Leitsatz (amtlich)

Die Zulässigkeit des Rechtsmittels gegen eine richterliche Entscheidung, die im Erinnerungsverfahren nach § 11 Abs. 2 RPflG getroffen wird, hängt nicht vom Inhalt der Entscheidung des Rechtspflegers, sondern der des Richters ab, da erst diese die Instanz beendende Entscheidung darstellt.

Zur Frage, wann ein Kostenfestsetzungsbeschluss als Europäischer Titel nach der EGV 805/2004 bestätigt werden kann, wenn im Kostenfestsetzungsverfahren Fehler aufgetreten sind, die Kostengrundentscheidung in einem einstweiligen Verfügungsverfahren ohne mündliche Verhandlung getroffen und der Verfügungsbeschluss ohne Rechtsbehelfsbelehrung zugestellt worden ist.

 

Normenkette

ZPO § 319 Abs. 3, § 1081 Abs. 3; RPflG § 11 Abs. 2; EGV 805/2004 Art. 1, 4 Nr. 1; EGV Art. 12 ff

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Beschluss vom 14.01.2009; Aktenzeichen 1 HKO 7762/06)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 21.07.2011; Aktenzeichen I ZB 71/09)

 

Tenor

I. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des LG Nürnberg-Fürth vom 14.1.2009 - Az. 1 HKO 7762/06 - wird zurückgewiesen.

II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.628,72 EUR festgesetzt.

IV. Die Rechtsbeschwerde zum BGH wird zugelassen.

 

Gründe

I. Am 11.9.2006 hat die Antragstellerin eine einstweilige Verfügung eingereicht, durch die der in den Niederlanden ansässigen Antragsgegnerin eine nach Auffassung der Antragstellerin Wettbewerbs rechtliche Handlung untersagt werden sollte. Am 14.9.2006 hat das LG Nürnberg-Fürth dem Antrag ohne vorherige Anhörung der Antragsgegnerin und ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch Beschluss stattgegeben. In Ziff. I. ist die von der Antragstellerin beantragte Unterlassung, nämlich vier genau bezeichnete Handlungen nicht vorzunehmen, ausgesprochen worden. Ziff. II. des Beschüsses lautet:

"Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen".

Am 11.10.2006 ist der Beschluss einschließlich der Antrags schritt und der dieser beigefügten Anlagen der Antragsgegnerin in den Niederlanden zugestellt worden ohne Hinweis auf die Möglichkeit eines Widerspruchs nach § 924 ZPO, da eine solche Belehrung nach der ZPO nicht vorgesehen ist.

Am 19.10.2006 hat die Antragstellerin beantragt, die in Ziff. II. des Beschlusses vom 14.9.2006 genannten Kosten mit 7,628,72 EUR festzusetzen. Am 9.11.2006 hat der dafür zuständige Rechtspfleger beim LG Nürnberg-Fürth durch Kostenfestsetzungsbeschluss die Kosten in der beantragten Höhe festgesetzt. Der Kostenfestsetzungsbeschluss ist zusammen mit dem Antrag vom 19.9.2006 sowie einer Belehrung über das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss zugestellt worden. Die Antragsgegnerin hat kein Rechtsmittel eingelegt.

Am 20.7.2007 hat die Antragstellerin beantragt, den Kostenfestsetzungsbeschluss nach der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 (im Folgenden als EuVTVO bezeichnet) zu bestätigen. Diese Bestätigung ist am 10.8.2007 vom Rechtspfleger ausgesprochen und der Antragsgegnerin spätestens am 19.8.2007 zustellt worden. Mit einem am 28.8.2008 eingegangenen Schriftsatz hat die Antragsgegnerin durch ihren ausdrücklich nur für das Vollstreckungsverfahren

bevollmächtigten Prozessbevollmächtigten beantragt, die Bestätigung des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 9.11.2006 als Europäischen Vollstreckungstitel zu widerrufen.

Mt Beschluss vom 3.7.2008 hat der Rechtspfleger diesen Antrag abgelehnt; auf den Beschluss wird Bezug genommen. Gegen diesen Beschluss hat die Antragsgegnerin fristgerecht den zulässigen Rechtsbehelf der Erinnerung nach § 11 Abs. 2 RPflG eingelegt Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor:

Wegen der Abhängigkeit des Kostenfestsetzungsbeschlusses von der Kostengrundentscheidung gerade im deutschen Zivilprozessrecht müsse in der Hauptsache eine Geldforderung nach Art. 1 EuVTVO tituliert sein, damit der spätere, auf der Kostengrundentscheidung beruhende Kostenfestsetzungsbeschluss überhaupt bestätigungsfähig sei. Hier aber sei eine zu unterlassende Handlung tituliert worden.

Im Übrigen stehe die Tatsache, dass die einstweilige Verfügung ohne Anhörung der Antragsgegnerin erlassen worden sei, einer Bestätigung des Kostenfestsetzungsbeschlusses grundsätzlich entgegen.

Der Rechtspfleger beim LG hat dieser Erinnerung nicht abgeholfen, sondern die Akten nach § 11 Abs. 2 S. 3 RPflG dem Vorsitzenden der 1. Kammer für Handelssachen beim LG Nürnberg-Fürth vorgelegt.

Mt Beschluss vom 14.1.2009 ist von der genannten Kammer der Beschluss des Rechtspflegers vom 3.7.2008 aufgehoben und die Bestätigung des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 9.11.2006 als Europäischer Vollstreckungstitel widerrufen worden. Zur Begründung führt das LG aus:

Die Mindestvoraussetzungen des Kapitel III der EuVTVO seien nicht eingehalten worden, da die einstweilige Verfügung ohne Hinweis auf den Rechtsbehelf des § 924 ZPO zugestellt worden sei. Deshalb könne auch ein entscheidender Verfahrensfehler nicht geheilt werden, näml...

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