Leitsatz (amtlich)

1. Einer in Deutschland erhobenen Klage von Gläubigern griechischer Staatsanleihen gegen die Hellenische Republik (Griechenland), die auf Schadensersatzansprüche wegen des Eingriffs in die Position der Anleihegläubiger durch das griechische Gesetz 4050/2012 und die in diesem Zusammenhang erfolgten Maßnahmen zum Zwangsumtausch der Anleihen gestützt wird, steht der Einwand der Staatenimmunität entgegen (vgl. BGH, Urteil vom 8.3.2016, VI ZR 516/14, Rn. 19 - 23).

2. Das gilt nicht, soweit die Gläubiger ihre Klage auf Rückzahlungsansprüche aus den ursprünglichen Staatsanleihen stützen; insoweit ist die Hellenische Republik nicht in ihrem hoheitlichen Aufgabenbereich betroffen (Abgrenzung zu BGH, Urteil vom 8.3.2016 - VI ZR 516/14).

3. Eine auf Rückzahlungsansprüche aus den Staatsanleihen nach dem griechischen Gesetz 2198/1994 gestützte Klage ist eine Zivil- und Handelssache im Sinne des Art. 1 Abs. 1 EuGVVO aF (VO (EG) Nr. 44/2001 - Brüssel I-VO) (vgl. EuGH, Urteil vom 11.6.2015, C-226/13, C-245/13, C-247/13 und C-578/13, Rn. 53).

4. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für eine solche Klage ergibt sich nicht aus dem Verbrauchergerichtsstand gemäß Art. 15 Abs. 1 Buchst. c, Art. 16 Abs. 1 EuGVVO aF (vgl. EuGH, Urteil vom 28.1.2015, C-375/13, Rn. 28 - 30).

5. Die Darlegung eines auf Art. 8 Abs. 2 des griechischen Gesetzes 2198/1994 gestützten Anspruchs durch die Anleihegläubiger reicht für die Annahme eines vertraglichen Anspruchs im Sinne des Art. 5 Nr. 1 Buchst. a EuGVVO aF (Besonderer Gerichtsstand des Erfüllungsorts) aus.

6. Der gemäß Art. 5 Nr. 1 Buchst. a EuGVVO aF an den vertraglichen Erfüllungsort geknüpfte Gerichtsstand kann nicht durch Übertragung der Forderung verändert werden. Stellt das anwendbare materielle Recht auf Umstände in der Person des Gläubigers ab (zum Beispiel dessen Wohnsitz oder gewerbliche Niederlassung), bleiben für die internationale Zuständigkeit allein die in der Person des ursprünglichen Gläubigers liegenden Umstände relevant.

 

Verfahrensgang

LG Osnabrück (Urteil vom 15.05.2015; Aktenzeichen 7 O 2995/13)

 

Nachgehend

BVerfG (Nichtannahmebeschluss vom 06.05.2020; Aktenzeichen 2 BvR 331/18)

 

Tenor

Die Berufung der Kläger zu 3 bis 6 gegen das am 15.5.2015 verkündete Urteil des Einzelrichters der 7. Zivilkammer des LG Osnabrück wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger zu 3 einen Anteil von 5,3 %, der Kläger zu 4 einen Anteil von 92,8 %, die Klägerin zu 5 einen Anteil von 0,8 % und der Kläger zu 6 einen Anteil von 1,1 % zu tragen.

Das Urteil ist wie auch das angefochtene Urteil vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Kläger nehmen die Hellenische Republik (Griechenland) als Beklagte auf Zahlung aus Staatsanleihen in Anspruch, die im Laufe der Schuldenkrise Griechenlands im März 2012 zwangsweise gegen neue Staatsanleihen mit einem niedrigeren Nennwert getauscht werden mussten.

In den Jahren 2009 bis 2011 erwarben die Kläger in unterschiedlichem Umfang Staatsanleihen, die die beklagte Republik im Zeitraum von 1998 bis 2010 emittiert hatte. Die ursprünglichen Anleihebedingungen sahen keine Umtauschklausel ("collective action clause") vor.

Im Verlauf der Schuldenkrise Griechenlands verabschiedete das griechische Parlament am 23.2.2012 das Gesetz 4050/2012 ("Greek Bondholder Act"). Dieses Gesetz schuf die Grundlage dafür, dass im Rahmen eines "collective action"-Prozesses auch diejenigen Privatanleger zwangsweise in die geplante Umschuldung einbezogen werden konnten, die ein zuvor beschlossenes freiwilliges Umtauschangebot hinsichtlich der von ihnen gehaltenen Staatsanleihen nicht angenommen hatten. Auch den Klägern wurde über ihre jeweilige depotführende Bank beziehungsweise Sparkasse das Umtauschangebot zugeleitet. Sie stimmten nicht zu.

Die griechische Regierung teilte am 9.3.2012 mit, dass nach der durchgeführten Abstimmung der Anleihegläubiger die nach dem Gesetz 4050/2012 vorgesehenen Voraussetzungen für den Zwangsumtausch erfüllt seien. Mit Beschluss vom 9.3.2012 billigte der griechische Ministerrat die Entscheidung der Gläubiger. Aufgrund dessen erging am gleichen Tag eine Anweisung an die griechische Zentralbank, nach der der Zwangsumtausch ausgeführt werden sollte. Dies geschah in der Form, dass am 12.3.2012 die alten Anleihen aus dem bei der griechischen Zentralbank geführten System ausgebucht und gleichzeitig die neuen Anleihen eingebucht wurden. Infolgedessen wurden auch in den Depotbeständen der Kläger die alten Anleihen ausgebucht und gleichzeitig die neuen Anleihen (mit geringerem Nennwert) eingebucht.

Mit der Klage machen die Kläger den Nennwert ihrer ursprünglichen Anleihen zuzüglich Zinsen und a...

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