Verfahrensgang

LG Aurich (Aktenzeichen 5 O 376/19)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers vom 10.01.2020 wird das am 16.12.2019 verkündete Urteil des Landgerichts Aurich (Aktenzeichen 5 O 376/19) teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 44.214,56 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.05.2019 bis zum 03.09.2020 auf einen Betrag von 45.699,05 EUR sowie ab dem 04.09.2020 auf einen Betrag von 44.214,56 EUR zu bezahlen, Zug-um-Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Pkw1 mit der FIN (Fahrzeugidentifikationsnummer) (...).

2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des in Ziffer 1 bezeichneten Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet,

3. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten des Klägers entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.822,96 EUR freizustellen.

4. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger zu 25 % und die Beklagte zu 75 %.

5. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

III. Die Kosten der Berufung haben der Kläger zu 20 % und die Beklagte zu 80 % zu tragen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jede Partei kann die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

V. Die Revision wird zugelassen.

VI. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis 50.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger erwarb am 12.09.2014 bei der DD GmbH in Ort1 das streitgegenständliche Fahrzeug Pkw1 als Neufahrzeug (Anlage K1) zu einem Preis von 56.990 EUR. In dem Fahrzeug ist ein von der EE AG hergestellter Dieselmotor des Typs1 verbaut. Laut Herstellerangaben gehört das Fahrzeug der Schadstoffklasse Euro 6 W an. Die Übergabe des Fahrzeuges erfolgte am 11.12.2014.

Am 08.12.2017 ordnete das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) einen verpflichtenden Rückruf aller PKW der Marke FF an, um die Vorschriftsmäßigkeit der produzierten Fahrzeuge wiederherzustellen. Nach dem Bescheid des KBA verwendete die Beklagte fünf verschiedene Strategien (Strategien A bis E) im Emissionskontrollsystem des FF (Bl. 1 - 4 Anlagenband). Die "Aufwärmstrategien" (Strategie A und B) werden nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen aktiviert, die nahezu ausschließlich unter den Bedingungen des NEFZ-Prüfzyklus - einen Fahrzyklus zur Abgasprüfung im Rahmen der Euro-6-Abgasnorm- auftraten (Bl. 2 Anlagenband). Die temperatur- und druckgeführten Größen waren dergestalt bedatet, dass die Aufheizstrategie nahezu ausschließlich im NEFZ und den dort definierten Prüfbedingungen wirkte. Schon kleine Abweichungen in Fahrprofil und Umgebungsbedingungen führten zur Abschaltung der Aufheizstrategie (Bl. 3 Anlagenband). Die temperaturgeführten Schaltkriterien lagen im Bereich der Temperaturen, die am Prüfstand und am vorkonditionierten Fahrzeug vorlagen (Bl. 4 Anlagenband). Die Schaltkriterien waren so gewählt, dass die Aufheizstrategie und damit die erhöhte Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems mit Sicherheit im NEFZ aktiviert bzw. nicht abgeschaltet wird (Bl. 4 Anlagenband). Laut KBA handelt es sich bei der Strategie A um eine unzulässige Abschalteinrichtung, da die Gründe des Artikel 5 Absatz 2, Buchstabe a)-c) der VO (EG) Nr. 715/2007 nicht vorlagen (Bl. 4 Anlagenband). Durch die Verwendung der Aufwärmstrategie wurde laut KBA die Überschreitung der Abgasgrenzwerte im Prüfstand sicher vermieden.

Das Fahrzeug verfügte nach dem KBA auch über einen SCR-Katalysator, welcher zur Reduktion der Stickoxidemissionen dem Abgasstrom Harnstoff (AdBlue) zuführte. In bestimmten Situationen wurde die AdBlue-Zuführung reduziert, wodurch der SCR-Katalysator nur eingeschränkt funktionierte (Strategie E). Die Strategie E wurde vom KBA ebenfalls als unzulässige Abschalteinrichtung bewertet. Gegenständlich war die Aktivierung des Aufforderungssystems. Dieses wurde nicht aktiviert, sobald noch eine Strecke von mindestens 2.400 km gefahren werden konnte, bevor der Reagenzbehälter leer wurde (Bl. 5 Anlagenband). Bei den Strategien B, C und D hatte das KBA Zweifel bezüglich der Zulässigkeit. Aufgrund der Erklärung der Beklagten, auf diese Strategien verzichten zu wollen, erfolgte vorerst keine Entscheidung durch das KBA (Bl. 6 Anlagenband). Für die weiteren Einzelheiten des Rückrufs wird auf den Bescheid des KBA (Anlage R1, Bl. 1ff Anlagenband) Bezug genommen. Der Bescheid ist bestandskräftig.

In einer Pressemitteilung des KBA vom 08. Dezember 2017 bzgl. des Rückrufs betreffend FF heißt es, dass bei der Überprüfung des FF durch das KBA zwei unzulässige Abschalteinrichtungen nachgewiesen wurden. Im Prüfzyklus NEFZ (Neuer Europäischer Fahrzyklus) springe bei diesen Fahrzeugen zum einen eine sogenannte schadstoffmindernde Aufwärmstrategie an, d...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge