Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Recht zur Ablehnung des Sachverständigen wegen vorausgegangener privatgutachterlicher Tätigkeit für die Gegenpartei

 

Normenkette

BGB § 196; HGB § 344

 

Verfahrensgang

LG Schwerin (Aktenzeichen 4 O 471/99)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des LG Schwerin vom 28.11.2000 wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Gegenstandswert von 30.000 DM.

 

Gründe

Die sofortige Beschwerde ist unbegründet.

Zu Recht hat das LG das Ablehnungsgesuch des Klägers als unbegründet zurückgewiesen.

Nach § 406 Abs. 1 S. 1 ZPO i.V.m. § 42 Abs. 2 ZPO kann ein Sachverständiger wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, vom Standpunkt einer objektiv abwägenden vernünftigen Partei Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Es kommt nicht darauf an, ob der vom Gericht beauftragte Sachverständige tatsächlich parteilich ist oder ob das Gericht selbst Zweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen hat. Schon der bei der ablehnenden Partei erweckte Anschein der Parteilichkeit rechtfertigt die Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit. Entscheidend ist allein, ob genügend objektive Gründe vorliegen, die einem am Verfahren Beteiligten bei vernünftiger und besonnener Würdigung aller Umstände Anlass geben, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Sachverständigen zu zweifeln.

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.

Der Kläger begründet sein Ablehnungsgesuch damit, dass der Sachverständige in der Vergangenheit mehrfach für die Beklagte als Privatgutachter tätig gewesen sei und er dies gegenüber dem Gericht und den Parteien nicht offenbart habe. Diese vorgetragenen Gründe rechtfertigen eine Ablehnung des Sachverständigen nicht. Dabei nimmt der Kläger die von ihm zitierten gerichtlichen Entscheidungen durchweg zu Unrecht für seine Rechtsauffassung in Anspruch.

Der Entscheidung des BGH in NJW 1972, 827, lag der Fall zugrunde, dass die Parteien aufgrund eines Schiedsgutachtervertrages einen Sachverständigen beauftragt hatten, der von einer Partei später in einer anderen rechtlichen Auseinandersetzung mit einem Dritten zu ihrem Schiedsrichter in einem dreiköpfigen Schiedsgericht bestellt worden war. Für die Bejahung des Ablehnungsgrundes in diesem Fall stellt der BGH darauf ab, dass es eine allgemeine Erfahrung sei, dass sich die von den Parteien ernannten Schiedsrichter vielfach als deren Interessenvertreter betrachteten und demgemäß ihr Amt mehr oder weniger einseitig ausübten. Die Parteien ihrerseits sähen die von ihnen benannten Persönlichkeiten leicht als Anwälte ihres Interesses im Schiedsgericht an und machten deshalb hierzu Schiedsrichter namhaft, von denen sie erwarteten, sie würden den Rechtsstreit zu ihren Gunsten entscheiden. Deshalb läge es auch nahe, dass derjenige, der sich in ein Schiedsgericht entsenden lasse, Dritten gegenüber den Eindruck erwecke, er nähme Interessen seines Auftraggebers wahr.

Ein solcher Sachverhalt ist mit dem vorliegenden nicht vergleichbar. Aufgabe eines Schiedsrichters ist es, als Mitglied des Schiedsgerichtes einen Rechtsstreit zu entscheiden. Wird hingegen ein öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger wie hier der Sachverständige Dr. H. von der Beklagten privat mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt, ist es nicht seine Aufgabe, einen Rechtsstreit zu entscheiden, sondern einen Sachverhalt sachverständig zu beurteilen. Zwar ist nicht zu verkennen, dass ein Privatgutachten häufig dazu dient, eine rechtliche Auseinandersetzung des Auftraggebers mit einem Dritten vorzubereiten oder zu führen. Jedoch gibt es keine allgemeine Erfahrung, dass ein öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger, wenn er privat beauftragt wird, sich als Interessenvertreter des Auftraggebers betrachtet und demgemäß sein Amt mehr oder weniger einseitig ausübt. Eine solche Annahme aufzustellen, bedeutete eine unzulässige Vorwegdisqualifizierung öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger.

Der Kläger kann sich für seine Rechtsauffassung auch nicht auf die Entscheidung des BGH in NJW 1972, 1133 ff., berufen. In der dortigen Entscheidung hatte der BGH einen Ablehnungsgrund bejaht, weil der gerichtlich bestellte Sachverständige schon vorher in der selben Sache, die Gegenstand des Rechtsstreits geworden ist, auf der Seite einer Partei tätig gewesen sei. Darum geht es hier nicht.

Auch auf die Entscheidung des OLG Düsseldorf (OLG Düsseldorf v. 8.7.1997 – 22 W 29/97, NJW-RR 1997, 2428) kann sich der Kläger nicht berufen. Im dortigen Fall wurde der gerichtlich bestellte Sachverständige in einem gegen einen Bauträger gerichteten selbstständigen Beweisverfahren wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, weil der Sachverständige bereits Privatgutachten für drei andere Auftraggeber des Bauträgers erstellt hatte, bei denen es ebenfalls um Mängel in der Bauausführung ging und die Begutachtung zudem den selben Hausty...

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