Entscheidungsstichwort (Thema)

Vollstreckung der Betriebspflicht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Betriebspflicht ist eine unvertretbare Handlung, die nach § 888 ZPO zu vollstrecken ist.

2. Es steht grundsätzlich der Vollstreckbarkeit einer Betriebspflicht eines Geschäftsbetriebs in Gewerberäumen nicht entgegen, dass es hierfür erforderlich ist, Vertragsbeziehungen zu Mitarbeitern und Lieferanten zu unterhalten, so dass sowohl der Erlass einer einstweiligen Verfügung gerichtet auf die Erfüllung der Betriebspflicht als auch ihre Vollstreckung nach § 888 ZPO in Betracht kommen.

3. Eine Vollstreckung nach § 888 Abs. 1 ZPO scheidet vielmehr erst dann aus, wenn dem Vollstreckungsschuldner die Erlangung der Mitwirkungshandlung des Dritten objektiv oder subjektiv eindeutig unmöglich ist. Es muss feststehen, dass der Schuldner erfolglos alle ihm zumutbaren Maßnahmen einschließlich eines gerichtlichen Vorgehens unternommen hat, um den Dritten zu seiner Mitwirkung zu veranlassen, wofür den Vollstreckungsschuldner die Vortrags- und Beweislast trifft.

 

Verfahrensgang

LG Stralsund (Beschluss vom 29.02.2016; Aktenzeichen 4 O 248/15)

 

Tenor

1. Unter Abänderung des Beschlusses des LG Stralsund vom 29.02.2016 wird gegen den Antragsgegner zur Erzwingung der in der einstweiligen Verfügung des LG Stralsund zum Az. 4 O 248/15 vom 15.12.2015 unter Ziffer 1. niedergelegten Betriebspflicht sowie des unter Ziffer 2. tenorierten Unterlassungsanspruchs ein Zwangsgeld von 2.000,00 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, ersatzweise Zwangshaft von 5 Tagen festgesetzt.

2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz.

 

Gründe

I. Die Parteien sind durch einen Mietvertrag verbunden, mit welchem die Klägerin dem Beklagten Räume zum Betrieb eines Bekleidungsgeschäftes vermietet hat. Der Mietvertrag enthält eine Betriebspflicht des Antragsgegners.

Am 01.11.2015 wurde der Centermanager des Einkaufszentrums durch ein im Ladenlokal des Antragsgegners angebrachtes Hinweisschild darauf aufmerksam, dass ab dem 01.11.2015 in dem Laden keine Elektronic-Cash-Zahlungen mehr möglich seien. Auf telefonische Nachfrage der Antragstellerin teilte der Antragsgegner mit, zum 01.01.2016 den Geschäftsbetrieb einzustellen. Mit E-Mail vom 18.11.2015 teilte der Antragsgegner mit, die Verkaufsaktivitäten aus betriebswirtschaftlichen Gründen zum 01.01.2016 einstellen zu müssen.

Die Antragstellerin erwirkte daher mit Beschluss vom 15.12.2015 eine einstweilige Verfügung, mit welcher dem Antragsgegner auferlegt wurde, dass von ihm in dem S. Einkaufszentrum im Obergeschoss belegene, Mieteinheitsnummer 20101 gemäß Mietvertrag vom 05./11.08.2014 zum Betrieb eines Bekleidungseinzelhandelsgeschäftes angemietete, ca. 104 qm große Ladenlokal über den 31.12.2015 hinausgehend in der Zeit von Montag bis Samstag von 09.00 bis 20.00 Uhr zu betreiben.

Die Antragstellerin hat dem Antragsgegner die einstweilige Verfügung am 21.12.2015 zustellen lassen. Der Antragsgegner begann in der 53. Kalenderwoche 2015 damit, sein Ladenlokal zu beräumen. Er habe gegenüber dem Centermanager geäußert, dass der Geschäftsbetrieb eingestellt werde und das Ladenlokal am 02.01.2016 nicht mehr geöffnet werde.

Die Antragstellerin hat darauf hin am 30.12.2015 beantragt, gegen den Schuldner zur Erzwingung der in der einstweiligen Verfügung unter Ziffer 1. niedergelegten Betriebspflicht sowie des unter Ziffer 2. tenorierten Unterlassungsanspruchs ein Zwangsgeld von bis zu 25.000,00 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, ersatzweise Zwangshaft von bis zu 6 Monaten festzusetzen.

Der Antragsgegner hat die Zurückweisung des Antrages begehrt. Der Antrag sei unbegründet, weil die Voraussetzungen für eine Zwangsgeldfestsetzung nicht vorlägen.

Gemäß § 888 ZPO sei es notwendig, dass die zu vollstreckende Handlung ausschließlich dem Willen des Schuldners unterliege. Unanwendbar sei die Vorschrift, wenn die Handlung nicht ausschließlich vom Willen des Schuldners abhänge. Dies sei für die Betriebspflicht eines Ladenlokals der Fall. Der Schuldner könne den Betrieb nicht allein aufrechterhalten. Er sei davon abhängig, dass Angestellte beschäftigt würden und dass Lieferungen seiner zu verkaufenden Waren erfolgten. Der Abschluss entsprechender Verträge unterliege nicht allein seinem Willen.

Der Antragsgegner habe sein Gewerbe aufgegeben und am 16.11.2015 abgemeldet. Die Arbeitsverhältnisse mit seinen Angestellten seien, soweit die Angestellten nicht bereits selbst gekündigt hätten, zum 31.12.2015 gekündigt worden. Die vorhandenen Waren unterlägen dem Eigentumsvorbehalt und würden von den jeweiligen Lieferanten abgeholt. Der Antragsgegner habe zum 01.01.2016 ein angestelltes Arbeitsverhältnis aufgenommen. Ihm sei es daher nicht mehr möglich, den Geschäftsbetrieb aufrechtzuerhalten.

Das LG Stralsund hat mit Beschluss vom 29.02.2016 den Antrag der Antragstellerin zurückgewiesen. Es hat diesen für unbegründet erachtet. Die Voraussetzungen für die Verhängung eines Ord...

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