Leitsatz (amtlich)

§ 207 BGB soll den Familienfrieden vor Störungen durch klageweise Geltendmachung von Ansprüchen schützen. Dazu stünde im Widerspruch, wenn der Geschädigte nach einem erfolgten Versöhnungsversuch zur Vermeidung des Eintritts von Verwirkung zur zeitnahen Geltendmachung von Schmerzensgeldansprüchen nach einer häuslichen Auseinandersetzung angehalten wäre.

 

Normenkette

BGB §§ 207, 227, 253, 823; FamFG § 266 Abs. 1 Nr. 3

 

Verfahrensgang

AG Nürnberg (Aktenzeichen 110 F 402/21)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Endbeschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Nürnberg vom 08.07.2021 abgeändert und wie folgt neu gefasst: Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Antragstellerin aufgrund der Körperverletzung vom 01.02.2017 ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.900,00 EUR sowie Schadensersatz in Höhe von 20,00 EUR und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 255,85 EUR nebst Zinsen aus diesen Beträgen in Höhe von jeweils 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 23.09.2020 zu bezahlen.

2. Von den Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen trägt die Antragstellerin 36% und der Antragsgegner 64 %.

3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.020,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Gegenstand des Verfahrens sind Schmerzensgeldansprüche der Antragstellerin einschließlich Nebenforderungen aufgrund eines Nasenbeinbruches nach einer häuslichen Auseinandersetzung.

1. Die Beteiligten sind seit 1991 vor in Nürnberg verheiratete Ehegatten mit türkischer Staatsangehörigkeit. Aus der Ehe sind zwei Söhne hervorgegangen (geboren am ... und am ...). Am 01.02.2017 kam es zwischen den Beteiligten zum Streit. In Folge einer Armbewegung des Antragsgegners traf dieser die Antragstellerin mit der Hand im Gesicht. Die Antragstellerin erlitt dadurch einen Nasenbeinbruch. Dieser musste mittels eines operativen Eingriffs medizinisch behandelt werden.

Die gemeinsame Wohnung wurde darauf der Antragstellerin im Wege einer einstweiligen Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz (AG Nürnberg, 110 F 412/17) zur vorläufigen Nutzung bis 20.08.2017 zugewiesen. Bereits im Mai 2017 zog der Antragsgegner jedoch im Einverständnis mit der Antragstellerin wieder ein und lebte seither mit dieser und den gemeinsamen Söhnen dort. Die Antragstellerin teilte der Polizei im Juni 2017 mit, dass sie keinerlei Interesse an einer Strafverfolgung habe, worauf das eingeleitete Ermittlungsverfahren eingestellt wurde. Spätestens im Juli 2020 erfolgte die endgültige Trennung der Ehegatten.

Mit zwei Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 11.09.2020 forderte die Antragstellerin den Antragsgegner zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 3.000,00 EUR sowie Ersatz entstandener Auslagen für Arztbesuche und Medikamente in Höhe von 20,00 EUR sowie Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 403,22 EUR (basierend auf einem Gegenstandswert von 3.020,00 EUR) auf. Der Antragsgegner wies die Forderungen mit am 23.09.2020 beim Antragstellervertreter eingegangenen Schreiben zurück.

Die Antragstellerin hat zur Begründung ausgeführt, dass der Antragsgegner ihr bei der Auseinandersetzung am 01.02.2017 mit der Faust grundlos ins Gesicht geschlagen habe, wodurch sie den Nasenbeinbruch erlitt. Daraus ergebe sich ein Schmerzensgeldanspruch, dessen genaue Höhe unter Verweis auf den außergerichtlich geltend gemachten Betrag sie in das Ermessen des Gerichtes stelle.

Die Antragstellerin hat daher beantragt:

1. Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Antragstellerin aufgrund des Vorfalles vom 01.02.2017 ein angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 23.09.2020 zu bezahlen, wobei die genaue Höhe des Schmerzensgeldes in das Ermessen des Gerichts gestellt wird.

2. Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Klägerin 20,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 23.09.2020 zu bezahlen.

3. Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 403,22 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 23.09.2020 zu bezahlen.

Der Antragsgegner hat Antragsabweisung beantragt.

Er hat dazu zunächst im Rahmen der Antragserwiderung vom 01.12.2020 vorgetragen, dass nicht bestritten werden solle, dass er die Antragstellerin im Februar 2017 geschlagen habe. Er und die Antragstellerin hätten sich jedoch im Mai 2017 wieder versöhnt. Seither habe man bis Juli 2020 wieder als Paar zusammengelebt. Er habe auch viele Kosten seither getragen. So habe er Zahlungen für die gemeinsam bewohnte Wohnung geleistet und der Antragstellerin auch Urlaub bezahlt. Die Geltendmachung von Schmerzensgeld nach über drei Jahren sei daher verwirkt.

Mit weiterem Schriftsatz vom 27.01.2021 hat der Antragsgegner dazu abweichend ausgeführt, dass die Antragstellerin wütend auf ihn losgegangen sei und er sich gewehrt habe, indem er mit seinem Arm ausgeholt und...

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