Leitsatz (amtlich)

§ 303 a StGB erfasst Daten, an denen ein unmittelbares Recht einer anderen Person auf Nutzung, Verarbeitung und Löschung besteht. Diese Datenverfügungsbefugnis steht grundsätzlich demjenigen zu, der die Speicherung der Daten unmittelbar selbst bewirkt hat. Das gilt in der Regel auch im Rahmen eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses bei in fremden Auftrag erstellten Daten; solange der Auftragnehmer die Daten nicht dem Auftraggeber ausgehändigt hat, besteht für den Auftraggeber außerhalb des Schutzbereiches des UWG lediglich ein Schutz aufgrund der gegenseitigen schuldrechtlichen Verpflichtungen.

 

Normenkette

StPO § 172; StGB §§ 303 a, 274 Abs. 1 Nr. 2; UWG § 17

 

Tenor

Der Antrag der Anzeigeerstatterin vom 03.09.2012 auf gerichtliche Entscheidung im Klageerzwingungsverfahren wird als unzulässig verworfen.

 

Gründe

I.

Der Antrag der Anzeigeerstatterin vom 03.09.2012, eingegangen am selben Tage, auf gerichtliche Entscheidung im Klageerzwingungsverfahren richtet sich gegen den ablehnenden Bescheid des Generalstaatsanwalts in Nürnberg vom 30.07.2012, durch den der Beschwerde der Anzeigeerstatterin gegen die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth vom 18.04.2012 keine Folge gegeben wurde.

II.

Der Klageerzwingungsantrag ist unzulässig.

Die Antragsschrift genügt nicht den sich aus § 172 Abs. 3 StPOergebenden Anforderungen. Sie enthält nämlich keine Schilderung eines Sachverhalts, der den Tatbestand eines von den Beschuldigten begangenen Offizialdeliktes erfüllt. Die Anzeigeerstatterin bleibt im Hinblick auf den allein bestehenden Tatverdacht von Straftaten nach §§ 16 bis 19 UWG auf den Privatklageweg verwiesen (§ 374 Abs. 1 Nr. 7 StPO).

1. Die Anzeigeerstatterin bietet IT-Lösungen für den Mittelstand an, entwickelte insbesondere die Microsoft-Systeme NAV und AX weiter und erstellte jeweils eigene spezifische Grundversionen, die sodann den jeweiligen Kundenanforderungen angepasst wurden. Die Beschuldigten waren leitende Mitarbeiter der Anzeigeerstatterin, die selbständig überwiegend im Außendienst arbeiteten, ohne bestimmten Weisungen oder Kontrollen der Anzeigeerstatterin zu unterliegen. Nach dem Ausscheiden gründeten sie ein eigenes Unternehmen.

Es besteht der Verdacht, dass die Beschuldigten sich unberechtigt Geschäftsgeheimnisse, Kundendaten und Vertragsvorlagen der Anzeigeerstatterin verschafften, um einen mit der Anzeigeerstatterin konkurrierenden Geschäftsbetrieb aufzubauen. Ferner liegt ihnen zur Last, anlässlich ihres Ausscheidens die ihnen von der Anzeigeerstatterin zu dienstlichen Zwecken zur Verfügung gestellten Laptops zurückgegeben zu haben, nachdem sie zuvor mit einer speziellen Software alle darauf befindlichen Daten gelöscht hatten, die sie von der Anzeigeerstatterin erhalten, sich widerrechtlich bei der Anzeigeerstatterin beschafft sowie bei der Akquise und Betreuung von Kunden erhoben hatten.

2. Straftatbestände außerhalb des UWG sind nicht erfüllt.

Der Straftatbestand des § 274 Abs. 1 Nr. 2 StGB in Verbindung mit § 202 a Abs. 2 StGB ist nicht einschlägig, wie die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth in ihrem Vorlageschreiben vom 15.06.2012 unter Ziffer 2. A. 4. zutreffend ausführt. Es ist nämlich erforderlich (vgl. Fischer, StGB, 60. Aufl. § 274 Rn. 7 in Verbindung mit § 269 Rn. 4), dass die gespeicherten Daten dazu bestimmt sind, im Rechtsverkehr als Beweisdaten für rechtlich erhebliche Tatsachen benutzt zu werden, also deren Einsatz die Verwendung von Urkunden ersetzt. Bei den von den Beschuldigten gelöschten Daten fehlt es an dieser Urkundsqualität. Sie waren lediglich Informations- und Arbeitsmittel, wie sich auch aus dem Schreiben des anwaltlichen Vertreters der Anzeigeerstatterin vom 25.05.2012 unter Ziffer 2.2.4. ergibt, wonach die Anzeigeerstatterin die gelöschten Daten benötigt hätte bei der Kundenbetreuung und zum Nachvollziehen der Arbeit und der umfangreichen Kopieraktivitäten der Löschenden.

3. Auch der Straftatbestand des § 303 a StGB ist in Übereinstimmung mit der Ansicht der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth im Schreiben vom 15.06.2012 nicht erfüllt.

a) Die rechtlichen Grundlagen stellen sich wie folgt dar:

(1) Nach herrschender Meinung ist durch § 303 a StGB die Verfügungsgewalt des Berechtigten über die in Datenspeichern enthaltenen Informationen geschützt (Fischer, StGB, 60. Aufl. § 303 a Rn. 2; ähnlich Stree/Hecker in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl. § 303 a Rn. 1, Wieck-Noodt in Münchner Kommentar, StGB, § 303 a Rn. 2, und Hagen Wolff in Leipziger Kommentar, StGB, 12. Aufl. § 303 a Rn. 4: Interesse des Verfügungsberechtigten an der unversehrten Verwendbarkeit von Daten).

(2) Der objektive Tatbestand des § 303 a StGB ist von seinem Wortlaut her zu weit gefasst. Um verfassungsrechtlichen Bedenken zu begegnen und dem Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG zu genügen, ist er deshalb einschränkend auszulegen (allgemeine Ansicht; Fischer, a.a.O., § 303 a Rn. 4; Stree/Hecker in Schönke/Schröder, a.a.O., § 303 a Rn. 3; Wieck-Noodt in Münchner Kommentar, a.a.O., § 3...

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