Leitsatz (amtlich)

1. Wird mit einer Klage neben laufendem Unterhalt auch Unterhalt geltend gemacht, der auf den Träger der Sozialhilfe übergegangen war und zurückübertragen wurde, so kann einem bedürftigen Kläger für den gesamten Klageantrag Prozeßkostenhilfe bewilligt werden.

2. § 91 Abs. 4 Satz 2 BSHG schließt die Bedürftigkeit nach § 114 ZPO nicht aus. Angesichts der Neufassung von § 91 Abs. 4 Satz 1 BSHG kann im Regelfall eine mutwillige Rechtsverfolgung nicht angenommen werden.

 

Normenkette

BSHG § 91; ZPO § 114

 

Verfahrensgang

AG Regensburg (Beschluss vom 03.02.1999; Aktenzeichen 2 F 1699/98)

AG Regensburg (Beschluss vom 21.01.1999; Aktenzeichen 2 F 1699/98)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Klägerin werden die Beschlüsse des Amtsgerichts – Familiengericht – Regensburg vom 21. Januar 1999 und 03. Februar 1999 abgeändert.

II. Der Klägerin wird Prozeßkostenhilfe auch insoweit bewilligt, als die Klage Unterhaltsrückstände betrifft, die auf den Sozialhilfeträger übergingen und zurückübertragen wurden. Auch insoweit wird der Klägerin Rechtsanwältin … in … als Prozeßbevollmächtigte beigeordnet.

 

Tatbestand

I.

Unter dem 09. Dezember 1998 beantragte die Klägerin die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für eine Unterhaltsklage,mit der sie neben dem laufenden Ehegattenunterhalt auch Rückstände geltend macht, die auf den Sozialhilfeträger übergingen und von diesem zurückübertragen wurden.

Mit Beschlüssen vom 21. Januar 1999 und 03. Februar 1999 versagte das Amtsgericht – Familiengericht – Regensburg hinsichtlich der Rückstände die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe mit der Begründung, die Klägerin habe insoweit kein Rechtsschutzbedürfnis, da sie die Rückübertragung der Unterhaltsansprüche hätte ablehnen können mit der Folge, daß der Träger der Sozialhilfe sodann in der Läge gewesen wäre, den Unterhaltsrechtstreit selbst zu führen.

Gegen die Versagung der Prozeßkostenhilfe richtet sich die Beschwerde der Klägerin.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

Zur Frage, ob einem Kläger Prozeßkostenhilfe bewilligt werden kann, wenn er Klage auf Zahlung übergegangener und rückübertragener Unterhaltsbeträge erheben will, liegt, soweit ersichtlich, keine gefestigte Rechtsprechung oder herrschende Meinung vor.

Das Oberlandesgericht Koblenz (FamRZ 1997, 1086) vertritt die Auffassung, die Klagepartei sei im Falle der nach § 91 Abs. 4 Satz 1 BSHG n.F. zulässigen Rückübertragung nicht bedürftig im Sinne des § 114 ZPO. Die gesetzliche Formulierung, daß Kosten, mit denen der Hilfeempfänger durch die Rückübertragung belastet werde, zu übernehmen seien, besage, daß der Sozialhilfeträger in Vorlage zu treten habe. Es sei nicht Aufgabe der Prozeßkostenhilfe, die Aufwendungen des Sozialhilfeträgers zu finanzieren. Der Hilfeempfänger sei nicht bedürftig, weil er einen Anspruch auf Prozeßkostenvorschuß gegen den Sozialhilfeträger habe.

Dem schließt sich das Oberlandesgericht Celle (MDR 1999, 101) mit dem Argument an, daß sich der Anspruch des Hilfeempfängers auf Prozeßkostenvorschuß gegen den Träger der Sozialhilfe zumindest aus dem materiellen Recht ergebe. Die Rückabtretung erfolge zum Zwecke der gerichtlichen Durchsetzung des Unterhaltsanspruches. Der Hilfsbedürftige übernehme einen Auftrag des Sozialhilfeträgers und habe in entsprechender Anwendung des § 669 BGB einen Anspruch auf Kostenvorschuß.

Scholz (in Wendl/Staudigl, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 4. Auflage, § 6 Rd. Nr. 558) hält es für zweifelhaft, ob im vorliegenden Fall Prozeßkostenhilfe bewilligt werden kann. Allerdings könne der Hilfsbedürftige sein Einvernehmen mit der Rückübertragung davon abhängig machen, daß der Sozialhilfeträger die zusätzlichen Kosten übernehme.

Demgegenüber hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 3. Juli 1996 (FamRZ 1996, 1203 ff), in der er die Rückübertragung nach § 91 BSHG a.F. für unwirksam erklärt hatte, in einem Nebensatz anklingen lassen, daß die Unwirksamkeit der Rückübertragung unter anderem damit zusammenhänge, daß der Hilfsbedürftige ein Kostenrisiko trage, dies auch bei Bewilligung von Prozeßkostenhilfe.

Das Oberlandesgericht Köln (FamRZ 1997, 298; 1998, 175) hält den Hilfeempfänger für bedürftig, weil er keinen Anspruch auf Prozeßkostenvorschuß gegen den Sozialhilfeträger habe, sondern lediglich einen Freistellungsanspruch. Mutwillig im Sinne des § 114 ZPO sei die Rechtsverfolgung schon wegen der Subsidiarität der Sozialhilfe nicht.

Diesem Ergebnis schließen sich die „Empfehlungen an die Familiensenate im Haus” des Oberlandesgerichts Hamm an (FamRZ 1997, 275).

Gerhardt (in Handbuch des Fachanwalts Familienrecht, 2. Auflage, Kapitel 6, Rd. Nr. 23) bejaht die Bedürftigkeit mit der Begründung, daß sich die Kostenerstattungspflicht des § 91 Abs. 4 Satz 2 BSHG nur auf verlorene Prozesse beziehe (vgl. auch Schöppe-Fredenburg im selben Handbuch, Kapitel 13, Rd. Nr 250, 251).

Der Senat vertritt folgende Rechtsauffassung:

Soweit ausschließlich übergegangene und zurückübertragene Unterhaltsansprüche...

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