Leitsatz (amtlich)

§ 116 Abs. 6 Satz 2 SGB X steht dem Regress einer Krankenkasse, die anlässlich eines Verkehrsunfalls für ihre verletzte Versicherte Aufwendungen erbracht hat, gegen die Haftpflichtversicherung des Schädigers nicht entgegen, wenn die Schadensersatzleistungen bereits vor der Eheschließung des Schädigers mit der Verletzten vollständig erbracht worden sind.

 

Verfahrensgang

LG Schwerin (Urteil vom 16.04.2007; Aktenzeichen 4 O 267/06)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des LG Schwerin vom 16.4.2007 - 4 O 267/06, geändert und die Klage abgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 24.515,59 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt die Rückzahlung von Schadensersatz, den sie an die beklagte Krankenversicherung leistete, nachdem sie als Haftpflichtversicherung von der Beklagten in Regress genommen worden war.

Die Beklagte ist Sozialversicherungsträgerin von Frau J. S., geborene K. Am 7.2.1999 wurde die Versicherte bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt. Sie war Insassin in dem von ihrem damaligen Lebensgefährten und jetzigen Ehemann Herrn S. gesteuerten Pkw. Herr S., der Versicherungsnehmer der Klägerin ist, verursachte und verschuldete den Verkehrsunfall allein. Für ihre Aufwendungen ggü. der Versicherten nahm die Beklagte die Klägerin in Regress. Daraufhin leistete die Klägerin bis einschließlich 18.1.2002 Teilzahlungen von 24.515,59 EUR und erfüllte so den Anspruch insgesamt.

Mit einem Schreiben der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte an die Klägerin vom 13.5.2005, in dem die Versicherte als J. S., geborene K., benannt ist, erhielt die Klägerin erstmals Kenntnis von der Eheschließung der Verletzten mit dem Schädiger, ihrem Versicherungsnehmer. Die Ehe wurde am 7.2.2005 geschlossen.

Unter Berufung auf das sog. Familienprivileg aus § 116 Abs. 6 Satz 2 SGB X forderte die Klägerin sodann die Beklagte unter Fristsetzung zur Rückzahlung der Schadensersatzleistungen auf, wobei sie versehentlich nur 24.337,08 EUR geltend machte. Mit Schreiben vom 18.11.2005 wies die Beklagte die Forderung zurück und berief sich auf Verjährung.

Das LG Schwerin hat der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat die Kammer ausgeführt, der Zeitpunkt der Familienzugehörigkeit, die den Rückgriff ausschließe, sei ohne Einfluss. Es reiche aus, dass im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung über die Rückgriffsansprüche die erforderlichen Beziehungen zwischen Versichertem und Schädiger durch Heirat geschaffen seien. Der Rechtsgedanke des § 67 Abs. 2 VVG sei analog anzuwenden, wenn der Ausschlussgrund für den Forderungsübergang, wie hier die Heirat, erst nach dem Unfall oder sogar nach Geltendmachung des Regressanspruches entstanden sei.

Mit ihrer Berufung rügt die Beklagte eine fehlerhafte Rechtsanwendung des LG. Das LG habe übersehen, dass in den von der Kammer zitierten Fällen die Schädiger und Geschädigten in der Phase des Regresses geheiratet hätten. Der Regress sei in diesen Fällen zum Zeitpunkt der Eheschließung nicht abgeschlossen gewesen. In dem vom OLG Frankfurt entschiedenen Fall, auf den die Kammer Bezug nehme, seien Zahlungen erst geleistet worden, nachdem die Unfallverursacherin den Geschädigten geheiratet habe. Vorliegend habe die Geschädigte den Schädiger zu einem Zeitpunkt, als der Regress bereits seit drei Jahren vollständig beendet gewesen sei, geheiratet. § 116 Abs. 6 Satz 2 SGB X verhindere nicht den gesetzlichen Forderungsübergang sondern nur die Durchsetzung der Forderung. Sei die Forderung zum Zeitpunkt der Eheschließung bereits durchgesetzt, bedürfe es eines Durchsetzungshindernisses nicht mehr.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des LG Schwerin zum Az. - 4 O 276/06 - vom 16.4.2007 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin stützt das angegriffene Urteil. Sie ist unter Bezugnahme auf den BGH (BGH NJW 2001, 754) der Auffassung, das Durchsetzungshindernis aus § 116 Abs. 6 Satz 2 SGB X gelte wegen des Akzessorietätsgrundsatzes auch für den Direktanspruch gegen den Haftpflichtversicherer.

II. Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg. Die Klage ist nicht begründet. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Rückzahlung der an die Beklagte gezahlten Beträge gem. § 812 Abs. 1 BGB zu, denn die Klägerin hat aufgrund des Regresses mit Rechtsgrund an die Beklagte geleistet.

1. Vorliegend steht § 116 Abs. 6 Satz 2 SGB X dem Regress der Beklagten gegen die klagende Haftpflichtversicherung nicht entgegen, denn die Klägerin hatte bereits vor der Eheschließung im Jahr 2005 die Schadensersatzleistungen vollständig erbracht.

Außer Streit steht zwi...

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