Leitsatz (amtlich)

Ein haftungsbegründendes ärztliches Aufklärungsversäumnis lässt sich grundsätzlich nicht daraus ableiten, dass ein Patient über eine Behandlungsmöglichkeit im Unklaren gelassen worden ist, die zwar aus der Ex-ante-Sicht des behandelnden Arztes als Alternative zu dem eingeschlagenen Weg in Betracht zu ziehen war, die aber bei objektiver Betrachtung unter Einbeziehung der ex post gewonnenen Erkenntnisse tatsächlich gar keine Behandlungsalternative darstellt.

 

Normenkette

BGB § 280 Abs. 1, § 823 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Oldenburg (Aktenzeichen 8 O 2430/15)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 30.05.2018 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des jeweiligen Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht als Erbin ihres im Jahr 1936 geborenen und am TT.MM.2013 verstorbenen Ehemannes (...) (im Folgenden: Patient) Schadensersatzansprüche wegen einer von ihr für unzureichend gehaltenen ärztlichen Aufklärung vor einer Revisionsoperation am linken Knie des Patienten geltend. In der ersten Instanz hat sie ihre Klage zusätzlich auf angebliche ärztliche Behandlungsfehler gestützt.

Am TT.MM.2012 ließ der Patient wegen einer fortgeschrittenen Gonarthrose im linken Knie eine so genannte Schlittenendoprothese implantieren. Der Eingriff wurde im Haus der Beklagten zu 2) durchgeführt. Operateur war der Beklagte zu 1), seinerzeit Chefarzt der dortigen Klinik für Spezielle Unfallchirurgie und Orthopädische Chirurgie. Die Entlassung des Patienten aus der stationären Behandlung war für den TT.MM.2012 vorgesehen. Als der Beklagte zu 1) das Knie des Patienten an diesem Tag untersuchte, ergoss sich Sekret aus der Wunde. Angesichts dessen hielt der Beklagte zu 1) eine Revisionsoperation für angezeigt. Dem betreffenden Einwilligungsformular zufolge klärte der Arzt Dr. ... den Patienten noch am TT.MM.2012 über den für den nächsten Tag geplanten Eingriff auf. Die Revisionsoperation nahm der Beklagte zu 1) am Nachmittag des TT.MM.2012 vor (Lavage des Gelenks, Naht des Kapsel-Fascienverbandes, Redondrainage). Im Zuge des Eingriffs versagte der Kreislauf des Patienten, weshalb der Anästhesist intensivmedizinische Maßnahmen ergriff. Diese wurden postoperativ fortgesetzt. Wegen des Verdachts einer Lungenarterienembolie veranlassten die behandelnden Ärzte außerdem nach der Operation eine Computertomografie des Thorax mit Kontrastmittelgabe. Mithilfe dieser um 17:17 Uhr durchgeführten Untersuchung wies man Thromben in der Oberlappen- und Unterlappenarterie rechts nach, passend zu einer - möglicherweise auch älteren - Lungenarterienembolie. Den akuten Zustand des Patienten vermochten die Ärzte damit allerdings nicht zu erklären. Die weitere Behandlung erfolgte unter der Arbeitsdiagnose eines septischen Schocks. Eine antibiotische Therapie wurde eingeleitet. Die Analyse eines intraoperativen Wundabstrichs förderte koagulase-negative Staphylokokken zutage.

Die intensivmedizinische Behandlung, in deren Verlauf sich unter anderem ein Multiorganversagen einstellte, dauerte bis zum TT.MM.2013 an. Ab dem TT.MM.2012 konnte der Patient ohne maschinelle Unterstützung atmen. Am TT.MM.2013 wurde er auf die Normalstation verlegt. Am TT.MM.2013 begann die neurologische Frührehabilitation. Nur zehn Tage später - am TT.MM.2013 - überwies man den Patienten in das (...) in (...), wo er unter der Diagnose einer abszedierenden Cholangitis (eitrige Entzündung der Gallenwege) bis zum TT.MM.2013 stationär behandelt wurde. Anschließend setzte man die neurologische Frührehabilitation im Haus der Beklagten zu 2) fort, bis man den Patienten am TT.MM.2013 erneut in das (...) einwies und ihn dort wegen einer sklerosierenden Cholangitis mit Übergang in eine biliäre Leberzirrhose bis zum TT.MM.2013 versorgte. Ausweislich des Entlassungsberichts des (...) fiel dort in Abstimmung mit den Angehörigen die Entscheidung, künftig keine intensivmedizinischen Maßnahmen mehr zu ergreifen. Ab dem TT.MM.2013 wurde der Patient im Hospiz (...) betreut, wo er am TT.MM.2013 verstarb.

In der ersten Instanz hat die Klägerin behauptet, der tragische Krankheitsverlauf bis hin zum Tod ihres Ehemannes sei auf Behandlungsfehler im Haus der Beklagten zu 2) zurückzuführen. Hygiene- und Pflegemängel im Haus der Beklagten zu 2) hätten eine schwerwiegende Infektion nach sich gezogen. Diese sei, so der anfängliche Vortrag der Klägerin, aufgrund von pflichtwidrig unterlassenen Befunderhebungen verspätet diagnostiziert worden mit der Folge, dass sich die am Nachmittag des TT.MM.2012 durchgeführte Revisionsoperation über Gebüh...

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