Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren: Darlegung der Erwerbsbemühungen nach Vorlage eines Bescheides über die Grundsicherung für Arbeitssuchende

 

Leitsatz (redaktionell)

Bezieht der Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, muss er im Rahmen des Prozesskostenhilfe-Prüfungsverfahrens nicht erneut darlegen, dass er seinen Unterhalt nicht durch Annahme einer Arbeit decken kann.

 

Normenkette

ZPO §§ 114, 118 Abs. 2 S. 4

 

Verfahrensgang

AG Nürnberg (Beschluss vom 09.07.2007; Aktenzeichen 102 F 1097/07)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 30.09.2009; Aktenzeichen XII ZB 135/07)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des AG FamG - Nürnberg vom 9.7.2007 abgeändert.

2. Dem Antragsgegner wird mit Wirkung vom 9.5.2007 für den ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwalt ... aus Nürnberg beigeordnet.

3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. In dem von der Antragstellerin eingeleiteten Ehescheidungsverfahren beantragte der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 9.5.2007, der am gleichen Tag vorab als Fax beim AG Nürnberg eingegangen ist, ebenfalls die Scheidung. Gleichzeitig stellte er den Antrag; ihm für das Scheidungsverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen und legte eine von ihm unterzeichnete Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie den Bescheid der Arbeitsgemeinschaft Leipzig vom 11.4.2007 vor. Daraufhin forderte das AG Nürnberg den Antragsgegner mit Verfügung vom 14.5.2007 auf, binnen zwei Wochen die Eingliederungsvereinbarung vorzulegen und seine Erwerbsbemühungen, die Zeiten der letzten Beschäftigung und seinen damaligen Verdienst darzulegen. Da der Antragsgegner dem nicht Folge leistet, lehnte das AG Nürnberg den Prozesskostenhilfeantrag mit Beschluss vom 9.7.2007 mit der Begründung ab, eine Beurteilung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragsgegners sei, da er der Aufforderung vom 14.5.2007 nicht nachgekommen sei, nicht möglich. Mit Schriftsatz vom 9.7.2007, der am 10.7. eingegangen ist, teilte der Bevollmächtigte des Antragsgegners mit, dass sein Mandant der Aufforderung vom 14.5.2007 nicht nachkommen werde, da seiner Meinung nach eine entsprechende Verpflichtung nicht bestehe, und bat um eine beschwerdefähige Verbescheidung des Antrags.

Gegen den dem Bevollmächtigten des Antragsgegners am 17.7.2007, zugestellten Beschluss, legte dieser mit Schriftsatz vom 18.7.2007, der an diesem Tag als Fax beim OLG Nürnberg eingegangen ist, sofortige Beschwerde ein. Zur Begründung führt er aus, entgegen der Auffassung des Erstgerichts, sei eine Beurteilung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse möglich, da der Antragsgegner den Bescheid über die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vorgelegt habe. Wie sich bereits aus der Formulierung des Antragsformulars ergebe, sei eine Bescheinigung über die Sozialhilfe ausreichend, um die Bedürftigkeit zu dokumentieren. Da Prozesskostenhilfe eine Form der Sozialhilfe sei, habe der Prozesskostenhilfe Beantragende nicht darzulegen, welche Bemühungen er unternehme, um eine Erwerbstätigkeit zu finden. Es sei auch nicht Aufgabe des Gerichts im Rahmen des kursorischen Prozesskostenhilfeverfahrens weitere Ermittlungen zu den Bemühungen des Antragsgegners, eine Arbeitsstelle zu finden, anzustellen. Im Übrigen verstoße es gegen Art. 3 Abs. 1 GG, wenn das Gericht kein fiktives Einkommen ansetze, sondern die Prozesskostenhilfe einfach insgesamt ablehne.

Das AG Nürnberg hat mit Beschluss vom 24.7.2007 der sofortigen Beschwerde unter Hinweis darauf, dass die Prozesskostenhilfe beantragende Partei ihre Erwerbsbemühungen grundsätzlich darzulegen habe, nicht abgeholfen und diese dem OLG Nürnberg zur Entscheidung vorgelegt.

II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig und begründet. Einer Partei ist gem. § 114 ZPO Prozesskostenhilfe zu gewähren, wenn sie nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann (Ausführungen hierzu unter 2.) und wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichend Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (Ausführungen hierzu unter 3.). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Zurückweisung des Prozesskostenhilfeantrag des Antragsgegners kann auch nicht auf § 118 Abs. 2 S. 4 ZPO gestützt werden (Ausführungen hierzu unter 1.).

1. § 118 Abs. 2 S. 4 ZPO

Nach § 118 Abs. 2 S. 4 ZPO ist ein Prozesskostenhilfeantrag insoweit zurückzuweisen, als der Antragsteller innerhalb einer von dem Gericht gesetzte Frist bestimmte Fragen zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht oder ungenügend beantwortet. Das AG hat dem Antragsgegner im vorliegenden Fall zwar unter Fristsetzung aufgefordert, die Eingliederungsvereinbarung vorzulegen, Angaben zu seinem letzten Beschäftigungsverhältnis zu machen und seine Erwerbsbemühungen darzulegen....

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