Leitsatz (amtlich)

Keine verschuldete Versäumung der Frist für ein Rechtsmittel gegen die Kostenentscheidung eines Strafurteils, weil bei der Tenorierung "auf Kosten der Staatskasse freigesprochen" davon ausgegangen werden darf, dass auch die notwendigen Auslagen des Angeklagten von der Staatskasse getragen werden.

 

Verfahrensgang

LG Oldenburg (Aktenzeichen 12 Ns 106/01)

 

Tenor

  • 1.

    Der frühere Beschuldigte wird in den Stand vor Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen die Kostenentscheidung des Landgerichts wieder eingesetzt.

  • 2.

    Auf die sofortige Beschwerde des früheren Beschuldigten wird die Kostenentscheidung des Urteils des Landgerichts Oldenburg vom 9. Oktober 2001 (12 Ns 106/01) dahin geändert, dass die Kosten des Verfahrens der Staatskasse zur Last fallen, die auch die notwendigen Auslagen des Angeklagten zu tragen hat.

  • 3.

    Die Kosten der Wiedereinsetzung trägt der frühere Beschuldigte; die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die darin dem früheren Beschuldigten entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

 

Gründe

Der frühere Beschuldigte war vom Amtsgericht Oldenburg am 11. Mai 2001 wegen Diebstahls zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 20 DM verurteilt worden. Auf seine Berufung hat ihn das Landgericht Oldenburg am 9. Oktober 2001 auf Kosten der Staatskasse freigesprochen, ohne eine ausdrückliche Entscheidung darüber zu treffen, wer seine notwendigen Auslagen zu tragen hat.

Gegen die unterbliebene Auslagenentscheidung richtet sich die am 14. Juni 2002 beim Oberlandesgericht eingegangene sofortige Beschwerde des früheren Beschuldigten. Zugleich beantragt er Wiedereinsetzung in den Stand vor Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde.

Der Wiedereinsetzungsantrag ist zulässig und hat auch Erfolg.

Das Versäumen der Frist zur Einlegung einer sofortigen Beschwerde gegen die landgerichtliche Kostenentscheidung, nämlich das Unterbleiben der dem Angeklagten günstigen ausdrücklichen Auslagenentscheidung nach § 467 Abs. 1 StPO, ist nicht verschuldet im Sinne von § 44 Satz 1 StPO.

Ob dies hier gemäß § 44 Satz 2 StPO schon wegen der unterbliebenen Rechtsmittelbelehrung gilt, kann offen bleiben. Denn nach Lage des Falles gereicht es dem Angeklagten nicht zum Verschulden, wenn er und sein Verteidiger - wie ersichtlich - angesichts des Inhalts des freisprechenden Urteils des Landgerichts vom 9. Oktober 2001 davon ausgingen, dass auch die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse auferlegt worden seien, so dass von daher kein Anlass zur Einlegung eines Rechtsmittels gegen die Kostenentscheidung gegeben war.

Dass das Landgericht die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse auferlegen wollte, ergibt sich aus dem Urteilsausspruch "Der Angeklagte wird auf Kosten des Staatskasse freigesprochen" in Verbindung mit der Begründung der Kostenentscheidung "Die Kostenentscheidung folgt aus § 467 StPO". Denn diese Vorschrift sieht als Regel vor, dass die notwendigen Auslagen des freigesprochenen Angeklagten der Staatskasse in Gänze zur Last fallen; für das Vorliegen eines Ausnahmefalles lagen hier keinerlei Anhaltspunkte vor.

Allerdings muss der Wille des Gerichts auch im Urteil selbst seinen Ausdruck gefunden haben. Zwar wird die Auffassung vertreten, der Ausspruch "auf Kosten der Landeskasse freigesprochen" beinhalte keine Auferlegung der notwendigen Auslagen, vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Aufl. , § 467 Randnote 20. Ob dies zutrifft, ist allerdings durchaus fraglich. Denn - anders als etwa bei Tenorierungen "die Kosten trägt die Staatskasse" - ist bei der vorliegenden Formulierung "auf Kosten der Staatskasse freigesprochen" eine Auslegung dahin, dass der Freigesprochene mit keinerlei auf das Verfahren bezogenen notwendigen Unkosten aus der mit seinem Freispruch endenden Strafverfolgung belastet werden soll, sondern dass diese insgesamt vom Staat zu tragen sind, mindestens möglich, wenn nicht sogar naheliegend, vgl. auch OLG Düsseldorf, Rechtspfleger 1994, 315 m. w. Nachw. und OLG Köln, Juristisches Büro 1985, 1206. Dies gilt um so mehr, wenn das Gericht - wie hier - § 467 StPO ausdrücklich als Grundlage der Kostenentscheidung angeführt hat.

Erst nachdem das Landgericht mit Beschluss vom 29. April 2002 die vom Verteidiger beantragte Urteilsberichtigung abgelehnt hat, war für diesen erkennbar, dass ein Rechtsmittel gegen die Kostenentscheidung vonnöten war. Noch am Tage nach der Zustellung dieses Beschlusses - mithin rechtzeitig - hat er das Wiedereinsetzungsgesuch gestellt, das nach dem oben Ausgeführten auch begründet ist und dazu führt, dass der Angeklagte in den Stand vor Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen die unterbliebene Auslagenentscheidung im Urteil vom 9. Oktober 2001 einzusetzen war.

Diese sofortige Beschwerde ist mithin zulässig. Sie ist auch begründet. Die angefochtene Kostenentscheidung ist - zumindest klarstellend - gemäß § 467 Abs. 1 StPO dahin zu ändern, dass die notwendigen Auslagen des Angeklag...

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