Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachweis der Zustimmung des anderen Elternteils zum Umzug mit einem gemeinsamen Kind ins Ausland

 

Leitsatz (amtlich)

Beruft sich ein Elternteil, der ein Kind ins Ausland verbracht hat, auf die Zustimmung des anderen Elternteils, so obliegt ihm die Beweisführungslast für diese Zustimmung. Eine solche Zustimmung kann unter Umständen auch konkludent erteilt werden. Bei der Beurteilung dessen kommt es darauf an, wie das Verhalten des verlassenen Elternteils bei objektiver Betrachtung aufzufassen war (objektiver Empfängerhorizont). Das stellt hohe Anforderungen an die Beweiswürdigung.

 

Normenkette

HkiEntÜ Art. 13 S. 1

 

Verfahrensgang

AG Stuttgart (Beschluss vom 20.04.2009; Aktenzeichen 20 F 112/09)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Stuttgart vom 20.4.2009 (20 F 112/09) wird zurückgewiesen.

Die sofortige Vollziehung des Beschlusses des AG - Familiengericht - Stuttgart vom 20.4.2009 (20 F 112/09) wird angeordnet.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

4. Der Antragsgegnerin wird die Gewährung von Prozesskostenhilfe für den Beschwerderechtszug versagt.

5. Dem Antragsteller wird für den Beschwerderechtszug ratenfrei Prozesskostenhilfe bewilligt. Ihm wird Rechtsanwältin G. beigeordnet.

Beschwerdewert: 3.000 EUR.

 

Gründe

I. Das AG hat dem Antrag des Kindesvaters (Antragstellers) stattgegeben, das gemeinsame Kind der Parteien, H., geboren am 5.3.2005, unter Anwendung der Vorschriften des Haager Übereinkommens über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführungen vom 25.10.1980 (HKiEntÜ) zu ihm nach Polen zurückzuführen. Das Familiengericht hat die Herausgabe des Kindes angeordnet und weitere Bestimmungen zur Vollstreckung seines Beschlusses getroffen. Die Kindesmutter (Antragsgegnerin) wendet sich gegen diese Entscheidung mit der sofortigen Beschwerde.

Der Senat entscheidet ohne erneute Anhörung der Beteiligten, nachdem sie im ersten Rechtszug richterlich angehört worden sind, der Sachverhalt umfänglich aufgeklärt ist und die Beschwerde im Ergebnis nichts dartut, was eine erneute Anhörung der Beteiligten geboten hätte.

II. Die nach § 40 Abs. 2 Satz 1 IntFamRVG zulässige sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin ist unbegründet. Das AG hat die Rückführung des Kindes zu Recht angeordnet. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Antragsgegnerin erschüttern die angefochtene Entscheidung nicht. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Begründung des Beschlusses verwiesen, der sich der Senat anschließt. Im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen ist ergänzend Folgendes auszuführen:

1. Das Verbringen des Kindes in die Bundesrepublik Deutschland mit dem Ziel des dauerhaften Aufenthalts war widerrechtlich nach Art. 3 Satz 1 lit. a HKiEntÜ. Vorauszusetzen ist die Verletzung eines nach dem Recht des Herkunftsstaats bestehenden Sorgerechts (vgl. Palandt/Thorn, BGB, 68. Aufl., Anh. zu Art. 24 EGBGB (IPR), Rz. 58, 69). Sorgerechtsinhaber für H. sind dessen Eltern gemeinsam.

Nach Art. 58 § 1 des polnischen Familien- und Vormundschaftsgesetzbuchs vom 25.2.1964 (im Folgenden: FVGB) hat das Gericht im Falle einer Ehescheidung von Amts wegen über die elterliche Sorge zu entscheiden. Wird die Ausübung der elterlichen Sorge auf einen Elternteil übertragen, so erfolgt dies nach polnischem Recht ohne zwingende Entziehung der elterlichen Sorge beim anderen Elternteil. Diese wird vielmehr lediglich auf einige Bereiche beschränkt. Beide Elternteile bleiben dann sorgeberechtigt, wobei das Gericht konkret die Aufgaben des nicht die elterliche Sorge ausübenden Elternteils bestimmt. Das wiederum bedeutet, dass die Übertragung einer Sorgeausübung nach polnischem Recht nicht der Übertragung der Alleinsorge nach deutschem Recht gleichzusetzen ist (vgl. Janotta, Die Scheidung und die Verteilung elterlicher Sorge im polnischen und deutschen Recht, Diss. 2006, Seiten 167 f.). So enthalten Scheidungsurteile nach polnischem Recht mitunter neben einer Auflistung einzelner Rechte und Pflichten des einen Ehegatten gleichzeitig die allgemeine Bestimmung, dass der die elterliche Sorge nicht ausübende Elternteil berechtigt ist, alle das minderjährige Kind betreffenden wichtigen Angelegenheiten mitzubestimmen (Waehler, in Dopffel (Hrsg.), Kindschaftsrecht im Wandel, Länderbericht Polen, S. 514).

So liegt es hier. Das Sad Okregowy (Bezirksgericht) in B. entschied zugunsten der Mutter lediglich über die Ausübung der elterlichen Sorge, entzog dieselbe also dem Vater nicht. Bei zutreffender Auslegung, so auch die erstinstanzlich eingeholte Stellungnahme von Prof. Dr. M., blieb dem Vater ein Mitbestimmungsrecht gerade für den Bereich der Aufenthaltsbestimmungsrechts. Entsprechend hat das Bezirksgericht B. in seinem (klarstellenden) Beschluss vom 25.9.2008 entschieden, welcher offenbar bislang nicht rechtskräftig ist.

Darauf kommt es nach Auffassung des Senats allerdings für die hier zu treffende Entscheidung auch nicht an. Denn die Übersetzung in die de...

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