Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Terminsgebühr bei Vergleichsabschluss ohne mündliche Verhandlung

 

Leitsatz (amtlich)

Im Falle des Abschlusses eines Vergleiches nach § 278 Abs. 6 ZPO ohne mündliche Verhandlung fällt keine Terminsgebühr an, soweit es sich nicht um Verfahren handelt, die nach § 128 Abs. 2 oder § 495a ZPO keine mündliche Verhandlung erfordern.

 

Normenkette

ZPO § 278 Abs. 6; RVG Nr. 3104 VV

 

Verfahrensgang

LG Regensburg (Beschluss vom 29.10.2004; Aktenzeichen 3 O 1746/04)

 

Tenor

I. Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Regensburg vom 29.10.2004 wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 470,50 Euro festgesetzt.

IV. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien haben um Ansprüche aus einem Verkehrsunfall gestritten.

Auf Vorschlag der Beklagten hat das LG den Parteien vor der mündlichen Verhandlung einen Vergleichsvorschlag unterbreitet und das Zustandekommen des Vergleiches nach Einverständnis der Parteien gem. § 278 Abs. 6 ZPO festgestellt.

Im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 29.10.2004 hat die Rechtspflegerin des LG die von beiden Parteivertretern beantragte Terminsgebühr abgesetzt. Auf diesen Beschluss wird verwiesen.

Gegen den am 9.11.2004 zugestellten Beschluss hat die Klägerin mit am 12.11.2004 eingegangenem Schriftsatz sofortige Beschwerde mit dem Ziel der Festsetzung der Terminsgebühr eingelegt.

II. Die zulässige sofortige Beschwerde (§§ 104 Abs. 3 S. 1, 567 ff. ZPO) ist nicht begründet.

Die Frage, ob bei Abschluss eines Vergleiches nach § 278 Abs. 6 ZPO für den Rechtsanwalt eine Terminsgebühr gem. Nr. 3104 VV RVG anfällt, ist umstritten.

Weite Teile der Literatur bejahen dies (Enders, JurBüro 2003, 1 [3]; Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG, 16. Aufl., VV 3104 Rz. 58; Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 278 Rz. 27). Begründet wird dies mit dem Wortlaut der Vorschrift, die bestimme, dass die Gebühr nach Nr. 3104 VV auch entstehe, wenn in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben sei, ein schriftlicher Vergleich geschlossen werde.

Teilweise wird vertreten, dass das Verfahren nach § 278 Abs. 6 ZPO gerade keine mündliche Verhandlung erfordere. Nach Hartmann bezieht sich die Vorschrift nur auf Vergleiche in Verfahren ohne vorgeschriebene mündliche Verhandlung. Das sind Verfahren nach § 128 Abs. 2 ZPO und § 495a ZPO (Hartmann, Kostengesetze, 34. Aufl., VV 3104, Rz. 30).

Der BGH hat unter Geltung der BRAGO entschieden, dass eine Erörterungsgebühr für den Fall eines Vergleichsabschlusses gem. § 278 Abs. 6 ZPO außerhalb einer mündlichen Verhandlung nicht anfalle (BGH v. 30.3.2004 - VI ZB 81/03, BGHReport 2004, 1131 = BGHReport 2004, 524 = MDR 2004, 965 = NJW 2004, 2311 = MDR 2004, 965 = JurBüro 2004, 481). In diesem Beschluss hat er - ohne dass dies für die Entscheidung tragend gewesen wäre - ausgeführt, dass bei Abschluss eines Vergleiches nach § 278 Abs. 6 ZPO unter Geltung des damals noch nicht in Kraft getretenen RVG die Einigungsgebühr (Nr. 1000 VV) und die Verfahrensgebühr (Nr. 3101 VV) entstünden, nicht jedoch die Terminsgebühr. Die gegen den Beschluss gerichtete Gegenvorstellung hatte keinen Erfolg (BGH, Beschl. v. 30.6.2004 - VI ZB 81/03, NJOZ 2004, 4083).

Der Senat ist der Auffassung, dass die Terminsgebühr gem. Nr. 3104 VV nicht entsteht, wenn im normalen Prozessverfahren vor einer mündlichen Verhandlung ein Vergleich gem. § 278 Abs. 6 ZPO geschlossen wird. Die vom BGH zur früheren Rechtslage erörterten Argumente gelten auch für das RVG. Die Ausdehnung des Kostentatbestandes aus Nr. 3104 VV auch auf einen Vergleichsabschluss nach § 278 Abs. 6 ZPO widerspricht dem Interesse der Parteien, die Kosten eines Rechtsstreites so gering wie möglich zu halten. Auch ist der Arbeits- und Zeitaufwand für den Rechtsanwalt bei einem gerichtlichen Termin wesentlich höher als bei einem Vergleichsabschluss nach § 278 Abs. 6 ZPO.

Der Wortlaut der Nr. 3104 VV zum RVG steht dieser Auffassung nicht entgegen. Nachdem der Gebührentatbestand ausgeweitet wird, ist bei der Auslegung Zurückhaltung geboten. Nach der Vorschrift entsteht die Terminsgebühr auch, wenn in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, im Einverständnis mit den Parteien oder gem. § 307 Abs. 2 oder § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung entschieden oder in einem solchen Verfahren ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird. Der Wortlaut bezieht sich demnach in der ersten Alternative auf das Verfahren nach § 128 Abs. 2 ZPO und nicht auf das Verfahren nach § 278 Abs. 6 ZPO.

III. Kosten: § 97 ZPO.

IV. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen vor, denn die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung (§ 574 ZPO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 1324989

NJW-RR 2005, 655

AnwBl 2005, 222

MDR 2005, 599

Rpfleger 2005, 333

AGS 2005, 144

RVG-B 2005, 81

VRR 2005, 119

Mitt. 2005, 185

OLGR-Süd 2005, 179

RVG-Letter 2005, 32

www.judicialis.de 2004

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge