Leitsatz (amtlich)

  • 1.

    Beim Tode des Angeklagten ist das Verfahren durch förmlichen Beschluss nach § 206a StPO einzustellen und über die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten nach §§ 464 Abs. 1, 467 StPO zu entscheiden.

  • 2.

    Ist der verstorbene Angeklagte in einer bis zur Schuldspruchreife durchgeführten Hauptverhandlung teilweise verurteilt und teilweise freigesprochen worden, kann das Gericht nach § 467 Abs. 3 Nr. 2 StPO davon absehen, seine notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen, soweit er verurteilt worden ist.

  • 3.

    Die Vollmacht des Verteidigers erlischt nicht automatisch mit dem Tode des Angeklagten. Nach §§ 168, 675, 672 BGB kann die Vollmacht jedenfalls dann als fortbestehend angesehen werden, wenn der Verteidiger zur Empfangnahme von zu erstattenden Auslagen ermächtigt worden ist.

    (Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung in NJW 1971, 2182)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Verteidigers Rechtsanwalt ####### aus ####### gegen den Beschluss der 6. großen Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts ####### vom 21. Februar 2002 wird mit der Maßgabe verworfen, dass die Staatskasse die notwendigen Auslagen des Angeklagten zu tragen hat, soweit er mit Urteil der 6. großen Wirtschaftsstrafkammer vom 15. Januar 2001 rechtskräftig freigesprochen worden ist.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

 

Gründe

I.

Das Landgericht ####### hat den - zeitweise - durch den Beschwerdeführer als Wahlverteidiger vertretenen Angeklagten mit Urteil vom 15. Januar 2001 wegen vorsätzlichen Bankrotts und Betruges unter Einbeziehung einer vorangegangenen Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt und ihn im übrigen freigesprochen. Dabei hat die Kammer die ursprünglich tatmehrheitlich angeklagten Einzelvorwürfe als eine Tat im Rechtssinne gewertet. Wegen zwei der mehr als zwanzig Vorwürfe hat die Kammer auf Freispruch erkannt und dies auch in der Kosten und Auslagenentscheidung entsprechend berücksichtigt (§§ 465 Abs. 1, 467 Abs. 1 StPO).

Gegen das Urteil haben Angeklagter und Staatsanwaltschaft Revision eingelegt. Die Staatsanwaltschaft hat ihre Revision zurückgenommen, bevor der Angeklagte am 1. September 2001 verstorben ist.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Kammer das Verfahren eingestellt, die Kosten des Verfahrens der Staatskasse zur Last gelegt und davon abgesehen, die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse aufzubürden.

Mit seiner sofortigen Beschwerde wendet sich der Verteidiger gegen die zu Lasten seines verstorbenen Mandanten getroffene Auslagenentscheidung.

II.

1.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig.

a.

Gegen die Entscheidung über die Kosten und notwendigen Auslagen ist die sofortige Beschwerde statthaft (§ 464 Abs. 3 S. 1 StPO); sie ist hier auch form- und fristgerecht eingereicht (§ 311 Abs. 2 StPO).

b.

Der Beschwerdeführer ist als Verteidiger des Angeklagten zur Einlegung der Beschwerde befugt.

Die ihm im März 2000 erteilte Strafprozessvollmacht ermächtigte ihn ausdrücklich auch "zur Empfangnahme von. . . der von der Justizkasse oder anderen Stellen zu erstatten- den Kosten und notwendigen Auslagen", mithin auch zur Geltendmachung der entsprechenden Ansprüche.

Diese Vollmacht ist mit dem Tode des Angeklagten nicht erloschen. Nach § 168 BGB bestimmt sich das Erlöschen der Vollmacht nach dem ihrer Entstehung zugrundeliegenden Rechtsverhältnis. Zwischen dem Strafverteidiger und seinem Mandanten besteht ein Geschäftsbesorgungsvertrag im Sinne des § 675 BGB (BGH NJW 1964, 2402), auf den § 672 BGB entsprechende Anwendung findet. Nach dieser Vorschrift erlischt der Auftrag im Zweifel nicht durch den Tod des Auftraggebers. Nach dem Tode des Angeklagten sind in der Regel Kosten des Verteidigers zu regeln, nach der im folgenden vertretenen Auffassung insbesondere auch Erstattungsansprüche der Erben gegenüber der Staatskasse. Bei dieser Interessenlage erscheint es gerechtfertigt, die Vollmacht des Verteidigers über den Tod des Auftraggebers hinaus als fortbestehend i. S. d. § 168 BGB anzusehen (s. a. OLG Hamm NJW 1978, 177; OLG Hamburg NJW 1971, 2183). Die - auch hier früher vertretene - Gegenmeinung (OLG Celle NJW 1971, 2182; Lüderssen in LR, StPO, 25. Aufl. § 138 Rdn. 18 m. w. N. ) geht davon aus, dass das Strafverfahren mit dem Tod des Angeklagten von selbst endet und weitere Entscheidungen über Kosten und Auslagen nicht zu treffen sind. Dieser Auffassung vermag sich der Senat aus den nachfolgenden Gründen nicht (mehr) anzuschließen.

2.

Die Beschwerde ist in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang begründet, im übrigen unbegründet. Nach § 467 Abs. 1 StPO fallen die dem Angeklagten entstanden notwendigen Auslagen der Staatskasse zu Last, soweit er mit Urteil vom 15. Januar 2001 freigesprochen worden ist. Soweit er verurteilt worden ist, hat die Kammer nach § 467 Abs. 3 Nr. 2 StPO zu Recht davon abgesehen, der Staatskasse seine notwendigen Auslagen aufzuerlegen.

a.

Im Falle des Todes des Angeklagten wäh...

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