Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozessvergleich unter Einschluss eines anderen Rechtsstreits

 

Leitsatz (amtlich)

Werden in einem Prozessvergleich Ansprüche aus einem anderen Rechtsstreit mitverglichen und vertritt der Rechtsanwalt die Partei in beiden Prozessen, erhält dieser nur in dem mitverglichenen Rechtsstreit eine volle Prozessgebühr (§ 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO) sowie insgesamt eine Vergleichsgebühr aus dem addierten Geschäftswert aller mitverglichenen Prozesse (§ 23 Abs. 1 BRAGO), aber keine (weitere) halbe Differenzprozessgebühr nach § 32 Abs. 2 BRAGO.

 

Verfahrensgang

LG Regensburg (Beschluss vom 24.05.2004; Aktenzeichen 6 O 1435/03)

 

Tenor

I. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des LG Regensburg vom 24.5.2004 wird, soweit ihr nicht durch Beschluss vom 30.6.2004 abgeholfen worden ist, zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

IV. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 413 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger führte neben dem vorliegenden Rechtsstreit noch weitere Verfahren vor dem LG Regensburg (HK O 1467/03) gegen den Geschäftsführer der Beklagten zu 2), U.K., und vor dem LG Landshut (HK O 146/03) gegen diesen und Herrn E.K. Diese wurden in dem hier geschlossenen Vergleich vom 24.3.2004 miteinbezogen.

Der Kläger hat beantragt, aus dem Wert der mitverglichenen Ansprüche eine halbe Prozessgebühr nach § 32 Abs. 2 BRAGO zu seinen Gunsten festzusetzen. Das LG hat den Kostenfestsetzungsantrag insoweit, als er sich auf die anderweitig anhängigen Ansprüche bezogen hat, mit der Begründung zurückgewiesen, die diesbezügliche Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten sei von dem Prozessauftrag in den anderen Verfahren mit umfasst und von den dort verdienten Prozessgebühren abgegolten.

Hiergegen richtet sich die als sofortige Beschwerde zu behandelnde Erinnerung des Klägers.

II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 11 Abs. 1 RPflG, § 104 Abs. 3 S. 1, § 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 2 ZPO), hat aber in der Sache keinen Erfolg.

1. Es ist im Einzelnen umstritten, ob eine weitere halbe Prozessgebühr nach § 32 Abs. 2 BRAGO auch dann entsteht, wenn streitige Ansprüche in einem Rechtsstreit verglichen werden, die bereits Gegenstand eines anderen Rechtsstreits waren, für die derselbe Prozessbevollmächtigte aufgrund des dortigen Prozessauftrages bereits die volle Prozessgebühr aus § 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO beanspruchen kann.

Dies wird zum Teil mit der Begründung bejaht, dass es sich bei den verschiedenen Verfahren um gebührenrechtlich selbständige Angelegenheiten i.S.v. § 13 Abs. 2 S. 2 BRAGO handele und eine Anrechnung der halben Prozessgebühr des § 32 Abs. 2 BRAGO auf die volle Prozessgebühr gesetzlich nicht vorgesehen sei (OLG München v. 8.3.1999 - Lw W 1296/98, OLGReport München 1999, 131 = MDR 1999, 704; KG v. 29.8.2000 - 1 W 1286/99, MDR 2000, 1458 = KGReport Berlin 2001, 54; Gerold/Schmidt/von Eicken, BRAGO, 15. Aufl., § 32 Rz. 8.22; Göttlich/Mümmler, BRAGO, 20. Aufl., Vergleichsgebühr, Anm. 3.6.2.; Hansens, BRAGO, 8. Aufl., § 32 Rz. 25).

Demgegenüber wird vom überwiegenden Teil der Rechtssprechung ein derartiger Anspruch verneint und dies im Wesentlichen damit begründet, dass unter Berücksichtigung des Normzwecks kein Raum für die Entstehung der halben Differenzprozessgebühr bestehe, wenn der Prozessbevollmächtigte in dem anderweit anhängigen Rechtsstreit bereits eine volle Prozessgebühr verdient habe (OLG Zweibrücken Rpfleger 2003, 323; OLG München MDR 2000, 228; v. 13.5.1993 - 11 W 1418/93, 11 W 1419/93, OLGReport München 1993, 252; OLG Dresden ZfSch 1997, 112; OLG Karlsruhe JurBüro 1994, 672; KG v. 20.4.1998 - 25 W 2710/97, KGReport Berlin 1998, 345 = NJW-RR 1999, 294; OLG Stuttgart JurBüro 1982, 394; OLG Bamberg JurBüro 1986, 1529; LAG Düsseldorf JurBüro 1994, 672; MDR 2004, 75; LAG Nürnberg v. 7.5.2001 - 5 Ta 78/01, MDR 2001, 1079; LAG Sa.-Anh. JurBüro 1997, 191; LAG Thür. v. 10.6.1997 - 8 Ta 31/97, MDR 1997, 1167; Mümmler, JurBüro 1988, 703; JurBüro 1981, 179; Riedel/Sußbauer/Keller, BRAGO, 8. Aufl., § 32 Rz. 23; Hartmann, Kostengesetze, 33. Aufl., § 32 BRAGO Rz. 64).

2. Der Senat schließt sich der zuletzt genannten Ansicht an.

Wie insb. Mümmler zutreffend ausgeführt hat, sollte mit der durch das Kostenrechtsänderungsgesetz 1957 eingeführten Regelung des § 32 Abs. 2 BRAGO dem Rechtsanwalt, neben der Vergleichsgebühr nach § 23 BRAGO, dann eine weitere Gebühr in Form einer halben Prozessgebühr zustehen, wenn und soweit Ansprüche aus § 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO noch nicht entstanden waren. § 32 Abs. 2 BRAGO entschädigt den Rechtsanwalt also mit einer halben Prozessgebühr dafür, dass ihm mangels Prozessauftrags neben der Vergleichsgebühr an sich keine Prozessgebühr zusteht. Keinesfalls sollte dem Rechtsanwalt, soweit er für rechtshängige Ansprüche in einem anderen Verfahren bereits einen Anspruch auf die dort entstandene volle Prozessgebühr hat, mit dem Vergleichsabschluss zusätzlich eine halbe Prozessgebühr zukommen. Für die Annahme, ...

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