Leitsatz (amtlich)

1. Zum Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag auf Widerrechtlichkeitsbescheinigung, wenn ein Verfahren nach dem HKiEntÜ bei dem dafür zuständigen ausländischen Gericht noch nicht anhängig ist und im Vorfeld das Vorliegen eines Einverständnisses des in Deutschland zurückgebliebenen Elternteils mit dem Verbringen des Kindes ins Ausland geklärt werden soll.

2. Das Verbringen des Kindes ins Ausland ist nicht widerrechtlich i.S.v. Art. 3 und Art. 15 HKiEntÜ, wenn insoweit eine Zustimmung oder spätere Genehmigung des zurückgelassenen Elternteils vorliegt. Für das Vorliegen und den Inhalt solcher auch konkludent möglicher Erklärungen kommt es auf den Empfängerhorizont an.

 

Normenkette

HKiEntÜ Art. 3; HKiEntÜ Art. 13 Abs. 1. S. 1 lit. a), Art. 15

 

Verfahrensgang

AG Nürnberg (Beschluss vom 06.06.2008; Aktenzeichen 105 F 1830/08)

 

Tenor

I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des AG - FamG - Nürnberg vom 6.6.2008 wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen und die der Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren entstandenen Kosten zu erstatten.

III. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Antragsteller und die Antragsgegnerin sind seit 2003 verheiratet. Aus der Ehe ist die am 23.8.2004 geborene Tochter ... hervorgegangen.

Die Familie lebte bis zur Trennung der Parteien im Herbst 2006 zusammen in Frankfurt. Nach der Trennung zog die Antragsgegnerin mit dem Kind ... zunächst nach Nürnberg.

Unter dem 31.3.2007 unterzeichneten die Parteien folgende "Elternvereinbarung und Vollmacht für die gemeinsame Tochter ...":

"Wir, die Eltern von ... sind uns darüber einig, dass ... bei der Mutter leben soll. Der Lebensmittelpunkt für ... soll auch zukünftig bei der Mutter liegen. Die Kindesmutter soll alle Entscheidungen für ... treffen. Sie informiert den Kindesvater über die Entwicklung der Tochter. Der Kindesvater wird regelmäßigen Umgang mit ... ausüben.

Zur Klarstellung:

Sollte die Kindesmutter aus welchen Gründen auch immer ihren Wohnort wechseln, so ist sie dazu berechtigt, gemeinsam mit ihrer Tochter umzuziehen. ...'s Lebensmittelpunkt wird auch dann weiter bei der Kindesmutter verbleiben.

Ich, ..., erkläre insofern ausdrücklich, dass ich einem etwaigen, zukünftigen Ortswechsel zustimme. Ich weiß auch, dass die Kindesmutter eine solche Entscheidung nicht treffen wird, wenn es dem Wohl unserer Tochter entgegensteht.

Ich erkläre weiter, dass die Kindesmutter ... die Entscheidungen über die Wahl eines Kindergartens oder Schule ohne meine Zustimmung vornehmen kann. Ich übertrage insofern die Entscheidung für diese Entscheidung der Kindesmutter. Die Kindesmutter wird hiermit bevollmächtigt, etwaige Anmeldung auch in meinem Namen zu unterzeichnen bzw. entsprechende Erklärungen abzugeben.

Diese Vollmacht gilt auch ggü. Behörden z.B. Passstelle, Einwohnermeldeamt und etwaigen behandelnden Ärzten."

In einer E-Mail vom 15.5.2007 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller ihre Absicht mit, in die Schweiz umzuziehen. In dieser E-Mail hieß es u.a.:

"Mir liegen in der der Schweiz höchst interessante und als Alleinerziehende flexible Jobangebote zum Wiedereinstieg ins Berufsleben mit mündlichen Zusagen vor. ... Dieses Angebot löst viele Probleme. Meine Eltern ziehen am 13.6.2007 aus Nürnberg, weg und zwar an die Schweizer Grenze nach ... . Mein Betreuungssystem, für das ich eigentlich nach Nürnberg gekommen bin, ist damit hinfällig. ... In Zürich kann ich einen Kindergarten sofort haben, und zwar bei einem zweisprachigen Kindergarten, ... Für ... und Dich wird der Umzug wohl keine Nachteile haben, im Gegenteil, es könnte sogar einfacher werden. Da auch Du planst umzuziehen, werden wir uns also entgegenkommen. ..."

Nach der Darstellung der Antragsgegnerin zog diese in der Folgezeit - spätestens bis August 2007 - mit ... in die Schweiz, und zwar in die Nähe von Zürich um.

Der Antragsteller legte im Beschwerdeverfahren eine per E-Mail vom 6.12.2007 erteilte Auskunft der Gemeindeverwaltung ...-... in der Schweiz vor, in der mitgeteilt wurde, dass dort ein Zuzug ... bereits am 21.3.2007 und ein Wegzug am 30.9.2007 vermerkt ist. Im Anschluss daran hat der Antragsteller behauptet, dass die Antragsgegnerin bereits vor der Vereinbarung vom 31.3.2007 mit ... in die Schweiz gezogen ist.

In einem Schreiben seines damaligen Bevollmächtigten, Rechtsanwalt ..., an die Bevollmächtigte der Antragsgegnerin vom 22.8.2007 ließ der Antragsteller Vorschläge zur Gestaltung eines Umgangs machen, bei denen von einem Wohnort ... in Zürich ausgegangen wurde.

In einer E-Mail vom 25.9.2007 teilte der Antragsteller der Antragsgegnerin mit, dass für ... in Deutschland kein Kindergeld mehr bezahlt werde, dieses aber vielleicht in der Schweiz der Fall sei.

Für die Zeit bis zum 25.9.2007 liegt keine schriftliche Äußerung des Antragstellers selbst dahingehend vor, dass er mit einem Aufenthalt ... bei der Mutter in der Schweiz nicht einverstanden ist.

Unter dem 25.9...

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