Entscheidungsstichwort (Thema)

Ehescheidung in Deutschland trotz anderweitiger Rechtshängigkeit eines Scheidungsantrages vor einem ausländischen Gericht

 

Leitsatz (amtlich)

Die anderweitige Rechtshängigkeit eines Scheidungsantrags vor einem ausländischen Gericht steht einer Ehescheidung in Deutschland dann nicht entgegen, wenn feststeht, dass dieses Verfahren zu keiner im Inland anzuerkennenden Ehescheidung führen kann.

Der Zwang, an einer sog. "Get-Scheidung" in Israel mitzuwirken ist unvereinbar mit dem deutschen ordre public.

 

Normenkette

BGB § 1566; EGBGB Art. 6, 17

 

Verfahrensgang

AG Nordhorn (Urteil vom 12.09.2005; Aktenzeichen 11 F 212/98 S)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 28.05.2008; Aktenzeichen XII ZR 61/06)

 

Tenor

Die Berufung der Antragstellerin gegen das Urteil des AG - FamG - Nordhorn vom 12.9.2005 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die 1956 geborene Antragstellerin und der 1945 geborene Antragsgegner sind deutsche Staatsangehörige. Sie haben 1979 vor dem Rabbiner in N. (Israel) die Ehe geschlossen. Aus der Ehe sind zwei 1982 bzw. 1987 geborene Söhne hervorgegangen. Die Parteien hatten ihren letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland in der Gemeinde Ne. Seit 1994 lebt die Antragstellerin mit den Söhnen in Israel, der Antragsgegner lebt weiterhin in Deutschland.

Die Antragstellerin hat am 24.6.1998 beim AG - FamG - Nordhorn einen Antrag auf Scheidung der Ehe und Übertragung der elterlichen Sorge für die aus der Ehe hervorgegangen Söhne eingereicht, der dem Antragsgegner am 2.7.1998. zugestellt worden ist. Mit einem der Antragstellerin am 15.7.1998 zugestellten Schriftsatz hat der Antragsgegner seinerseits beantragt, die Ehe zu scheiden.

Nachdem bereits im Termin vom 27.9.2004 die Frage eines vor Rechtshängigkeit dieses Verfahrens in Israel eingeleiteten Scheidungsverfahrens erörtert worden war, hat die Antragstellerin im Termin vom 7.3.2005 vorgetragen, dass ein solches in Israel anhängig sei. Hierzu hat sie später eine eidesstattliche Versicherung vorgelegt, wonach sie im Jahre 1996 einen Scheidungsantrag beim Rabbinatsgericht gestellt habe. Ihr sei angeraten worden, diesen Antrag zurückzustellen bzw. zu verschieben, bis sich ihr Ehemann in Israel aufhalte. Über ihre Verfahrensbevollmächtigte hat sie weiter ausgeführt, dass der Antragsgegner diesem Antrag nicht zugestimmt und das Rabbinatsgericht daraufhin aufgrund ihres Antrags eine Friedensverhandlung zur Versöhnung der Ehe eingeleitet habe. Sie selbst sehe die Ehe als gescheitert an, wolle aber aufgrund ihres ersten Scheidungsantrags durch ein israelisches Gericht geschieden werden.

Der Beklagte hat vorgebracht, dass in Israel kein Scheidungsantrag, sondern im Jahr 1999 ein Antrag auf Aussöhnung gestellt worden sei.

Nach persönlicher Anhörung des Antragsgegners hat das AG - FamG - Nordhorn durch das am 12.9.2005 verkündete Urteil die Ehe vorab geschieden. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass eine anderweitige Rechtshängigkeit nicht festgestellt werden könne. Im Hinblick auf die mehr als 3-jährige Trennungszeit sei die Ehe zu scheiden. Eine Entscheidung über den Versorgungsausgleich erfolge zur Zeit nicht, weil die Antragstellerin nicht an der Aufklärung der bestehenden Rentenanwartschaften mitgewirkt habe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Antragstellerin.

Sie macht geltend, dass das Scheidungsverfahren unzulässig sei, weil seit 1996 ein Scheidungsantrag beim regionalen rabbinischen Gerichtshof in T. rechtshängig sei. Hierzu legt sie einen mit einer Apostille versehenen "Entscheid" dieses Gerichtshofs vom 2.10.2005 vor, in dem es u.a. heißt:

"Der Gerichtshof erklärt hiermit, dass ein Brand im Archiv des Gerichtshofes stattgefunden hat und die Akten vom Jahre 5756 (1996) vor etwa einem halben Jahr verbrannt sind.

Deshalb besteht keine Möglichkeit die Sache nach den Akten des Gerichtshofs zu beweisen, jedoch wurden dem Gerichtshof Aussagen vorgelegt, welche der Akte zugeführt wurden. Diesen Aussagen nach wurde dem Gerichtshof am 7. Tamuz 5756 (24/6/1996) ein Scheidungsantrag durch Frau E.M. ggü. ihrem Ehemann M.A. vorgelegt.

Wir besitzen keine Eintragung über die Vollendung des Verfahrens, deshalb muss davon ausgegangen werden dass das Scheidungsverfahren zwischen dem Ehepaar sich vor dem Gerichtshof befindet, Ende der Einreichung der Klage 24.6.1996."

Zu dem auf diesen Scheidungsantrag anberaumten Termin sei der Antragsgegner nicht erschienen und das Verfahren aufgrund seiner fehlenden Zustimmung zu der Scheidung in ein Sühneverfahren übergeleitet worden. Der Antragsgegner sei 1999 vorübergehend in Israel gewesen, habe das Land aber trotz eines gegen ihn gerichtlich verhängten Ausreiseverbots wieder verlassen. Sie selbst wolle nach israelischem Recht geschieden werden, weil eine Scheidung nach deutschem Recht bei einer religiös geschlossenen Ehe in Israel nicht anerkannt werde.

Die Antragstellerin beantragt, das Urteil des AG Nordhorn vom 12.9.2005 zu ...

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