Entscheidungsstichwort (Thema)

Befristung der Unterhaltspflicht des nichtehelichen Vaters ggü. der Kindesmutter

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Das in Art. 6 Abs. 5 GG normierte Gleichbehandlungsgebot gebietet es bei nichtehelichen Kindern, den unbestimmten Rechtsbegriff der groben Unbilligkeit in § 1615l Abs. 2 S. 3 BGB weit auszulegen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Umstände des Einzelfalles trotz staatlicher Hilfe keine Gewähr dafür bieten, dass die leibliche und seelische Entwicklung des Kindes gewährleistet ist. Das kann dann der Fall sein, wenn der betreuende Elternteil ansonsten gehalten wäre, mit negativen Wirkungen für das Kind eine Berufstätigkeit im weitergehenden Rahmen aufzunehmen.

2. Kindbezogene Umstände gewinnen bei der Auslegung des § 1615l Abs. 2 S. 3 BGB besonderes Gewicht. Eine Verlängerung der Zahlungspflicht über 3 Jahre hinaus kommt schon in Betracht, wenn der Aufschub einer Erwerbstätigkeit durch die Mutter aus objektiver Sicht wegen der besonderen Bedürfnisse des Kindes als vernünftig und dem Kindeswohl förderlich erschein. Die Schwelle ist aus verfassungsrechtlichen Gründen niedrig anzusetzen. Eine erhöhte Betreuungsbedürftigkeit des Kindes ist durch Atteste oder Befundberichte nachzuweisen.

 

Normenkette

BGB § 1615l; GG Art. 6 Abs. 5

 

Verfahrensgang

AG Güstrow (Urteil vom 25.02.2006; Aktenzeichen 75 F 159/99)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des AG Güstrow - FamG - vom 25.2.2006 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zur Abgeltung sämtlicher Ansprüche auf Unterhalt für den Zeitraum Juni 1999 bis Oktober 2003 insgesamt 25.288,92 EUR zu zahlen. Die weiter gehende Klage wird abgewiesen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Klägerin zu 2) trägt 15 % der Gerichtskosten und der Auslagen des Beklagten, der Beklagte 80 % der Auslagen der Klägerin zu 2) und die übrigen Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Die heute 33 Jahre alte Klägerin zu 2) ist die Mutter des am 31.1.1998 geborenen heute acht Jahre alten Klägers zu 1); der heute 68 Jahre alte Beklagte ist der nicht eheliche Vater des Klägers zu 1). Der Beklagte wird von dem Kläger zu 1) auf Kindesunterhalt und von der Klägerin zu 2) auf Unterhalt anlässlich der Geburt in Anspruch genommen. Der Beklagte hat den Anspruch des Klägers zu 1) in vollem Umfang und den Anspruch der Klägerin zu 2) bis zum 31.5.1999 anerkannt. Gegen den Beklagten ist Teilanerkenntnisurteil ergangen.

Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes, des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird auf das Urteil des AG Güstrow vom 25.2.2005 verwiesen.

Zu ergänzen ist noch, dass die Klägerin zu 2) in der Zeit vom 1.4.2000-24.9.2000 Arbeitslosenhilfe i.H.v. wöchentlich 233,38 DM, in der Zeit vom 24.9.2000-18.12.2000 Arbeitslosenhilfe i.H.v. wöchentlich 226,38 DM sowie in der Zeit vom 19.12.2000-8.1.2001 Übergangsgeld i.H.v. kalendertäglich 32,34 DM bezog. Vor- und nachher erhielt die Klägerin zu 2) Sozialhilfe. Die als Träger der Sozialhilfe beteiligten Städte Güstrow und Amberg haben einen etwaigen bestehenden Unterhaltsanspruch gegen den Beklagten zurückabgetreten.

Mit seiner Berufung verfolgt der Beklagte sein Ziel auf Klageabweisung weiter, soweit er nicht anerkannt hat. Er schulde der Klägerin zu 2) ab 1.6.1999 keinen Unterhalt. Das FamG habe sein Einkommen fehlerhaft ermittelt, insb. habe es nur die Einnahmen, nicht aber die Ausgaben berücksichtigt. In guten Jahren hätten sich allein die Nebenkosten auf 10.000 EUR jährlich summiert. Wegen eines zunehmenden Leerstandes seien die Mieteinnahmen zurückgegangen. Die Häuser befänden sich in einem maroden Zustand. Die Annahme des FamG, er habe Einnahmen von monatlich 3.500 EUR, sei nicht nachvollziehbar. Das zeige schon ein Strafverfahren gegen ihn wegen Verletzung der Unterhaltspflicht. Der Strafbefehl, der gegen ihn ergangen sei, gehe ab November 2001 zutreffend von einem Einkommen von ca. 2.000 EUR monatlich aus. Seit 2002 hätten die Mieteinnahmen nicht einmal mehr die Unkosten gedeckt. Zu bedenken sei, dass er auch noch Darlehensverbindlichkeiten zu bedienen habe. Auf zwei Darlehen i.H.v. 60.000 DM und 20.000 DM habe er jährlich 8.955,82 EUR bzw. 6.097,16 EUR gezahlt. Darin seien Tilgung und Zinsen enthalten. Für eine Gebäudeversicherung habe er im Jahre 2004 2.355,93 EUR entrichtet, in den vorangegangenen Jahren seien die Beiträge etwa gleich hoch ausgefallen. Schließlich wirkten sich noch Aufwendungen für Reparaturen und der unbedingt nötige Erhaltungsaufwand einkommensmindernd aus. Er sei völlig überschuldet und sehe sich Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ausgesetzt.

Unabhängig davon habe die Klägerin zu 2) ihren Unterhaltsanspruch gem. § 1611 BGB verwirkt. So habe sie ihn wegen sexuellen Missbrauchs zu ihrem Nachteil angezeigt. Sie habe ihn darüber hinaus bezichtigt, seine eigenen Kinder sexuell missbraucht zu haben. Ihre haltlosen Beschuldigungen habe sie in der Presse und im Fernseh...

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