Leitsatz (amtlich)

1. Stellt sich im Prozess die Frage der Gutgläubigkeit des auf Herausgabe einer Sache verklagten Besitzers, der sich auf einen Eigentumserwerb durch Ersitzung beruft, so hat der Besitzer im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast zu den näheren Umständen des Erwerbs seines Eigenbesitzes vorzutragen.

2. Mit unzureichend erläuterten wechselnden Angaben zu den näheren Umständen des Besitzerwerbs, die teilweise unzutreffend sind, genügt der Besitzer seiner sekundären Darlegungslast nicht.

3. Eine Beweiserhebung mit dem Ziel, den unzureichenden Sachvortrag gegebenenfalls durch das Beweisergebnis zu ergänzen, kommt nicht in Betracht.

4. Genügt der Besitzer seiner sekundären Darlegungslast nicht, hat dies die Geständniswirkung des § 138 Abs. 3 ZPO zur Folge.

 

Normenkette

BGB § 937 Abs. 1-2, § 1000 Abs. 2; ZPO § 138 Abs. 3

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Ansbach vom 11.09.2015, Az. ..., abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt, die Freigabe der bei dem Amtsgericht Ansbach - Hinterlegungsstelle - unter dem Az. ... hinterlegten Gemälde von Hans Purrmann "Frau im Sessel" und "Blumenstrauß" an den Kläger zu bewilligen.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 100.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten mit Klage und Hilfswiderklage um die Bewilligung der Freigabe von zwei Gemälden, die seit dem 09.03.2010 bei dem Amtsgericht Ansbach unter dem Az. ... hinterlegt sind und bei denen es sich jeweils um Originalgemälde des 1966 verstorbenen Malers Hans Purrmann handeln soll. Das eine Bild soll das Original des Gemäldes "Bildnis Mathilde Vollmoeller" von Hans Purrmann aus dem Jahr 1924/1925 sein. Vorstehende Bezeichnung des Originalgemäldes entspricht derjenigen in dem von C. L. und F. B. herausgegebenen Werkverzeichnis der Gemälde, Band I, S. 293, Nr. 1924/45 (Archiv-Nr. 336). Bildmotiv ist eine Frau im Sessel mit einem Buch. Das andere Bild soll das Original des Gemäldes "Sommerstrauß" von Hans Purrmann aus dem Jahr 1939 sein. Vorgenannte Bezeichnung des Originalgemäldes entspricht derjenigen in dem von C. L. und F. B. herausgegebenen Werkverzeichnis der Gemälde, Band II, S. 58, Nr. 1939/24 (Archiv-Nr. 835). Bildmotiv ist ein Blumenstrauß in einer blauen Vase.

Der Kläger und seine Schwester C. B. sind Enkel des Malers. Ihre Mutter C. S., geb. Purrmann, ist eine Tochter des Malers. Bei der Frau im Sessel soll es sich um die Frau des Malers und die Großmutter des Klägers handeln. Der Kläger trägt vor, dass die hinterlegten Gemälde neben weiteren Bildern bei einem Einbruch in das Anwesen seiner Eltern im Jahr 1986 entwendet worden seien.

Der Beklagte ist Autoteile-Großhändler und hat keine besonderen Kunstkenntnisse. Er trägt vor, die hinterlegten Gemälde von seinem 1993 verstorbenen Stiefvater erhalten zu haben.

Das Landgericht Ansbach hatte mit Endurteil vom 11.09.2015 die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Die Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben.

Betreffend den Sach- und Streitstand bis zum Berufungsurteil wird auf Punkt A der Gründe des Urteils des 12. Senats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 06.09.2017 samt der dortigen Bezugnahmen verwiesen (Bl. 201 ff. d. A.).

Mit Urteil vom 19.07.2019, Az. V ZR 255/17 (im Folgenden Revisionsurteil), hat der Bundesgerichtshof auf die Revision des Klägers das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an einen anderen Senat des Berufungsgerichts zurückverwiesen. Zur Begründung wird im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Das Berufungsgericht werde von Amts wegen nach § 144 Abs. 1 Satz 1 ZPO ein Sachverständigengutachten zur Echtheit der hinterlegten Bilder einzuholen haben, d. h. zu der Behauptung des Klägers, dass es sich um die Originale der von dem Maler Hans Purrmann in den Jahren 1924 bzw. 1937 (gemeint ist wohl: 1939) gefertigten Bilder "Frau im Sessel" und "Blumenstrauß" handele, wenn ihm die von dem Kläger zum Beweis dieser Tatsachenbehauptung angeführten Urkunden aus der beigezogenen Akte des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens nicht ausreichen sollten (Revisionsurteil, Rn. 18 f., 59).

Das Berufungsgericht überspanne die Anforderung an den Beweis des Abhandenkommens der hinterlegten Gemälde. Aufgrund der zahlreichen von dem Kläger angeführten Indizien und Belege aus der von dem Berufungsgericht beigezogenen Ermittlungsakte spreche vieles dafür, dass der Kläger den Diebstahl der Originalgemälde aus dem Wohnhaus seiner Eltern im Jahre 1966 bewiesen habe...

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