Leitsatz (amtlich)

1. Sehen die "Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte" vor, dass die Bank ihre Kundenaufträge zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren im außerbörslichen Handel als Kommissionär ausführt und für die ordnungsgemäße Erfüllung des Ausführungsgeschäfts durch ihren Vertragspartner haftet, begründet dies eine Delkrederehaftung der Bank gegenüber dem Kunden gem. § 394 Abs. 1 HGB.

2. Die Inanspruchnahme des Kommissionärs durch seinen Kunden aus der Delkrederehaftung auf Schadensersatz (hier: Ersatz des entgangenen Gewinns) setzt voraus, dass eine wirksame Verbindlichkeit des Wertpapieremittenten gegenüber dem Kommissionär besteht (§ 394 Abs. 2 Satz 1 HGB). Hieran fehlt es, wenn der Emittent aufgrund einer wirksamen Mistraderegelung zur Stornierung des Ausführungsgeschäfts über den An- oder Verkauf von Wertpapieren befugt war.

3. Bei der Überprüfung, ob der vom Emittenten gestellte Wertpapierkurs marktfern im Sinne der vereinbarten Mistraderegelung war, ist zur Ermittlung des marktgerechten Preises die vom Emittenten bei der Preisstellung verwendete finanzmathematische Methode (hier: Black und Scholes-Formel) zugrunde zu legen. Der Bankkunde kann nicht damit gehört werden, dass andere Formeln zu gerechteren Ergebnissen führen würden.

4. Der Kommittent kann einen Anspruch gegen den Kommissionär auf Ersatz des entgangenen Gewinns nicht darauf stützen, dieser habe seine Pflichten aus dem Kommissionsvertrag zur Wahrung der Interessen des Kommittenten vor bzw. bei Abschluss des Ausführungsgeschäfts verletzt, indem er dem Emittenten ein einseitiges Recht zur Stornierung des Wertpapiergeschäfts eingeräumt habe, das keine dem § 122 BGB entsprechende Schadensersatzregelung enthält. Denn eine solche Pflichtverletzung könnte nur einen Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens begründen (Anschluss an BGH, Urt. v. 25.6.2002 - XI ZR 239/01, NJW-RR 2002, 1344, Rz. 22 nach juris).

5. Der Kommittent kann einen Anspruch gegen den Kommissionär auf Ersatz des entgangenen Gewinns auch nicht darauf stützen, dieser habe seine Pflichten aus dem Kommissionsvertrag zur Wahrung der Interessen des Kommittenten nach Abschluss des Ausführungsgeschäfts verletzt, indem er die Berechtigung des Emittenten zur Stornierung des Wertpapiergeschäfts nicht überprüft habe. Diese Prüfung betrifft nämlich die Durchsetzung der Ansprüche aus dem Ausführungsgeschäft. Zur Durchsetzung solcher Ansprüche ist der Kommissionär aber nicht verpflichtet.

6. Eine solche Pflichtverletzung wäre auch nicht kausal für den durch entgangenen Gewinn entstandenen Schaden des Kommittenten. Das Stornierungsrecht stellt ein einseitiges Gestaltungsrecht des Wertpapieremittenten dar, für dessen Ausübung es auf ein Einverständnis des Kommissionärs nicht ankommt. Ein Interesse des Kommittenten auf Überprüfung der Voraussetzungen des Stornierungsrechts durch den Kommissionär ist somit nicht erkennbar.

7. Allerdings kann der Kommissionär etwaige Schäden des Kommittenten im Wege der Drittschadensliquidation vom Emittenten ersetzt verlangen und ist dem Kommittenten gegenüber zur Abtretung solcher Schadens-ersatzansprüche verpflichtet.

 

Normenkette

HGB §§ 383-384, 392, 394; BGB §§ 122, 252, 275, 280, 283

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Urteil vom 25.01.2007; Aktenzeichen 10 O 8762/05)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des LG Nürnberg-Fürth vom 25.1.2007 wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens (einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Nebenintervenientin der Beklagten) zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziff. I. genannte Urteil des LG Nürnberg-Fürth ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird (entsprechend demjenigen der ersten Instanz) auf 70.846,74 EUR festgesetzt.

 

Gründe

A. Der Kläger beansprucht Schadensersatz wegen entgangenen Gewinns aufgrund der Aufhebung eines Wertpapierkaufvertrages durch die Streithelferin der Beklagten wegen eines behaupteten Mistrades.

Am 14.8.2002 orderte der Kläger per Internet über die Homepage der Z., deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist (fortan Beklagte), in der Zeit zwischen 09:05:55 und 9:08:55 Uhr in 5 Tranchen insgesamt 189.500 (ausschließlich) von der Streithelferin emittierte - außerbörslich gehandelte - Kaufoptionsscheine auf den Deutschen Aktienindex (KOS 02/14.8.2002 DAX 3.600; WKN 681820) zu einem online angegebenen Kurs von 0,025 EUR. Die Beklagte leitete diese Order per Computer automatisch an die Streithelferin weiter, die ihrerseits der Beklagten meldete, dass sie das Geschäft angenommen habe. Die Beklagte übersandte daraufhin dem Kläger per E-Mail eine Wertpapierabrechnung.

Um 9.22 Uhr reklamierte de...

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