Leitsatz (amtlich)

Das in § 47 Abs. 4 Satz 2 GenG statuierte Recht eines Mitglieds einer Genossenschaft, auf Verlangen eine Abschrift der Niederschrift einer Vertreterversammlung (§ 43a Abs. 1 Satz 1 GenG) zur Verfügung gestellt zu bekommen, setzt - auch bei länger zurückliegenden Vertreterversammlungen - kein besonderes Rechtsschutzinteresse voraus.

 

Normenkette

GenG § 47 Abs. 4 S. 2, § 160 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

AG Fürth (Bayern) (Beschluss vom 29.05.2013; Aktenzeichen GnR ...)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des AG - Registergericht - Fürth vom 29.5.2013, GnR ..., aufgehoben.

2. Das AG wird angewiesen, dem Antragsgegner ein Zwangsgeld für den Fall anzudrohen, dass dieser die Verpflichtung der B., dem Antragsteller die Protokolle der Vertreterversammlungen der Jahr 2009 und 2010 zur Verfügung zu stellen, nicht erfüllt.

3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsgegner.

 

Gründe

I. Der Antragsteller begehrt die Einleitung eines Zwangsgeldverfahrens gegen den Antragsgegner.

Der Antragsteller war zunächst bis zu seinem Ausschluss Ende 2003 Mitglied der B., welche im Genossenschaftsregister beim AG Fürth unter GenR ... eingetragen ist. Im Jahr 2010 wurde er wieder als Mitglied aufgenommen.

Der Antragsgegner ist Vorstand der B.

Mit Schreiben vom 22.1.2013 (Bl. 235 d.A.) bat der Antragsteller den Antragsgegner, ihm eine Abschrift der Protokolle der Vertreterversammlung der Jahre 2009 und 2010 zur Verfügung zu stellen. Ihm sei bei Durchsicht der Bilanzen für die Geschäftsjahre 2008 und 2009 der Genossenschaft aufgefallen, dass einerseits die Mitgliederzahl von 12.752 im Jahresabschluss 2008 auf 12.595 im Jahresabschluss 2009 gesunken sei, während im gleichen Zeitraum die Anzahl der von den Mitgliedern gehaltenen Geschäftsanteilen von 41.476 auf 56.671 gestiegen sei. Zur Klärung benötige er eine Kopie der Niederschrift über die Vertreterversammlungen der Jahre 2009 und 2010.

Da der Antragsgegner die Protokolle nicht übermittelte, beantragte der Antragsteller mit Schreiben vom 18.2.2013 (Bl. 234 d.A.) beim AG Fürth, gegen den Antragsgegner ein Zwangsgeldverfahren nach § 160 Abs. 1 Satz 2 GenG einzuleiten. Das AG Fürth drohte daraufhin mit Schreiben vom 20.2.2013 dem Antragsgegner ein Zwangsgeld i.H.v. 200 EUR an, falls er dem Antragsteller die begehrten Abschriften über die Vertreterversammlungen der Jahre 2009 und 2010 nicht zur Verfügung stelle.

Mit Schreiben vom 4.3.2013 nahm der Antragsgegner hierzu Stellung und wies darauf hin, dass nach einer Kommentarmeinung zum GenG ein Einsichtsrecht in zurückliegende Niederschriften nur bei einem entsprechendem Rechtsschutzinteresse bestehe, welches der Antragsteller nicht dargetan habe. Überdies sei der Antragsteller weder zum Zeitpunkt der Vertreterversammlungen noch in den betreffenden Geschäftsjahren Mitglied der Genossenschaft gewesen. Hierzu nahm der Antragsteller mit Schreiben vom 30.3.2013 (Bl. 242 ff. d.A.) Stellung. Ferner gab der Genossenschaftsverband ... mit Schreiben vom 15.5.2013 (Bl. 249 ff. d.A.) eine Stellungnahme ab.

Das Erstgericht hob mit Beschluss vom 29.5.2013 (Bl. 252 f. d.A.) die Androhungsverfügung vom 20.2.2013 auf und wies den Antrag auf Einleitung eines Zwangsgeldverfahrens zurück. Ein berechtigtes Interesse an einer Einsicht in die Protokolle der Vertreterversammlungen der Jahre 2009 und 2010 sei nicht ersichtlich, weil der Antragsteller seit dem Jahr 2010 wieder Mitglied bei der Genossenschaft sei und er deshalb bereits vor 2 Jahren sein Einsichtsrecht nach § 47 Abs. 4 GenG geltend machen hätte können. Überdies habe der Genossenschaftsverband ... e.V. den vom Antragsteller vorgetragenen Sachverhalt bereits geprüft.

Gegen diesen Beschluss hat der Antragsteller mit Schreiben vom 4.7.2013 (Bl. 257 ff. d.A.) Beschwerde eingelegt. Weder aus dem Gesetz noch aus der Gesetzgebungsgeschichte ergebe sich eine zeitliche Beschränkung des Einsichtsrechts nach § 47 Abs. 4 GenG.

II.1. Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig. Der Antragsteller ist nach § 59

FamFG beschwerdeberechtigt. Er beruft sich auf die Verletzung eines ihm zustehenden Mitgliedsrechts, nämlich des Einsichtsrechts aus § 47 Abs. 4 Satz 2 GenG. Durch die Ablehnung der Androhung eines Zwangsgelds zur Durchsetzung dieses Rechts wird er in diesem Recht möglicherweise beeinträchtigt.

Die Beschwerde ist ferner form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 63, 64 FamFG).

2. Die Beschwerde ist begründet. Der Antragsgegner ist durch Androhung eines Zwangsgeldes nach § 160 Abs. 1 GenG zur Befolgung der Vorschrift des § 47 Abs. 4 GenG anzuhalten, weil er zu Unrecht dem Antragsteller die begehrten Niederschriften der Vertreterversammlungen aus den Jahren 2009 und 2010 nicht zur Verfügung gestellt hat:

a) Nach § 47 Abs. 4 Satz 1 GenG kann jedes Mitglied "jederzeit" Einsicht in die Niederschrift einer Generalversammlung verlangen. Jedem Mitglied ist ferner nach § 47 Abs. 4 Satz 2 GenG auf Verlangen eine Abschrift einer Vertreterversammlung unverzüglich zur Verfügung ...

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