Leitsatz (amtlich)

1. Voreinzahiungen auf eine künftige Kapitalerhöhung tilgen die spätere Einlageschuld des Gesellschafters grundsätzlich nur dann, wenn die vorab eingezahlten Mittel im Zeitpunkt des Kapitalerhöhungsbeschlusses der Gesellschaft noch unverbraucht zur Verfügung stehen.

2. Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen Voreinzahlungen auf eine künftige Kapitalerhöhung die spätere Einlageschuld des Gesellschafters auch dann tilgen, wenn die vorab eingezahlten Mittel im Zeitpunkt des Kapitalerhöhungsbeschlusses der Gesellschaft nicht mehr zur Verfügung stehen.

3. Ein aus einer "fehlgeschlagenen" Voreinzahlung auf eine künftige Kapitalerhöhung resultierender Bereicherungsanspruch des Gesellschafters (§ 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BGB) kann als verdeckte Sacheinlage (§ 19 Abs. 4 Satz 1 GmbHG) nur dann auf die Einlageschuld des Gesellschafters gem. § 19 Abs. 4 Sätze 3 bis 5 GmbHG angerechnet werden, wenn er vollwertig, fällig und liquide ist. Dies ist nicht der Fall, wenn einem solchen Anspruch die Einrede des Wegfalls der Bereicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) oder der Kapitalerhaltungsgrundsatz des § 30 GmbH entgegengehalten werden kann.

4. Eine Zahlung des Gesellschafters auf eine Kapitalerhöhung, die von der Gesellschaft absprachegemäß umgehend an einen Gläubiger des Inferenten zur Tilgung von dessen Schuld weitergeleitet wird, kann unter dem Gesichtspunkt einer Umgehung der Kapitalaufbringungsregeln (unzulässiges Hin- und Herzahlen) gem. § 19 Abs. 5 GmbHG die Einlageschuld des Gesellschafters nicht erfüllen.

 

Normenkette

GmbHG § 14 S. 1, § 19 Abs. 4-5; EGGmbHG § 3 Abs. 4

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Urteil vom 21.07.2009; Aktenzeichen 2 HK O 7227/07)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 10.07.2012; Aktenzeichen II ZR 212/10)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Teilurteil des LG Nürnberg-Fürth vom 21.7.2009 - 2 HKO 7227/07, abgeändert:

Die Beklagten zu 1), zu 2) und zu 4) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 926.701,38 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 4 %seitdem 11.10.2000 zu zahlen.

2. Die Beklagten zu 1), zu 2) und zu 4) haben als Gesamtschuldner die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten können die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 926.701,38 EUR festgesetzt.

 

Gründe

A. Der Kläger begehrt als Insolvenzverwalter Zahlung einer mit Kapitalerhohungsbeschluss der In-soivenzschuldnerin vom 11.10.2000 aufgestockten Stammeinlage. Die Beklagten sind Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die seinerzeit alleinige Gesellschafterin der Insolvenzschuldnerin war und den Erhöhungsbetrag übernommen hatte. Die Parteien streiten darum, ob im Zusammenhang mit der Kapitalerhöhung geflossene Geldbeträge zu einer Erfüllung der entsprechenden Zahlungspflicht der Beklagten geführt haben.

Der Beklagte zu 1) ist Rechtsanwalt (vgl. Anlage K2b), der Beklagte zu 2) ist Werkzeugmachermaster, der vormals selbständige Beklagte zu 4) ist arbeitslos. Der - im Berufungsverfahren nicht beteiligte - Beklagte zu 3) hält sich in Polen auf.

Die Beklagten sind Gesellschafter der am 28.8.2000 gegründeten J. GbR" [im Folgenden auch als AB GbR bezeichnet], einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit dem Zweck des Erwerbs und Haltens der Geschäftsanteile der A. GmbH (der späteren InsolvenzschukJnerin).

Die Beklagten sind weiterhin an der zur T. Firmengruppe gehörenden T. Kunststofftechnik GmbH & Co. KG [im Folgenden auch als T. bezeichnet], einer Schwestergesellschaft der A. GbR, beteiligt.

Die Insolvenzschuldnerin, eine GmbH, wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 20.7.1995 unter der ... gegründet und am 31.8.1995 im Handelsregister des AG Nürnberg unter HRB 13442 eingetragen. Geschäftsgegenstand war der Betrieb von Anlagen zur technischen Entwicklung und Herstellung von Kunststoff- und Leichtmetallprodukten, insbesondere für die Automobilindustrie. Das Stammkapital der Gesellschaft betrug zunächst 50.000 DM und-nach Kapitalerhöhung mit Beschluss vom 1.9.1995, eingetragen in das Handelsregister am 28.12.1995 - 60.000 DM.

Alleinige Gesellschafterin dieser GmbH war - zunächst mit einem Geschäftsanteil von 50.000 DM und nach Kapitalerhöhung mit einem weiteren Geschäftsanteil von 10.000 DM- die Alumetall Gesellschaft mbH Leichtmetallgießerei-Kunststoffverarbeitung. Diese Gesellschafterin verschmolz mit Wirkung vom 31.1.1996 auf die W. AG, B.BI im Wege der Verschmelzung durch Aufnahme. Diese neue Gesellschafterin verkaufte und übertrug ihrerseits mit notarieller Urkunde "Verkauf und Abtretung von Geschäftsanteilen" vom 27.12.1996 (Anlage K2a) sämtliche Geschäftsanteile der (späteren) Insolvenzschuldnerin an Frau U., die damit neue alleinige Gesellschafterin der GmbH wurde. Diese firmierte mit Beschluss vom 24.8.1998, eingetra...

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