Leitsatz (amtlich)

Eine Verbesserung der für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe maßgebenden Verhältnisse i.S.d. § 120 Abs. 4 ZPO liegt trotz zwischenzeitlich erfolgten Kapitalzuflusses an die Partei nicht vor, wenn die Partei bei Anordnung von Zahlungen in absehbarer Zeit auf die Beantragung von Sozialhilfe angewiesen sein wird (hier: Zufluss von 8.000 Euro; monatliche um Wohnkosten bereinigte Rente von 262 Euro).

 

Normenkette

ZPO § 120 Abs. 4

 

Verfahrensgang

AG Straubing (Aktenzeichen 2 F 571/00)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des AG – FamG – Straubing vom 17.9.2002 – 2 F 571/00) aufgehoben.

 

Gründe

I. Das FamG hat der Antragstellerin mit Beschl. v. 6.9.2000 für das Wohnungszuweisungsverfahren Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsanordnung bewilligt. Nachdem ein Sparbrief im Juli 2002 fällig geworden war, aus dem die Antragstellerin – inzwischen wieder angelegte – 8.000 Euro erhalten hat, hat der Rechtspfleger mit Beschluss vom 17.9.2002 die Zahlung von 125,31 Euro auf die Kosten der Prozessführung angeordnet.

Hiergegen richtet sich die am 1.10.2002 beim FamG eingegangene sofortige Beschwerde der Antragstellerin, welcher der Rechtspfleger nicht abgeholfen hat. Die Antragstellerin ist der Auffassung, die Zahlungsanordnung sei unberechtigt, da sie angesichts ihrer geringen Rente auf das Kapital bzw. die hieraus erzielten Zinsen angewiesen sei.

Die Antragstellerin erzielt eine monatliche Rente von 418,61 Euro; nach Abzug der um Wohngeld bereinigten Miete verbleiben ihr 262,06 Euro.

II. Die gem. § 127 Abs. 2 ZPO, 11 RPflG zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist auch begründet.

Zwar hat sich die finanzielle Situation der Antragstellerin insoweit verbessert, als der vorhandene Sparbrief fällig geworden ist und sie daraus vor der Wiederanlage 8.000 Euro zur Verfügung hatte. Dies rechtfertigt im vorliegenden Fall jedoch nicht eine Zahlungsanordnung gem. § 120 Abs. 4 ZPO.

Die Entscheidung über die zu leistenden Zahlungen kann gem. § 120 Abs. 4 ZPO geändert werden, wenn sich die für die Prozesskostenhilfe maßgebenden persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich geändert haben. Wesentlich ist nur eine Verbesserung, die den wirtschaftlichen und sozialen Lebensstandard prägt und verändert (Zöller/Philippi, 23. Aufl., § 120 ZPO Rz. 21). Dies ist bei der Antragstellerin nicht der Fall. Ihre um die Mietkosten bereinigte monatliche Rente liegt unter dem Regelsatz gem. § 22 BSHG, der in Bayern derzeit 284 Euro monatlich beträgt (veröffentlicht in FuR 2002, 316). Sie kann diesen Regelsatz nur durch die aus der Kapitalanlage erzielten Zinsen von rund 27 Euro monatlich erreichen. Die Einkünfte der Antragstellerin liegen daher nach wie vor auf Sozialhilfeniveau. Eine aus dem Vermögen zu leistende Zahlungsanordnung gem. § 120 Abs. 4 ZPO würde dazu führen, dass die Antragstellerin auch für ihren laufenden Bedarf auf das angelegte Kapital zurückgreifen muss mit der Folge, dass sie früher oder später nach Aufzehrung des Kapitals dauerhaft auf die Beantragung von Sozialhilfe angewiesen sein wird. Bei dieser Sachlage kann eine prägende wesentliche Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragstellerin, die eine Zahlungsanordnung gem. § 120 Abs. 4 ZPO rechtfertigt, nicht angenommen werden. Der Beschl. v. 17.9.2002 ist daher aufzuheben.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 127 Abs. 4 ZPO).

Hoffmann

RiOLG

 

Fundstellen

Haufe-Index 1108456

EzFamR aktuell 2003, 222

OLGR Düsseldorf 2003, 88

OLGR Frankfurt 2003, 88

OLGR Hamm 2003, 88

OLGR Köln 2003, 88

KG-Report 2003, 88

NJOZ 2003, 2478

OLGR-BHS 2003, 88

OLGR-CBO 2003, 88

OLGR-KSZ 2003, 88

OLGR-KS 2003, 88

OLGR-MBN 2003, 333

OLGR-MBN 2003, 88

OLGR-NBL 2003, 88

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