Leitsatz (amtlich)

Ein Testament kann auch dadurch errichtet werden, dass der Erblasser zu verschiedenen Zeitpunkten und in gesonderten Urkunden für sich genommen unvollständige Erklärungen errichtet, wenn diese jeweils die Form des § 2247 BGB wahren. Erfolgt dies, indem der Erblasser auf einer Kopie der ersten Erklärung die zunächst unvollständige Erklärung zu einer sinnvollen Anordnung ergänzt, muss jedoch im Zeitpunkt der zweiten Erklärung die erste Urkunde noch im Original vorhanden sein.

 

Normenkette

BGB § 2247

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Aktenzeichen 6 O 6241/17)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 28. Juni 2019, Az. 6 O 6241/17, in Ziffer 1. dahin abgeändert, dass der Beklagte an die dort beschriebene Erbengemeinschaft lediglich einen Betrag in Höhe von 21.778,75 EUR, nebst Zinsen im dort zuerkannten Umfang auf diesen Betrag, zu zahlen hat.

II. Im Übrigen wird die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.

III. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Von den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen die Klägerin 2 % und der Beklagte 98 %.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer I. genannte Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth ist, soweit es aufrechterhalten wurde, ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Jedoch kann jeweils der Schuldner die Zwangsvollstreckung abwenden, indem er Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet, wenn nicht der Gläubiger Sicherheit i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrags leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 673.308,37 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten darum, ob der Vater der Parteien wirksam ein Vermächtnis zugunsten des Beklagten und Widerklägers angeordnet hat.

Die Klägerin ist die Tochter, der Beklagte der Sohn des am 15. Oktober 2015 verstorbenen Erblassers H... F... O... T.... In einem Erbvertrag vom 8. Februar 1982 (Notar Dr. B..., Nürnberg, UR-Nr. ...) mit seiner Mutter setzte der Erblaser, erbvertraglich bindend, seine Abkömmlinge nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge als Erben ein; ihm wurde eingeräumt, durch Vermächtnisse abweichend über Nachlassgegenstände zu verfügen (unter II. 5; insoweit nicht geändert durch den späteren Nachtrag vom 27. Februar 1987). Zum Nachlass des Erblassers gehört das bis 2011 von ihm als Einzelkaufmann geführte Transportunternehmen, welches er von seiner Mutter geerbt hatte. Zuletzt hatte der Erblasser dieses Unternehmen mit Betriebspacht- und Übernahmevertrag vom 30. September 2011 an die T... L... GmbH, deren Alleingesellschafter der Beklagte ist, verpachtet. Im Eigentum des Erblassers standen ferner die Grundstücke S... Straße ... und ..., 9... N....

Der Erblasser verfasste unter dem 29. März 2004 ein handschriftliches Dokument, auf dessen Vorderseite er anordnete, dass aus dem Nachlass vermächtnisweise das Fuhrunternehmen mit allen Aktiven und Passiven sowie die Anwesen S... Straße ... und ... herauszugeben seien; auf der Rückseite bestimmte er den erstinstanzlich vernommenen Zeugen L..., seinen langjährigen Steuerberater, als Testamentsvollstrecker zur Durchsetzung der Vermächtnisanordnung. Beide Seiten sind vom Erblasser mit Datum versehen und unterschrieben.

Der Beklagte vermietete nach dem Tod des Erblassers mit Beginn 1. Dezember 2016 das Grundstück S... Straße ... für eine monatliche Miete von 3.811,25 EUR, Nebenkostenvorauszahlungen i.H.v. 300 EUR und entfallende Umsatzsteuer i.H.v. 781,14 EUR an die R... M... GbR; er vereinnahmte in der Folgezeit deswegen insgesamt 25.916,73 EUR.

Der Beklagte behauptet, der Zeuge L... habe den Erblasser im Juli 2014 anhand einer damals vorhandenen Kopie des Testaments vom 29. März 2004 darauf aufmerksam gemacht, dass darin kein Name des Vermächtnisnehmers enthalten ist. Der Erblasser habe daraufhin auf dieser Kopie handschriftlich angefügt "... soll mein Sohn [der Beklagte] zu Alleineigentum erhalten.", dies unterschrieben und mit dem Datum versehen.

Das Landgericht hat der Klage auf Zahlung von insgesamt 48.923,90 EUR nebst Zinsen an die Erbengemeinschaft im Umfang von 25.916,73 EUR nebst Zinsen entsprochen; es hat dabei zur Aufrechnung gestellte Forderungen (Zahlungen an N-ERGIE, Grundabgaben, Versicherungen für Grundstücke und Fahrzeug) nicht abgezogen, da nicht dargelegt sei, dass die Erfüllung dem Interesse der Erbengemeinschaft entsprochen habe. Aus demselben Grund hat es den Betrag nicht, wie es der Beklagte behauptet hat, wegen von ihm abgeführter Umsatzsteuer auf 21.778,75 EUR reduziert. Die Widerklage hat das Landgericht abgewiesen. Nach Durchführung der Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen L... konnte sich das Landgericht keine Überzeugung bilden, dass der Erblasser die vom Beklagten behauptete Ergänzung auf einer Kopie vorgenommen hat. Die Bekundungen seien nicht glaubhaft; ferner äußerte es Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen. Selbst wenn dies der Fall wäre, ...

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