Leitsatz (amtlich)

Ein über den – angesichts der tatsächlichen Einkünfte der Eltern gerechtfertigten – Mindestunterhalt des volljährigen Kindes hinausgehender Bedarf kann auf die Zusammenrechnung lediglich fiktiver Einkünfte der beiden Elternteile jedenfalls dann nicht gestützt werden, wenn solche Einkünfte in den letzten Jahren nicht erzielt wurden.

 

Normenkette

BGB §§ 1610, 1612b; BayL Nr. 15a S. 2

 

Verfahrensgang

AG Neustadt a.d. Aisch (Urteil vom 18.08.1998; Aktenzeichen 1 F 161/98)

 

Tenor

Der Antrag der Klägerinnen, ihnen für eine Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Neustadt/Aisch vom 18.08.1998 Prozeßkostenhilfe zu bewilligen, wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

Die Klägerinnen sind die am 22.06.1979 (K. H.) bzw. 22.02.1982 (S. H.) geborenen Töchter des Beklagten aus dessen geschiedener Ehe. Beide sind Schülerinnen und leben im Haushalt ihrer Mutter. Diese bezieht das Kindergeld für die Klägerinnen sowie Sozialhilfe für die aus ihr selbst und den Klägerinnen bestehende Bedarfsgemeinschaft. Davon entfallen auf die Klägerin zu 1) (537,00 DM – 220,00 DM Kindergeld =) 317,00 DM und auf die Klägerin zu 2) (589,00 DM – 220,00 DM Kindergeld =) 369,00 DM.

Der Beklagte ist seit vielen Jahren arbeitslos und hat sich gegenüber der Unterhaltsklage der Klägerinnen darauf berufen, daß er im Hinblick auf Einkünfte aus Arbeitslosenhilfe in Höhe von lediglich 1.395,00 DM monatlich und ehebedingte Schulden in Höhe von über 150.000 DM nicht leistungsfähig sei.

Mit – Urteil vom 18.08.1998 hat das Amtsgericht den Beklagten verurteilt, ab 01.08.1998 Kindesunterhalt in Höhe von

21,50 DM an die Klägerin zu 1) und

23,00 DM an die Klägerin zu 2)

zu bezahlen und die Klage im übrigen abgewiesen.

Die Klägerinnen beantragen Prozeßkostenhilfe für eine beabsichtigte Berufung, mit der sie anstreben, den Beklagten zu verurteilen, ab 01.06.1998 monatlich an die

Klägerin zu 1) 144,00 DM

Klägerin zu 2) 133,00 DM

zu bezahlen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Der Antrag war zurückzuweisen, da für die beabsichtigten Rechtsmittel der Klägerinnen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht, § 114 ZPO.

1. Den der Klägerin zu 1) zugesprochenen monatlichen Betrag von 21,50 DM hat das Amtsgericht in der Weise errechnet, daß es vom Mindestbedarf eines bei den Eltern lebenden volljährigen Kindes von 580,00 DM den auf die Klägerin zu 1) entfallenden Anteil der monatlichen Sozialhilfeleistungen von 317,00 DM (bedarfsdeckend) abgezogen, den verbleibenden Restbedarf von 263,00 DM zwischen den beiden Eltern (gemäß § 1606 Abs. 3 BGB) hälftig aufgeteilt und von dem danach auf den Beklagten entfallenden Anteil von 131,50 DM gemäß § 1612 b Abs. 1 BGB das hälftige Kindergeld von 110,00 DM abgezogen hat.

Dagegen wendet die Klägerin zu 1) ein, daß ihr Bedarf aus der Summe der vom Amtsgericht den beiden Elternteilen fiktiv zugerechneten Einkünfte von jeweils 2.500,00 DM abzüglich einer Erwerbsaufwandspauschale von jeweils 500,00 DM, mithin aus 4.000,00 DM mit 824,00 DM (statt 580,00 DM) bestimmt werden müsse.

Dieser Einwand gegen das angefochtene Urteil ist nicht erfolgversprechend, weil nach der neueren Rechtsprechung, auch des BGH (vgl. FamRZ 1997, 281) ein (den Mindestunterhalt übersteigender) Unterhaltsbedarf eines Kindes grundsätzlich nicht aus lediglich fiktiven Einkünften hergeleitet werden kann (vgl. dazu auch Wendl/Staudigl/Haußleiter, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 4. Auflage, S. 125). Dies muß jedenfalls in dem hier gegebenen Fall gelten, daß der auf Unterhalt in Anspruch genommene Elternteil seit vielen Jahren arbeitslos ist und kein Erwerbseinkommen erzielt hat. Die tatsächlichen Einkünfte des Beklagten aus Arbeitslosenhilfe bzw. der Mutter der Klägerin (soweit ersichtlich ohne Einkünfte) rechtfertigen aber keinen höheren Unterhaltsbedarf als den Regelbetrag von 580,00 DM.

Die bedarfsdeckende Berücksichtigung der Sozialhilfeleistungen entspricht der Berechnung der Klageforderung durch die Klägerin selbst und wird auch mit der beabsichtigten Berufung nicht in Frage gestellt. Auch deshalb besteht für den Senat keine Veranlassung, von diesem Vorgehen des Amtsgerichts abzugehen. Zwar ist Sozialhilfe im allgemeinen unterhaltsrechtlich nicht als Einkommen zu behandeln (vgl. auch BayL Nr. 8 Satz 1). Im vorliegenden Fall ist jedoch zu beachten, daß Unterhaltsansprüche gegen den Beklagten mit der Zurechnung fiktiver Einkünfte begründet worden sind (und auch nur begründet werden können), womit ein Übergang der Unterhaltsansprüche auf den Sozialhilfeträger nach § 91 Abs. 1 BSHG wegen der Schuldnerschutzbestimmung des § 91 Abs. 2 BSHG ausscheidet (vgl. BGH, FamRZ 1998, 818) und dadurch eine doppelte Befriedigung des Unterhaltsgläubigers (durch Sozialhilfe einerseits und die etwaige Realisierung von Unterhaltsansprüchen andererseits) eintreten könnte. Wenn dieses Ergebnis im vorliegenden Fall dadurch vermieden wird, daß die Klägerinnen sich die auf sie entfallenden Sozialhilfeleistungen von vorneherein bedarfsmindernd anrechnen lassen (d...

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