Leitsatz (amtlich)

1. Es stellt einen Mangel eines verkauften Grundstücks dar, wenn es an der baurechtlich gesicherten Befugnis für die vertraglich vorausgesetzte gewerbliche Nutzung fehlt. Die baurechtlich gesicherte Befugnis besteht nicht, wenn trotz kaufvertraglich zugesagten Bestandsschutzes durch die Gemeinde deren Baubehörde von einer Nutzungsänderung ausgeht und dafür eine Baugenehmigung verlangt.

2. Bei der Prüfung, ob arglistiges Verhalten vorliegt, muss sich eine Gemeinde Kenntnisse ihrer Bauordnungsbehörde auch dann zurechnen lassen, wenn Mitarbeiter der Liegenschaftsabteilung beim Verkauf hiervon keine Kenntnis haben.

 

Normenkette

BGB § 434 Abs. 1, § 444

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Urteil vom 01.03.2012; Aktenzeichen 4 O 6207/11)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des LG Nürnberg-Fürth vom 1.3.2012 teilweise abgeändert. Es wird festgestellt, dass die Beklagte den Schaden zu ersetzen hat, welcher der Klägerin dadurch entsteht, dass sie für das Anwesen W 1 in X (FlNr ... und ..., Gemarkung X) eine bauaufsichtliche Genehmigung zur Änderung in eine gewerbliche Nutzung einholen und die sich aus der die gewerbliche Nutzung gestattenden Genehmigung ergebenden Auflagen und Bedingungen baulich umsetzen muss.

II. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 8.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht gegenüber der Beklagten Ansprüche aus kaufrechtlicher Gewährleistung hinsichtlich eines Grundstückskaufvertrages geltend.

Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Das LG hat die Klage in Ziff. 2 des ursprünglichen Klageantrags teilweise zuerkannt und festgestellt, dass die Beklagte den Schaden zu ersetzen hat, welcher der Klägerin dadurch entsteht, dass sie für das Anwesen W 1, X (FlNr ... und ..., Gemarkung X) eine bauaufsichtliche Genehmigung zur Änderung der derzeit genehmigten Wohnnutzung in eine gewerbliche Nutzung einholen muss und die Klage im Übrigen abgewiesen.

Zur Begründung hat das Erstgericht - soweit für das Berufungsverfahren entscheidend - ausgeführt, dass die Klägerin einen Anspruch auf Schadensersatz gem. § 437 Nr. 3, §§ 440, 280 BGB habe, weil der Kaufsache ein Sachmangel anhafte, der von der Beklagten arglistig verschwiegen worden sei. Die Tatsache, dass für das Objekt eine bauordnungsrechtliche Genehmigung hinsichtlich der Wohnnutzung vorliegt und dadurch eine gewerbliche Nutzung derzeit unzulässig sei, stelle einen Sachmangel dar. Die Parteien hätten als Beschaffenheit vereinbart, dass für das Kaufobjekt eine die gewerbliche Nutzung ausschließende Genehmigung zur Wohnnutzung gerade nicht vorliege, das Anwesen vielmehr im Rahmen des Bestandsschutzes so wie es bestehe weiter gewerblich genutzt werden könne. Da die Beklagte den Mangel arglistig verschwiegen habe, könne sie sich nicht auf den vereinbarten Haftungsausschluss berufen. Arglistiges Verschweigen liege vor, weil die Beklagte mehrfach "ins Blaue hinein" gegenüber der Klägerin erklärt habe, dass sich das Grundstück für eine Wohnnutzung nicht eigne. Hier habe eine Aufklärungspflicht bestanden, weil die gewerbliche Nutzbarkeit für die Klägerin ersichtlich von besonderer Bedeutung gewesen sei. Im vorliegenden Fall seien Umstände gegeben, die einen Informationsaustausch zwischen dem Liegenschaftsamt und dem Bauordnungsamt erforderlich machten. Ein Bürger, der bei Anbahnung eines Grundstücksgeschäfts mit dem Liegenschaftsamt einer Gemeinde mehrfach den Hinweis erhalte, auf dem zu kaufenden Grundstück sei eine Wohnnutzung nicht genehmigungsfähig, könne und dürfe davon ausgehen, dass die Validität der entsprechenden Information durch das Liegenschaftsamt überprüft und eine entsprechende Abstimmung mit dem Baurechtsamt stattgefunden habe. Die Beklagte müsse die für die Vorbereitung und Erstellung eines entsprechenden Antrags anfallenden Planungskosten sowie die Genehmigungskosten entrichten. Da die Klägerin die in der Zukunft liegenden Kosten noch nicht beziffern könne, sei einem entsprechenden Feststellungsantrag stattzugeben. Der Anspruch sei nicht verjährt, da im Falle eines arglistig verschwiegenen Mangels die allgemeine kenntnisabhängige Verjährungsfrist des § 195 BGB von drei Jahren gelte. Von den anspruchsbegründenden Tatsachen habe die Klägerin erst anlässlich der Besprechung im Baurechtsamt der Beklagten im Jahr 2010 Kenntnis erlangt.

Gegen das erstinstanzliche Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt.

Die Beklagte beantragt die Aufhebung des landgerichtlichen Urteils und verfolgt ihren umfassenden Klageabweisungsantrag weiter. Sie ist der Auffassung, dass das LG übersehen oder überlesen habe, dass der mit dem Verkauf befasste Mitarbeiter des Liegenschaftsamts alle nur erdenklichen Erkundigungen zur Bebauungsfähigkeit de...

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