Leitsatz (amtlich)

Grundsätzlich ist bei einer verspäteten Schadensanzeige davon auszugehen, dass dies auf Nachlässigkeit des Versicherungsnehmers beruht. Dieser Erfahrungssatz kann jedoch dadurch erschüttert werden, dass eine andere Möglichkeit ernsthaft in Betracht kommt. Dies ist dann der Fall, wenn der Versicherungsnehmer ein Interesse daran gehabt haben könnte, dass die Versicherung vom Wiederauffinden seines Fahrzeugs möglichst spät Kenntnis erlangte.

 

Verfahrensgang

LG Stendal (Urteil vom 08.10.2003; Aktenzeichen 23 O 342/01)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 8.10.2003 verkündete Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des LG Stendal wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer des Klägers übersteigt 20.000 Euro nicht.

Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird auf 8.538,57 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Hinsichtlich des Sachverhalts nimmt der Senat auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug, § 540 Abs. 1 ZPO. Der Kläger nimmt die Beklagte aus einer Vollkaskoversicherung auf Entschädigungszahlung in Anspruch.

Der Kläger unterhielt bei der Beklagten seit dem 25.1.2001 eine Kfz-Haftpflichtversicherung mit Vollkaskoversicherung für seinen Pkw BMW 320 Coupe. Die Selbstbeteiligung betrug 300 DM. In der Nacht zum 25.3.2001 gegen 02:00 Uhr zeigte der Kläger bei der Polizei in St. den Diebstahl des Fahrzeugs an, den er sodann auch bei der Beklagten meldete. Gut 1 1/2 Jahre später wurde das Fahrzeug im November 2002 völlig ausgebrannt auf einem Feldweg bei H., etwa 20 km von St. entfernt, wieder aufgefunden. Dies wurde der Ehefrau des Klägers am 27.11.2002 von der Polizei T. mitgeteilt; der Kläger selbst befand sich zu diesem Zeitpunkt noch bis zum 30.11.2002 auf Montage. Am 13.12.2002 informierte der Kläger seinen Prozessbevollmächtigten vom Auffinden des Fahrzeugs; in dem bereits laufenden Prozess wurde dieser Sachverhalt durch Schriftsatz v. 20.1.2003 eingeführt, sodass auch die Beklagte hiervon Kenntnis erhielt.

Der Kläger hat behauptet, er habe den Pkw am 24.3.2001 gegen 23:00 Uhr auf dem Parkplatz ggü. der Diskothek M. im Gewerbegebiet von St. verschlossen abgestellt. In der Nacht zum 25.3.2001 habe er dann zwischen 02:00 Uhr und 03:00 Uhr festgestellt, dass der Wagen verschwunden gewesen sei. Zum Beweis hierfür hat er sich auf das Zeugnis seiner Ehefrau und eines Bekannten, St.S., berufen, mit denen er zur Diskothek gefahren sei. Er habe das Fahrzeug im März 1999 für 30.000 DM gekauft; auf Grund verschiedener Sonderausstattungen habe es im Zeitpunkt der Entwendung noch einen Zeitwert von 17.000 DM gehabt.

Der Kläger hat gemeint, der Brandschaden sei der Beklagten ohne erhebliche Verzögerung mitgeteilt worden. Nachdem er am 13.12.2002 seinen Prozessbevollmächtigten informiert habe, seien zeitnah zunächst die Ermittlungsakten angefordert worden. Akteneinsicht habe sein Prozessbevollmächtigter dann erst im April 2003 erhalten. Seine Ehefrau habe ihn auch nicht sogleich über das Wiederauffinden des Fahrzeugs informiert. Der Wagen sei ohne sein Wissen bereits am 3.12.2002 vom Landkreis abgeschleppt worden. Eine Aufklärungspflicht ggü. der Beklagten habe nicht mehr bestanden, nachdem diese ihre Eintrittspflicht aus dem Versicherungsvertrag endgültig abgelehnt habe und hierüber bereits ein Klageverfahren eingeleitet gewesen sei. Ihm könne nicht vorgeworfen werden, dass er den Brandschaden nicht als selbständigen Versicherungsfall aufgefasst habe.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 16.700 DM (8.538,57 Euro) nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (28.2.2002) zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat die vom Kläger behaupteten Umstände im Zusammenhang mit dem Diebstahl bestritten. Sie hat behauptet, der Diebstahl sei vom Kläger vorgetäuscht worden. Hierzu hat sie verschiedene Indizien aufgeführt, die vom Kläger nicht bestritten worden sind. So hatte der damals 22-jährige Kläger das Fahrzeug durch die SEAT Kreditbank finanziert und musste bei einem Nettoeinkommen von 3.000 DM monatliche Raten i.H.v. 624,23 DM über 72 Monate aufbringen. Die Restschuld betrug noch mehr als 30.000 DM, während der Kläger ggü. der Polizei insoweit einen Betrag von 20.000 DM bis 25.000 DM angegeben hat. Unmittelbar vor der behaupteten Entwendung wurde am 23.3.2001 eine Lastschrift der finanzierenden Bank mangels Deckung nicht eingelöst, einen Dispositionskredit erhielt der Kläger von seiner Bank nicht. Darüber hinaus war der Kläger auf Grund eines Vandalismusschadens an seinem Pkw in finanzielle Bedrängnis geraten. Im Februar/März 2001 (gegenüber der Polizei gab er an, dies sei im vergangenen Jahr gewesen) wurden alle Kotflügel eingetreten. Die Schäden wurden in Eigenarbeit behoben, die Lackierarbeiten führte die Firma A. in R. ohne Rechnung aus. Der Kläger hat zwei Kinder im Alter von damals zwei und fünf Jahren, seine Ehefrau befand sich seinerzeit noch in der ...

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