Leitsatz (amtlich)

1. § 651 Satz 1 BGB gilt uneingeschränkt nur für den Verbrauchsgüterkauf. Die rechtliche Einordnung von Verträgen, die die Herstellung und Lieferung von Investitionsgütern zum Gegenstand haben, richtet sich nach dem Schwerpunkt der vertraglichen Leistung.

2. Übernimmt der Auftragnehmer die Verpflichtung, eine technisch komplexe Sache eigens für die im Wesentlichen funktional definierten Bedürfnisse des Auftraggebers herzustellen, so richten sich etwaige Gewährleistungsansprüche nach Werkvertragsrecht. § 377 HGB ist in diesem Fall nicht anwendbar.

 

Normenkette

BGB § 651; HGB § 377

 

Verfahrensgang

LG Weiden i.d.OPf. (Urteil vom 19.11.2007; Aktenzeichen HKO 21/07)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 23.07.2009; Aktenzeichen VII ZR 151/08)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des LG Weiden i.d.OPf. - Kammer für Handelssachen - vom 19.11.2007 wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch die Klägerin durch Sicherheitsleistung i.H.v. 250.000 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

A. Die Klägerin macht gegen die Beklagte Gewährleistungsansprüche geltend, die sie aus einem Vertrag über die Herstellung und Lieferung eines Lagersystems herleitet.

Am 2.3.2004 bestellte die Klägerin bei der Beklagten eine Siloanlage für Agrarprodukte, die aus 14 nebeneinander angeordneten Boxen bestand. Dieses Lagersystem war für einen in S. ansässigen Kunden der Klägerin bestimmt und sollte zur Einlagerung von sog. Graspellets verwendet werden. Die Montage sollte durch die Klägerin auf einem von dem Endkunden vorzubereitenden Fundament erfolgen. Bezüglich der weiteren Einzelheiten, des Vortrags der Parteien in erster Instanz und der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des Ersturteils (Seiten 3 bis 6) Bezug genommen.

Das LG Weiden i. d. OPf. hat mit Endurteil vom 19.11.2007, auf dessen Entscheidungsgründe im Übrigen Bezug genommen wird, der Klage in vollem Umfang stattgegeben.

Die Beklagte verfolgt mit ihrer Berufung ihren in erster Instanz gestellten Klageabweisungsantrag weiter. Dabei zieht sie nicht mehr in Zweifel, dass die von ihr gelieferten Silozellen aufgrund einer unzureichenden Tragwerksplanung nicht hinreichend standfest sind und deshalb einen Sachmangel aufweisen. Sie ist jedoch der Auffassung, für die Planung der Siloanlage nicht umfassend verantwortlich gewesen zu sein. Die von ihr vorzulegende prüffähige Statik habe nur den Zweck gehabt, dem Endkunden die Berechnung und Dimensionierung der von ihm zu erstellenden Fundamente zu ermöglichen. Im Übrigen seien die geltend gemachten Gewährleistungsansprüche nach § 377 HGB ausgeschlossen, weil die Klägerin die gelieferte Ware nicht unverzüglich untersucht und die vorhandenen Mängel nicht mit der gebotenen Eile angezeigt habe. Bei dem streitgegenständlichen Vertrag handele es sich um einen Handelskauf, der eine entsprechende Untersuchungs- und Rügepflicht der Klägerin ausgelöst habe. Ein selbständiger Beratungsvertrag sei zwischen den Parteien nicht zustande gekommen. Hilfsweise habe sich die Klägerin ein erhebliches Mitverschulden anrechnen zu lassen. Ziff. I. des Urteilstenors sei unzulässig, weil der Beklagten im Falle des Bestehens einer Nacherfüllungsverpflichtung nicht vorgeschrieben werden könne, wie sie dieser Verpflichtung nachzukommen habe. Schließlich bestünden auch gegen den Feststellungsausspruch prozessuale Bedenken. Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung der Beklagten vom 19.3.2008 (Seiten 4 bis 9) Bezug genommen. In einem nachgelassenen Schriftsatz hat die Beklagte ihre Ausführungen zur Rechtsnatur des

abgeschlossenen Vertrages vertieft und dargelegt, dass nach ihrer Meinung ein Werklieferungsvertrag vorliege, auf den deshalb nach § 381 Abs. 2 HGB die Vorschrift des § 377 HGB Anwendung finde. Die Beklagte habe lediglich standardisierte Bauteile aus ihrer Produktpalette geliefert und keinerlei Montageverpflichtung übernommen. Die Montage auf dem von dem russischen Endkunden vorbereiteten Fundament sei allein Sache der Klägerin gewesen. Für die Annahme eines Werkvertrages sei deshalb kein Raum. Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 19.5.2008 (Seiten 4 bis 7) Bezug genommen.

Die Beklagte hat beantragt, auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der Kammer für Handelssachen des LG Weiden i. d. OPf. vom 19.11.2007 - HKO 21/07 - im Kostenpunkt aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin hat beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angegriffene Ersturteil. Nach ihrer Auffassung war die Beklagte aufgrund des zwischen den Parteien abgeschlossenen Vertrages sehr wohl verpflichtet, die Siloanlage vollständig zu planen. Die Bestimmung des § 377 HGB sei nicht anwendbar, weil es sich bei dem streitgegenständlichen Vertragsverhältn...

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