Leitsatz (amtlich)

Aus der Gesamtschau der objektiven Umstände in der Entwicklung der Beziehung zwischen einer getrenntlebenden Ehefrau und ihrem neuen Lebensgefährten, die auch durch das Auftreten als Paar bereits eine Eheähnlichkeit entwickelt hatte, kann eine verfestigte Lebensgemeinschaft i.S.v. §§ 1361 Abs. 3, 1579 Nr. 2 BGB auch schon vor Ablauf von 2 Jahren mit dem Einzug in die Wohnung des Lebensgefährten anzunehmen sein.

 

Verfahrensgang

AG Cloppenburg (Beschluss vom 11.05.2016; Aktenzeichen 11 F 349/15 UE)

 

Tenor

Der Senat beabsichtigt, ohne mündliche Verhandlung gemäß § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des AG Familiengericht Cloppenburg vom 11.5.2016 zurückzuweisen sowie auf die Anschlussbeschwerde des Antragsgegners vorgenannten Beschluss dahingehend zu ändern, dass der Antrag der Antragstellerin zurückgewiesen wird.

Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme oder Rücknahme des Rechtsmittels unter Kostengesichtspunkten binnen zwei Wochen.

 

Gründe

Der Senat lässt sich bei seiner Absicht, nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG zu verfahren, von folgenden Überlegungen leiten:

Eine mündliche Verhandlung hat bereits in erster Instanz stattgefunden. Weitere Erkenntnisse sind nicht zu erwarten.

Durch hiermit vollinhaltlich in Bezug genommenen Beschluss vom 11.5.2016 hat das AG unter Zurückweisung des Antrags im Übrigen den Antragsgegner verpflichtet, an die Antragstellerin 4.271,16 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1.1.2016 zu zahlen. Hiergegen wenden sich die Antragstellerin mit ihrer zulässigen, insbesondere formund fristgerecht eingelegten Beschwerde sowie der Antragsgegner mit seiner ebenfalls zulässigen Anschlussbeschwerde. Hinsichtlich der Begründungen wird auf die Beschwerdebegründung der Antragstellerin vom 6.7.2016 und die Begründung der Anschlussbeschwerde des Antragsgegners vom 1.7.2016 Bezug genommen. Die Antragstellerin begehrt die Verpflichtung des Antragsgegners zur Zahlung weiterer 6.150,70 Euro Trennungsunterhalt nebst Zinsen, der Antragsgegner die vollständige Zurückweisung des Antrags der Antragstellerin auf Zahlung von Trennungsunterhalt.

Die Beschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg; auf die Anschlussbeschwerde ist der angefochtene Beschluss dahingehend zu ändern, dass der Antrag der Antragstellerin auf Zahlung von Trennungsunterhalt in vollem Umfang zurückgewiesen wird.

Das AG hat der Antragstellerin Trennungsunterhalt für den Zeitraum März 2014 bis einschließlich April 2015 in Höhe von insgesamt 4.271,16 Euro zugesprochen und ist ab Mai 2015 von einer Verwirkung nach §§ 1361 Abs. 3, 1579 Nr. 2 BGB ausgegangen. Ein Unterhaltsanspruch der Antragstellerin ist nach dieser Vorschrift jedoch bereits ab März 2014 zu versagen, dem Monat, in dem sie mit ..., dem gemeinsamen Sohn der Beteiligten, zu Herrn ... in dessen Haus in ... gezogen ist.

Mit §§ 1361 Abs. 3, 1579 Nr. 2 BGB stellt die verfestigte Lebensgemeinschaft einen eigenständigen Härtegrund dar. Hierdurch wird kein vorwerfbares Fehlverhalten des Unterhaltsberechtigten sanktioniert. Vielmehr ist es Zweck der Vorschrift, rein objektive Gegebenheiten bzw. Veränderungen in den Lebensverhältnissen des bedürftigen Ehegatten zu erfassen, die eine dauerhafte Unterhaltsleistung unzumutbar erscheinen lassen. 1579 Nr. 2 BGB legt nicht fest, ab wann von einer verfestigten Lebensgemeinschaft auszugehen ist, sondern der Gesetzgeber hat ausdrücklich auf die hierzu ergangene Rechtsprechung zu § 1579 Nr. 7 BGB a.F. Bezug genommen (vgl. BGH FamRZ 2011, 14981503). Eine verfestigte Lebensgemeinschaft kann danach insbesondere angenommen werden, wenn objektive, nach außen tretende Umstände wie etwa ein über einen längeren Zeitraum hinweg geführter gemeinsamer Haushalt, das Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit, größere gemeinsame Investitionen wie der Erwerb eines gemeinsamen Familienheims oder die Dauer der Verbindung den Schluss auf eine verfestigte Lebensgemeinschaft nahelegen. Entscheidend ist darauf abzustellen, dass der unterhaltsberechtigte (frühere) Ehegatte eine verfestigte neue Lebensgemeinschaft eingegangen ist, sich damit endgültig aus der ehelichen Solidarität herauslöst und zu erkennen gibt, dass er diese nicht mehr benötigt (vgl. BGH a.a.O.). Allerdings kann eine unterhaltsverwirkende "Abkehr" aus der Ehe allenfalls und erst dann angenommen werden kann, wenn die neue Beziehung einen gewissen Grad der Verfestigung erreicht hat (vgl. OLG Oldenburg NJW 2012, 24502452).

Mit Herrn ... unterhält die Antragstellerin unstreitig spätestens seit April/Mai 2013 eine Liebesbeziehung; bereits das Osterfest 2013 feierten die beiden zusammen. Im August 2013 verbrachten die Antragstellerin und Herr ... einen gemeinsamen Urlaub in ... Auch nahm Herr ... im Laufe des Jahres 2013 mit Zustimmung der Antragstellerin die Rolle eines Ersatzvaters für ... ein und nahm beispielsweise an Gesprächen mit Mitarbeitern des Jugendamtes teil. Ferner bezeichnete ... Herrn ... bereits in di...

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