliche Beurteilung. Ein sachlicher Grund für eine unterschiedliche Behandlung sei weder vorgetragen noch sonst ersichtlich und sei deshalb pure Förmelei. Vor diesem Hintergrund könne die Frage dahingestellt bleiben, ob in heutiger Zeit die freien Berufe nach wie vor kein Gewerbe betreiben würden, woran im Hinblick insbesondere auf die Zulassung von Rechtsanwaltsgesellschaften mbH erhebliche Bedenken bestünden.

Die 44. Kammer für Handelssachen hat mit Verfügung vom 22.04.2016 (Bl. 133 d.A.) um Prüfung des Verweisungsbeschlusses gebeten.

Die 18. Zivilkammer teilte mit Verfügung vom 26.04.2016 (Bl. 134 d.A.) mit, sie halte an der von ihr im Verweisungsbeschluss geäußerten Rechtsauffassung fest und schließe sich ergänzend der Meinung in der Literatur an, wonach die Nichteinbeziehung der freien Berufe in unternehmensrechtliche Regeln auf sachfremden Erwägungen und nicht auf Belangen des Rechtsverkehrs beruhe und eine Sonderbehandlung des Gewerbes ungerechtfertigt sei.

Die 44. Kammer für Handelssachen hat mit Beschluss vom 28.04.2016 die Akten zur Bestimmung der Zuständigkeit entsprechend § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO dem Oberlandesgericht Stuttgart vorgelegt.

II. Das Oberlandesgericht Stuttgart ist analog § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zur Bestimmung des zuständigen Spruchkörpers innerhalb des LG Stuttgart berufen. Denn auf Streitigkeiten über die funktionelle Zuständigkeit zwischen einer Zivilkammer und einer Kammer für Handelssachen ist die genannte Vorschrift entsprechend anzuwenden (vgl. KG NJW-RR 2008, 1023; OLG Köln NJW-RR 2002, 426/427; Zöller, ZPO, 31. Aufl., § 102 GVG, Rn. 3 m.w.N.).

Von beiden Kammern liegen zuständigkeitsleugnende Beschlüsse vor, die den Parteien bekanntgegeben wurden (Verweisungsbeschluss der 18. Zivilkammer vom 21.04.2016 (Bl. 130 d.A.) und Vorlagebeschluss der 44. Kammer für Handelssachen vom 28.04.2016 (Bl. 135 d.A.)). Damit sind die Voraussetzungen für die Zuständigkeitsbestimmung erfüllt.

III. Entsprechend §§ 36 Abs. 1 Nr. 6, 37 ZPO ist als funktionell zuständiger Spruchkörper die 18. Zivilkammer des LG Stuttgart zu bestimmen.

Die Kammer für Handelssachen ist funktionell nicht zuständig. Es fehlt an einem Handelsgeschäft für beide Teile gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 1 GVG. Der Kläger ist als Rechtsanwalt Angehöriger eines freien Berufes, damit nicht Kaufmann und übt kein Gewerbe aus (§ 2 Abs. 2 BRAO). Eine Anwendung des § 95 Abs. 1 Nr. 1 GVG, §§ 1, 343 HGB kommt de lege lata weder direkt noch im Wege einer Analogie in Betracht. Die Kammer für Handelssachen ist auch nicht infolge der Verweisung durch die 18. Zivilkammer zuständig geworden.

1. Verweisungsbeschlüsse an die Kammer für Handelssachen sind zwar nach § 102 GVG grundsätzlich unanfechtbar und bindend. Die Bindungswirkung entfäll...

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