Entscheidungsstichwort (Thema)

Elternunterhalt: Wegfall auf den Sozialhilfeträger übergangsfähiger Barunterhaltsansprüche wegen häuslicher Pflegeleistungen gegenüber einem pflegebedürftigen Elternteil

 

Leitsatz (amtlich)

(1) Betreut ein Kind einen pflegebedürftigen Elternteil kann er seine Unterhaltspflicht durch die damit in Natur erbrachten Unterhaltsleistungen erfüllen. Daneben besteht dann kein Anspruch auf eine Geldrente. Damit entfällt ein zivilrechtlicher Unterhaltsanspruch, der auf den Träger der Sozialhilfe übergehen könnte.

(2) Erbringt ein Kind erhebliche Leistungen zur häuslichen Pflege, stellt sich die Inanspruchnahme auf ergänzenden Barunterhalt zugleich als unzumutbare Härte i.S.v. § 94 Abs. 3 Nr. 2 SGB XII dar. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Leistungsträger durch die familiäre Pflege weitere Leistungen erspart, die das von ihm nach § 64 SGBXII zu zahlende Pflegegeld noch deutlich übersteigen.

 

Normenkette

BGB §§ 1601, 1603; SGB XII §§ 94, 62

 

Verfahrensgang

AG Wilhelmshaven (Urteil vom 12.08.2009; Aktenzeichen 16 F 244/09 UK)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des AG Wilhelmshaven - Familiengericht - vom 12.8.2009 geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die Beklagte aus übergegangenem Recht auf Erstattung von Unterhaltsansprüchen für die Mutter der Beklagten, Frau I., in Anspruch.

Die 1915 geborene Mutter der Beklagten lebt seit 2005 in einem Seniorenheim. Sie ist nahezu erblindet und leidet zunehmend an Demenz. Da die Renteneinkünfte der Mutter i.H.v. 801,46 EUR nicht ausreichen um die monatlichen Kosten für das Seniorenheim abzudecken, gewährt die Klägerin der Mutter der Beklagten Hilfen i.H.v. insgesamt 702,13 EUR monatlich. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus 562,13 EUR an Hilfeleistungen und einem Pflegegeld von 140 EUR. Mit ihrem Schreiben vom 7.3.2008 hatte die Klägerin die Beklagte aufgefordert, Auskunft über ihre Einkommens und Vermögensverhältnisse zu erteilen.

Die Klägerin hat danach die Beklagten auf Zahlung eines monatlichen Betrages i.H.v. 105,81 EUR seit März 2008 in Anspruch genommen, für die Zeit von März 2008 bis April 2009 mithin auf insgesamt 1.481,34 EUR. Darüber hinaus macht die Klägerin ab Mai 2009 monatlich laufend 105,81 EUR geltend.

Hierzu hat sie vorgetragen, dass die Beklagte diesen Betrag aufbringen könne, da sie selbst zwar nur über ein Renteneinkommen von rund 1.190 EUR verfüge, zusammen mit der Rente ihres Ehemannes sich aber ein Familieneinkommen von rund 3.110 EUR ergäbe. Von den beiden Brüdern der Beklagten sei einer leistungsunfähig, der andere könne allenfalls 19,06 EUR aufbringen.

Das AG Wilhelmshaven - Familiengericht - hat die Beklagte mit Ausnahme der Zinsforderung antragsgemäß verurteilt.

Gegen das der Beklagten am 7.9.2009 zugestellte Urteil richtet sich ihre am 5.10.2009 eingegangene und am 9.11.2009 begründete Berufung.

Unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens wendet sich die Beklagte dagegen, dass die Klägerin die Einkommensverhältnisse ihrer Geschwister nicht hinreichend dargelegt und ihre eigenen Dienstleistungen für die Mutter nicht berücksichtigt habe.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des AG Wilhelmshaven vom 12.8.2009 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung.

II. Die zulässige Berufung ist begründet.

Der Klägerin steht kein Anspruch auf Ersatz der von ihr für die Mutter der Beklagten getragenen Kosten zu. Mangels eigener Rechte könnte sie einen Anspruch nur durchsetzen, wenn die Mutter von ihrer Tochter gem. §§ 1601 ff. BGB ergänzend Barunterhalt in der geltend gemachten Höhe verlangen könnte. Denn nur ein zivilrechtlich bestehender Anspruch kann zu einem Anspruchsübergang nach § 94 SGB XII führen (BGH FamRZ 2004, 1370. Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Holm, SGB XII, 17. Aufl., § 94 Rz. 51). Daran fehlt es jedoch, weil die Beklagte ihre Unterhaltspflicht durch die erbrachten Naturalleistungen umfassend erfüllt und damit keinen zusätzlichen Barunterhalt schuldet. Die Frage, ob die Geschwister der Beklagten ebenfalls noch zu Unterhaltsleistungen herangezogen werden könnten, kann daher auf sich beruhen. Die Klage hätte aber auch dann keinen Erfolg, wenn man von einem Anspruch auf ergänzenden Barunterhalt ausgeht, weil ein Übergang des Anspruchs dann daran scheitert, dass dies als eine für die Beklagte unbillige Härte i.S.v. § 94 Abs. 3 Nr. 2 SGB XII anzusehen wäre.

Im Einzelnen gilt Folgendes:

1. Für die Mutter der Beklagten besteht nach den Berechnungen der Klägerin ein Barbedarf von zurzeit 1.363,45 EUR. Dieser Bedarf ist i.H.v. 801,46 EUR durch die Renteneinkünfte der Mutter der Beklagten und i.H.v. 561,99 EUR durch nicht weiter aufgeschlüsselte Sozialleistungen der Klägerin gedeckt. Daneben leistet die Klägerin monatlich weitere 140 EUR, die nach den Erör...

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