Tatbestand

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 ZPO abgesehen.

In seinem Berufungsantrag hat der Kläger ausdrücklich klargestellt, daß der von ihm geforderte Schmerzensgeldbetrag eine eventuelle Einschränkung der Zeugungs- und sexuellen Erlebnisfähigkeit nicht berücksichtigt.

Eine Beweisaufnahme hat im zweiten Rechtszug nicht stattgefunden.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig, jedoch nur zum Teil begründet.

I.

1) Der Anspruch des Klägers auf Schmerzensgeld ist dem Grunde nach unstreitig; das hat der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten in der letzten mündlichen Verhandlung noch einmal klargestellt (Protokoll S. 2). Der beklagte Kinderarzt hatte Anfang Februar 1995 bei der Behandlung des damals 5jährigen Klägers nicht erkannt, daß es zu einer linksseitigen Hodentorsion gekommen war. Der Diagnosefehler hatte zur Folge, daß der linke Hoden des Klägers abstarb und nicht mehr weiterwuchs.

2) Streitig ist jedoch die Höhe des Schmerzensgeldanspruchs. Während sich der Kläger, gesetzlich vertreten durch seine Eltern, insgesamt mehr als 30.000 DM vorstellt, hält der Beklagte die bereits gezahlten 20.000 DM für ausreichend. Vorprozessual hatte die Haftpflichtversicherung des Beklagten ein Vergleichsangebot über 25000 DM unterbreitet; damit war jedoch der Kläger nicht einverstanden.

Nach nochmaliger Abwägung aller Gesichtspunkte hält der Senat gegenwärtig (vgl. unten 3) ein Schmerzensgeld von 25.000 DM für erforderlich, aber auch ausreichend.

a) Zur Begründung kann zunächst auf die Ausführungen des angefochtenen Urteils und die dort angestellten Überlegungen Bezug genommen werden.

b) Anders als möglicherweise das Landgericht (die Ausführungen sind in diesem Punkt etwas unklar) hält aber der Senat den Umstand, daß der Kläger den Beginn seiner sexuellen Aktivitäten erst noch vor sich hat, nicht für schmerzensgeldmindernd, sondern eher für schmerzensgelderhöhend. Denn die körperlichen und psychischen Beeinträchtigungen, zu denen das Absterben des linken Hodens geführt hat oder noch führen könnte, machen sich bei einem Verletzten, dem dieses Mißgeschick bereits als Kind zustößt, über einen längeren Zeitraum bemerkbar als bei jemandem, den das gleiche Schicksal erst im fortgeschrittenen Alter trifft.

c) Darüber hinaus gewichtet der Senat die psychischen Belastungen des Klägers stärker, als dies im landgerichtlichen Urteil zum Ausdruck kommt.

Der Ausfall eines von paarigen Organen macht der Verlust auch des zweiten Organs zu einer ständigen Bedrohung (vgl. BGH NJW 1980, 2751/2753 = VersR 1980, 940/941). Auch wenn es zum Verlust des verbleibenden Organs wahrscheinlich nie kommen wird, die Gefahr besteht jedenfalls und der Kläger wird sich ihrer auch in Zukunft bewußt sein, zumindest unterschwellig.

Hinzu kommt die Ungewißheit, ob und wie sich der Ausfall des abgestorbenen Hodens auf die Zeugungsfähigkeit und die sexuelle Erlebnisfähigkeit auswirken wird. Zwar sind die beiden letztgenannten Gesichtspunkte (Verlust der Zeugungsunfähigkeit und der sexuellen Erlebnisfähigkeit) vom Schmerzensgeldantrag ausdrücklich ausgeklammert, weil sich die weitere Entwicklung gegenwärtig noch nicht absehen läßt. Schon die Ungewißheit aber bedeutet für den Kläger eine zusätzliche psychische Belastung, die in die Bemessung des Schmerzensgeldes einfließen muß.

3) Da die Versicherung des Beklagten außergerichtlich bereits 20.000 DM gezahlt hat, stehen dem Kläger weitere 5.000 DM Schmerzensgeld zu.

Zur Klarstellung wird darauf hingewiesen, daß der Senat - ebenso wie das Landgericht und der Klageantrag - gegenwärtig nicht davon ausgeht, daß die künftige Zeugungsfähigkeit und sexuelle Erlebnisfähigkeit des Klägers durch den Ausfall des linken Hodens wesentlich beeinträchtigt sein werden. Infolgedessen hat der Senat diese Gesichtspunkte bei der Bemessung des Schmerzensgeldes nicht herangezogen. Berücksichtigt wurden insoweit lediglich die psychischen Belastungen, die sich für den Kläger aus der Ungewißheit ergeben, wie es um seine Zeugungsfähigkeit und seine sexuelle Erlebnisfähigkeit in Zukunft bestellt sein wird (vgl. 2 c).

4) Die Pflicht der Beklagten zur Verzinsung des Entschädigungsanspruchs ergibt sich aus § 284 Abs. 1 Satz 2, §§ 291, § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, §§ 711, 713 ZPO, die Festsetzung der Beschwer auf § 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2677817

MedR 1998, 25

VersR 1998, 594

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