Entscheidungsstichwort (Thema)

Trunkenheit im Verkehr

 

Tenor

I. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts N. vom 8. September 2009 mit den Feststellungen aufgehoben.

II. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts N. zurückverwiesen.

 

Gründe

I. Das Amtsgericht N. verurteilte den Angeklagten am 8.9.2009 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 160 Euro. Die Fahrerlaubnis wurde ihm entzogen und sein Führerschein eingezogen. Die Verwaltungsbehörde wurde angewiesen, dem Angeklagten vor Ablauf von noch acht Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.

Nach den Feststellungen befuhr der Angeklagte am 9.5.2009 gegen 8.00 Uhr mit dem Pkw P, amtliches Kennzeichen ..., auf der BAB A 73 bei km 90 in Fahrtrichtung Fes, obwohl er infolge vorangegangenen Alkoholgenusses fahruntüchtig war. Hierzu führte das Amtsgericht u.a. aus:

"Von einem Passanten wurde der Verkehrspolizeiinspektion F. mitgeteilt, es befänden sich Reifenteile auf der A 73. Die Polizeibeamtin S. erhielt sodann von ihrer Dienststelle die Mitteilung, die Reifenteile seien zu entfernen, wobei es zudem hieß, der Verursacher stehe eine kurze Strecke danach rechts auf dem Seitenstreifen. Dort wurde der Angeklagte von der Polizeistreife auch angetroffen. Er versuchte trotz des einen fehlenden Reifens wegzufahren. Anschließend wurde von der Polizeibeamtin F. die Entnahme einer Blutprobe angeordnet, ohne den richterlichen Reihendienst zu kontaktieren. Die am 9.5.2009 um 9.40 Uhr entnommene Blutprobe ergab Werte von 1,83 und 1,85 Promille nach dem GC-Verfahren und von 1,87 und 1,91 Promille nach dem ADH-Verfahren." ...

"Die Polizeibeamtin F. hat in der Hauptverhandlung erklärt, sie habe Gefahr in Verzug nicht für gegeben erachtet. Es sei aber die damalige Übung ihrer Dienststelle gewesen, bei derartigen Fällen die Staatsanwaltschaft oder den richterlichen Bereitschaftsdienst nicht zu kontaktieren, Diese Übung sei inzwischen ausdrücklich geändert worden.

Nach Auffassung des Gerichts hat hier aber, was letzten Endes entscheidend ist, objektiv Gefahr in Verzug vorgelegen. Wie die Zeugin F. glaubhaft mitgeteilt hat, hat der Angeklagte immer wieder versucht wegzufahren. Eine Handhabe, den Angeklagten aufzuhalten, hat somit nur dann bestanden, wenn die Anordnung zur Entnahme einer Blutprobe durch die Polizeibeamtin getroffen wurde."

Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit der Sprungrevision. Er rügt die Verletzung materiellen und formellen Rechts; die Blutentnahme sei unter Verstoß gegen § 81 a Abs. 2 StPO erfolgt, das Amtsgericht habe sie deshalb nicht verwerten dürfen. Er beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und ihn auf Kosten der Staatskasse freizusprechen.

II. Die Sprungrevision ist zulässig und hat in der Sache - zumindest vorläufig - Erfolg. Sie führt bereits mit der Verfahrensrüge zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung an das Amtsgericht.

1. Die Verfahrensrüge genügt den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Mit der Revisionsbegründung werden die den Mangel begründenden Tatsachen, insbesondere auch durch Angaben zu der protokollierten Aussage der ermittelnden Polizeibeamtin in der Hauptverhandlung näher dargelegt, so dass sie der Überprüfung durch den Senat zugänglich sind. Danach macht der Angeklagte zu Recht die Verletzung des Richtervorbehalts nach § 81 a Abs. 2 StPO zu seinen Lasten geltend.

Nach § 81 a Abs. 2 StPO steht die Anordnung der Blutentnahme grundsätzlich dem Richter zu. Nur bei Gefährdung des Untersuchungserfolgs durch die mit der Einholung einer richterlichen Entscheidung einhergehende Verzögerung besteht auch eine Anordnungskompetenz der Staatsanwaltschaft und - nachrangig - ihrer Ermittlungspersonen. Die Strafverfolgungsbehörden müssen daher regelmäßig versuchen, die Anordnung des zuständigen Richters einzuholen, bevor sie selbst die Blutentnahme anordnen. Die Gefährdung des Untersuchungserfolgs muss mit Tatsachen begründet werden, die auf den Einzelfall bezogen und in den Ermittlungsakten zu dokumentieren sind, sofern die Dringlichkeit nicht evident ist (vgl. hierzu BVerfG, NJW 2007, 1345 f.; OLG Dresden, NJW 2009, 2149 ff.; OLG Bamberg, NJW 2009, 2146 ff.).

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Eine Gefährdung des Untersuchungserfolgs gemäß § 81 a Abs. 2 StPO, die eine Anordnung der Blutentnahme durch den ermittelnden Polizeibeamten gerechtfertigt hätte, ist nicht gegeben. Die ermittelnde Polizeibeamtin hat entsprechend der damaligen Übung ihrer Dienststelle schon gar nicht in Erwägung gezogen, geschweige denn den Versuch unternommen, einen Richter oder jedenfalls einen Staatsanwalt zu erreichen.

a) Zunächst bedarf eine richterliche Anordnung gemäß § 81 a Abs. 2 StPO nicht zwingend der Vorlage schriftlicher Akten, deren Herstellung in vielen Fällen eine Verzögerung der Untersuchung nach sich ziehen würde. In der Zeit zwischen dem Verdacht auf eine Trunkenheitsfahrt und dem Z...

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