Leitsatz (amtlich)

1. Das vereinfachte Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger ist nicht zulässig, wenn der Unterhaltsschuldner schlüssig darlegt, dass das Kind mit ihm in einem Haushalt lebt.

2. Der Unterhaltsschuldner kann sich auf diesen Einwand im Beschwerdeverfahren auch dann berufen, wenn er ihn im erstinstanzlichen Verfahren nicht geltend gemacht hat.

3. Wird der Einwand der Unzulässigkeit schlüssig erhoben, so sind der erstinstanzliche Festsetzungsbeschluss aufzuheben und der Antrag des Unterhaltsgläubigers zurückzuweisen.

 

Normenkette

FamFG § 249 Abs. 1, § 251 Abs. 1, §§ 254, 256

 

Verfahrensgang

AG Nürnberg (Aktenzeichen 151 FH 85/17)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Nürnberg vom 4.8.2017 in den Nummern 1. bis 3. und 5. des Tenors aufgehoben und der Antrag des Antragstellers zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen hat der Antragsteller zu tragen.

3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 6.015,- EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Antragsgegner ist der Vater des am ... geborenen Antragstellers.

Mit Schreiben vom 31.5.2017 beantragte das Jugendamt der Stadt ... als Beistand des Antragstellers beim Amtsgericht Nürnberg, den vom Antragsgegner an seinen Sohn zu zahlenden Mindestunterhalt im vereinfachten Verfahren nach §§ 249 ff. FamFG festzusetzen.

Der Antragsteller hat von der ihm hierzu eingeräumten Möglichkeit der Stellungnahme keinen Gebrauch gemacht.

Mit Beschluss vom 4.8.2017, auf den wegen der Einzelheiten verwiesen wird, setzte das Amtsgericht den vom Antragsgegner an den Antragsteller ab 1.7.2017 zu zahlenden monatlichen Unterhalt auf 105 % des jeweiligen Mindestunterhalts der zweiten Altersstufe, vermindert um das hälftige Kindergeld für ein erstes Kind, somit auf derzeit 317,- EUR, und den vom Antragsgegner zu zahlenden rückständigen Unterhalt für die Zeit vom 1.12.2016 bis 30.6.2017 auf insgesamt 2.211,- EUR fest. Darüber hinaus wurde bestimmt, dass der Antragsgegner ab 1.4.2019 105% des jeweiligen Mindestunterhaltes der 3. Altersstufe, abzüglich des hälftigen Kindergeldes für ein erstes Kind, zu zahlen hat.

Gegen diesen ihm am 10.8.2017 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 8.9.2017, eingegangen beim Amtsgericht Nürnberg am selben Tag, Beschwerde eingelegt, mit der er eine Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung dahingehend anstrebt, dass der Antrag, ihn zur Zahlung von Unterhalt zu verpflichten, zurückgewiesen wird. Er beantragt ferner die Einstellung der Vollstreckung der angefochtenen Entscheidung. Er begründet seine Beschwerde insbesondere damit, dass der Antragsteller ganz überwiegend in seinem Haushalt lebe und auch von ihm - im Hinblick auf die Schichtarbeit seiner geschiedenen Ehefrau - persönlich betreut werde. Der Antragsteller esse bei ihm zu Abend, verbringe den Abend dort, schlafe in seinem Haushalt, frühstücke mit ihm und gehe von dort aus werktäglich zur Schule. Die Wochenenden verbringe er abwechselnd bei ihm und bei der Mutter. Da der Antragsteller somit seinen überwiegenden Lebensmittelpunkt bei ihm habe, richte sich der Anspruch auf Leistung des Barunterhalts nicht gegen ihn, sondern gegen die Mutter des Antragstellers. Ferner sei er hinsichtlich des Unterhalts auch nicht leistungsfähig. Außerdem habe er in dem Zeitraum 1.12.2016 bis 30.6.2017 monatlich 200 Euro Kindesunterhalt an die Mutter bezahlt.

Der Antragsteller beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen, weil die vorgebrachten Einwände zum Teil unbegründet und zum Teil unzulässig seien. Der Zulässigkeit des vereinfachten Verfahrens über den Unterhalt Minderjähriger stehe nicht entgegen, dass der Antragsteller im Haushalt des Antragsgegners überwiegend lebe. Dies sei vielmehr unrichtig. Er habe seinen Lebensmittelpunkt bei seiner Mutter und lebe auch ganz überwiegend dort. Der Antragsgegner vergesse insbesondere zu erwähnen, dass die Mutter nach den Zeiten, in denen sie Spät- bzw. Nachtschicht leiste, anschließend ganze 6 Tage frei habe und sich dann um den Antragsteller kümmere. Der Einwand der fehlenden Leistungsfähigkeit sowie der der teilweisen Erfüllung stellten im Beschwerdeverfahren keine gemäß § 256 FamFG zu berücksichtigende Einwendungen dar, weil diese nicht schon vor dem Amtsgericht erhoben worden seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrags der Beteiligten wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Der Senat hält die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht für geboten.

II. Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist begründet und führt zur Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung und der Zurückweisung des Antrags auf Festsetzung des Unterhalts im vereinfachten Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger.

1. Die Beschwerde des Antragsgegners ist statthaft und auch im Übrigen zulässig.

Insbesondere stützt der Antragsgegner seine Beschwerde auf eine nach § 256 Satz 1 FamFG zulässige Einwendung. Nach dieser...

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