Verfahrensgang

LG Neubrandenburg (Urteil vom 11.02.2005; Aktenzeichen 2 O 44/04)

 

Tenor

Der Antrag des Beklagten, ihm Prozesskostenhilfe für die Berufung gegen das am 11.2.2005 verkündete Urteil des LG Neubrandenburg (Az.: 2 O 44/04) zu bewilligen, wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Über das Vermögen des Beklagten eröffnete das AG Neubrandenburg am 9.4.2003 das Insolvenzverfahren (IN./03). Mit Schriftsatz vom 16.5.2003 meldete die Klägerin ihre Beitragsforderung i.H.v. 35.455,94 EUR zur Tabelle an. Hierin enthalten ist eine Forderung i.H.v. 10.585,37 EUR, bzgl. deren sie angab, sie resultiere aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, nämlich der Vorenthaltung im Jahr 1998 fällig gewordener Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266a StGB). Der Beklagte erkannte die Forderung im Grundsatz als berechtigt an, erhob aber Widerspruch gegen die Qualifizierung der Forderung als auf vorsätzlicher unerlaubter Handlung beruhend. Dieser Widerspruch wurde zur Tabelle eingetragen.

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass es sich bei der von ihr zur Tabelle angemeldeten Forderung über 10.585,37 EUR um eine Forderung aus vorsätzlich unerlaubter Handlung wegen Vorenthaltens von Arbeitnehmeranteilen handele. Das LG gab der Klage statt.

Der Beklagte beabsichtigt, gegen das Urteil Berufung einzulegen und beantragt hierfür Prozesskostenhilfe. Er zieht die Zulässigkeit der Klage in Zweifel. Weiter bringt er vor, dass die Klägerin die Voraussetzungen der vorsätzlichen Beitragsvorenthaltung darzulegen habe; er, der Beklagte, habe nicht damit zu rechnen brauchen, dass die Mitgesellschafter nach seinem erzwungenen Ausscheiden aus der Gesellschaft die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung nicht abführen würden.

II. Das Prozesskostenhilfegesuch ist zurückzuweisen, weil das beabsichtigte Rechtsmittel keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 114 ZPO).

1. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die Feststellungsklage zulässig.

a) Die Klägerin hat gem. § 256 ZPO ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung.

aa) Ergänzend zu § 302 Nr. 1 InsO, demzufolge Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung nicht an der Restschuldbefreiung teilnehmen, bestimmt § 174 Abs. 2 InsO, dass der Gläubiger, soweit er eine Forderung aus unerlaubter Handlung zur Tabelle anmeldet, die Tatsachen anzugeben hat, aus denen sich aus seiner Einschätzung ergibt, dass ihr eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung des Schuldners zugrundeliegt. Die prozessuale Behandlung des Schuldnerwiderspruchs gem. § 175 Abs. 2 InsO, der sich bei grundsätzlicher Anerkennung der Forderung lediglich gegen deren Einordnung als auf vorsätzlich unerlaubter Handlung beruhend wendet, ist nicht geregelt. Graf/Schlicker/Remmert (Graf/Schlicker/Remmert, NZI 2001, 569 [572]) sind der Auffassung, es obliege dem Gläubiger, die Voraussetzungen der Vollstreckbarkeit trotz Restschuldbefreiung zu schaffen, weil der auf den Schuldgrund beschränkte Widerspruch bereits diese Wirkung beseitige. Dagegen lässt sich einwenden, dass § 174 Abs. 2 InsO von dem Gläubiger lediglich verlangt, dass er bei der Anmeldung seiner Forderung die Umstände darlegt, aus denen sich ergibt, dass ihr eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung zugrunde liegt. Wenn der Schuldner den Wegfall des gem. § 178 Abs. 3 InsO geschaffenen Vollstreckungstitels erstrebt, muss er die prozessuale Initiative ergreifen. Diese dem Gläubiger zuzuschieben, erscheint nicht sinnvoll, denn er müsste auch bei Obsiegen für die Gerichtskosten und die eigenen außergerichtlichen Anwaltskosten aufkommen, weil der Beklagte insolvente Schuldner diese regelmäßig nicht erstatten kann. Umgekehrt ist dem Schuldner, der die Erstreckung der Restschuldbefreiung auf alle Forderungen festgestellt wissen will, die gerichtliche Geltendmachung durch Vollstreckungsgegenklage gem. § 767 ZPO rechtlich möglich und auch zuzumuten (Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl., § 302 Rz. 24; Fuchs, NZI 2002, 298 [303]; Brückl, ZInsO 2005, 16 [19]). Dieses Vorgehen belastet den Schuldner nicht unbillig, denn er erhält Prozesskostenhilfe, wenn sein Bestreben Erfolg verspricht.

Auch wenn der Schuldner die prozessuale Initiative ergreifen muss, um die Vollstreckbarkeit der von dem Gläubiger als auf vorsätzlicher unerlaubter Handlung beruhend qualifizierten Forderung zu beseitigen, so bedeutet dies nicht, dass es dem Gläubiger verwehrt sein muss, prozessual auf Erhaltung der Vollstreckbarkeit trotz Restschuldbefreiung hinzuwirken. Allein die aufgezeigten Kontroverse begründet sein Interesse an der gerichtlichen Feststellung, dass die angemeldete Forderung auf vorsätzlicher unerlaubter Handlung beruht. Sofern die Zulässigkeit der Feststellungsklage des Gläubigers nicht aus der entsprechenden Anwendung des § 184 InsO folgt (LG Dresden ZIV 2004, 531; Landfermann in Heidelberger Kommentar, InsO, 3. Aufl., § 302 Rz. 2a; Stephan in MünchKomm/InsO, § 302 Rz. 20; Mäusezahl, ZInsO 2002, 462 [468...

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